Gerd Buurmann / 16.09.2018 / 16:00 / Foto: Gerd Buurmann / 22 / Seite ausdrucken

Der Judenhass ist ein Virus

Zunächst tauchte der Judenhass in Europa als Antijudaismus auf und war lange Zeit von Christen geprägt. Sie schimpften Juden Kindermörder, verfolgten sie und griffen ihre Synagogen an. Einer der bekanntesten Einpeitscher des Antijudaismus war Martin Luther. In seiner Abhandlung „Über die Jüden und ihre Lügen“ schrieb er, Juden seien ein „verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding“ und daher müssten sie verfolgt, ihre Synagogen niedergerissen und ihre Bücher verbrannt werden. 

Mit der Aufklärung nahm der christliche Antijudaismