Vera Lengsfeld / 29.11.2022 / 16:00 / Foto: Coyau / 74 / Seite ausdrucken

Der Katar-Gasballon und wie wir für dumm verkauft werden

Es rauscht heute ganz mächtig im Blätterwald. Mit einem gelungenen Coup hat es Katar geschafft, die Dauerkritik an seiner Menschenrechtslage zum Verstummen zu bringen. Das Land will nun doch Gas an Deutschland liefern. Dieses verflüssigte Erdgas soll laut Bundesminister Habeck einen „zentralen Baustein für die Sicherung unserer Energieversorgung im kommenden Winter“ liefern.

Wirklich? Wie soll das gehen, wenn das Gas erst ab 2026 geliefert wird? Und obwohl Rechnen inzwischen als toxische weiße männliche Fähigkeit verpönt ist, tun wir es jetzt mal. Die Kataris wollen ab 2026 (was machen wir in der Zwischenzeit Herr Habeck?) bis zu 2 Mio Tonnen LNG jährlich liefern. Klingt doch gut oder?

Ein Achse-Leser, der etwas davon versteht, hat auf die Schnelle Pi mal Daumen nachgerchnet. Und die Rechnung geht so: Erdgas hat pro Kubikmeter einen Energieinhalt von 9,8 kWh, also gerundet 10 kWh. Wir verbrauchen pro Jahr etwa 100 Mrd. Kubikmeter, also 1.000 Mrd. kWh Energie über Erdgas. Verflüssigt hat Erdgas einen Energieinhalt von 13,98 kWh pro Kilogramm, gerundet also 14 kWh. Zwei Millionen Tonnen sind 2 Milliarden kg, oder energietechnisch 2 Milliarden mal 14, also 28 Milliarden kWh. Das sind dann „bis zu 28 Mrd. kWh“ von den 1.000 Mrd. kWh die wir jährlich verbrauchen. Oder 2,8 von 100, also bis zu 2,8 Prozent von unserem jährlichen Durchschnittsverbrauch. Das passt bestens zu den Gepflogenheiten dieser Regierung: virtuelle Lösungen.

Und warum wird das Gas nicht direkt an Deutschland geliefert, sondern über einen amerikanischen Zwischenhändler, der auch den Vertrag mit Katar unterzeichnet hat?

Wirtschaftsminister Habeck sagte dazu bei einem Pressetermin zur Industriekonferenz 2022: „Ich kann dazu wenig Konkretes sagen, weil es die Aufgabe der beteiligten Unternehmen ist, diese Verträge zu schließen und dazu was zu sagen.“ Die Aufgaben der Unternehmen sei es, das Gas möglichst günstig für die Verbraucher auf dem Weltmarkt einzukaufen. Aha, dann wird es teuer weiterverkauft an den Endverbraucher. Der Zwischenhändler muss auch keine Minderung seiner Profite durch eine Übergewinnsteuer fürchten. Im Interesse der deutschen Verbraucher ist das nicht.

Die Gasspeicher in Deutschland seien voll. Für diese Selbstverständlichkeit, die in den Jahren vor der Ampelregierung keine Erwähnung wert war, wird Habeck von seinen Anhängern in den Medien gelobt bis gefeiert. Allerdings wird schamhaft verschwiegen, zu welchem Preis das Gas dann zum Endverbraucher kommt. Außerdem wird dem Publikum verschwiegen, dass der Gasvorrat nur bis Februar reicht, wenn er nur für Deutschland verbraucht wird, was keineswegs sicher ist. Und dann?

„Rollierende Blackouts“ sind der neueste Hit

Erstaunlich auch, dass jene, die meinen, auf sechs Prozent der Gesamtproduktion an Strom durch AKWs könne man locker verzichten, so tun, als ob die höchstens drei Prozent Flüssiggas, die ab 2026 die Lieferungen aus Katar für den Gesamtenergiebedarf Deutschlands ausmachen, die Rettung seien. 

Dabei wird glatt übersehen, dass der tägliche Strombedarf in Deutschland mindestens 1,4 TWh Strom beträgt, im Winter eher noch mehr. An vielen Tagen liefern die „Erneuerbaren“ Wind und Sonne nur 3 bis 10 Prozent des Gesamtstrombedarfs. Auch Wasserkraft trägt nur wenige Prozent bei. Solange es billiges russisches Gas gab, wurde die Lücke durch Gaskraftwerke geschlossen. Das wird nun unmöglich. 

Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rechnet bereits öffentlich mit Blackouts. Es gibt auch schon einen beruhigenden Fachbegriff: Von rollierenden Blackouts spricht man, wenn nacheinander verschiedene Regionen vom Netz angeschaltet werden, um den Totalzusammenbruch zu verhindern. Allerdings könnte es mit diesem Blackout-Management schwierig werden. Die Netzbetreiber hatten schon im September dringend empfohlen, ein „vertragliches Lastmanagement“ wieder möglich zu machen. Dies ist nicht geschehen. Ein weiterer schwerer handwerklicher Fehler des Habeck-Ministeriums. Die Ersatzlösung kann „alle Stromverbraucher ohne Vorbereitung unvermittelt treffen“.

Wieso sollte es dazu kommen, wo Deutschland doch ein Stromexportland sei, wie die Grünen immer wieder behaupten? Tatsächlich wird an Tagen, an denen die „Erneuerbaren“ weit mehr Energie produzieren, als unser Netz, das nur über eine Speicherkapazität von 0,04TWh verfügt, verkraften kann, Strom mit Geld als Belohnung in die Netze der Nachbarländer gepumpt, von denen er bei Sonnen- und Windmangel teuer zurückgekauft werden muss. Oder es wird in Deutschland aus Gas, das aus Frankreich geliefert wird, Strom für die Franzosen produziert, weil die ihre veralteten AKWs auf Vordermann bringen müssen. Beides ist nicht gerade das, was man ehrlicherweise Export nennen kann.

Am deutschen Vorbild wird auch diesmal nicht die Welt genesen

Deutschland hat mit voller Kraft LNG-Terminals gebaut und damit laut Propaganda einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Was verschwiegen wird, ist, dass die LNG-Tanker, die das Flüssiggas über tausende Kilometer transportieren, einen Schwerölverbrauch haben, der viermal höher ist als der des gesamten deutschen Straßenverkehrs. Klimaschutz, um den es angeblich geht, sieht anders aus. Trotzdem wird der Klimaschutz wie eine Monstranz allen politischen Entscheidungen vorangetragen. 

Deutschland wolle eine „dienende Führungsrolle“ im Klimakampf einnehmen, sagt Wirtschaftsminister Habeck. Warum müsse sich Deutschland da „reinhängen“ (Habeck)? Weil alle Augen auf Deutschland gerichtet seien. Wenn Deutschland das nicht mit seinen technischen Möglichkeiten und seiner hohen Akzeptanz für den Klimaschutz in der Bevölkerung hinbekomme, dann sagten sich die anderen 98 Prozent Emittenten, dass sie sich nicht „reinhängen“ müssten.

Am deutschen Vorbild wird auch diesmal nicht die Welt genesen. Denn was Deutschland vorführt, wie innerhalb von Monaten die stärkste Volkswirtschaft der EU deindustrialisiert wird, hat wenig Reiz zur Nachahmung entfaltet. Allerdings wird von den politischen Verantwortlichen, die sich als glühende Europäer gerieren, übersehen, dass es mit der EU aus ist, wenn Deutschland als Hauptgeldgeber ausfällt. Wir wissen nicht, wann das eintreten wird. Aber man kann den Grünen nicht vorwerfen, dass sie nicht offen sagen, was sie vorhaben. Seit Jahrzehnten propagieren sie den „ökologischen Umbau der Industriegesellschaft. Es gibt auch schon einen Begriff für die Folgen dieses Umbaus: „Wohlstand des Weniger“! Das ist ein Euphemismus für Verarmung. 

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H. Adel / 29.11.2022

CDU mit Merkel musste weg, weil es den Grünen zu langsam ging mit der Deindustriealisierung. Die Ampel hat nun die Exponentialfunktion wieder entdeckt (oder entdecken lassen, bei den Rechenkünsten dieser „Schlaumeier“).  Wer meint, dass wir von Idioten regiert werden, verharmlost die Tatsachen. Hier ist Vorsatz und viel kriminelle Energie, Vetternwirtschaft und Landesverrat an der Tagesordnung. Täglich berichten die ÖR vom Leiden der Ukrainer, von den Folgen des Energiemangels. schaut’s Euch genau an, dann könnt ihr zumindest ahnen,, was uns erwartet. Und bevor wir aufgewacht sind, haben die uns Bereichernden längst die Kaufhallen gestürmt. HA

Patrick Meiser / 29.11.2022

Bei aller Wertschätzung, aber hat irgend jemand außer ein H. Broder tatsächlich geglaubt, daß dieser Schwachmat im Wirtschaftsministerium auch nur irgend eine Kleinigkeit richtig ‘gebacken’ kriegt ? Dieser Typ ist von der Sorte Dummschwätzer, den man ein Wort gibt und die einem dann darüber ein Buch erzählen mit 0,00 Inhalt. Meine Geduld mit diesen Fatzkes ist mittlerweile aufgebraucht (der Bericht über diese ‘Buyx’ vom Ethikrat heute war der berühmte Tropfen), diese Kasper in der Regierung müssen alle weg. Und um es mit den Worten einer gewissen Schlauschwätzerin aus Hamburg zu sagen : “Abwarten bis zur nächsten Wahl - diese Zeit haben wir nicht.” Taten sind gefragt, kein Lamentieren usw.

STeve Acker / 29.11.2022

Dürfen wir jetzt dann wieder Fussball-WM schauen, nachdem das mit dem Gas klappt ? ich frag für einen Freund.

Michael Neus / 29.11.2022

Habeck ist nichts weiter als ein Oekostalinist, nicht in der Lage einen Eimer Wasser umzutreten, selbst wenn er vor ihm stünde.. Mir steht der grüne Dreck ganz oben!!

Manfred Knake / 29.11.2022

Wem nützte denn nun die Sprengung der Nordstream-Pipelines? Die Antwort führt nur in eine Richtung. Russland würde durch den intakten B-Strang von Nordstream 2 günstiges Gas sofort liefern können, aber das verhindert wer?

Emmanuel Precht / 29.11.2022

Sozialismus ist eine Philosophie des Scheiterns, das Credo der Unwissenheit und das Evangelium der Eifersucht. Seine eigentliche Tugend ist die gleichmäßige Verteilung des Elends. (Churchill) / Sorgenfreiheit ist Windstrom plus Verzicht! Wohlan…

Klaus - Peter Jünemann / 29.11.2022

Ich hatte bis heute keine Ahnung was das Wort “Bückware” bedeutet. Jetzt verstehe ich es besser.

Gus Schiller / 29.11.2022

Super, der Bückling freut sich über Gaslieferungen ab 2026!!!!!!! Warum fährt er mit einer deutschen Delegation nach Katar? Damit die Amis das Geschäft machen??? Er sollte besser ‘fülosoffüren’, vielleicht kann er das ja wenigstens, oder noch besser zurücktreten und Mund halten. Wahrscheinlich bekommt er noch den Nobelpreis dafür. . - Ich fragte meinen Nachbarn ob er mir vom Einkaufen Bier mitbringen kann. Er hat gleich, für mich, mit dem Getränkehändler einen 15-Jahres Vertrag gemacht. Die erste Kiste wird 2026 geliefert. Preis, keine Ahnung. New economy al a Bückling.

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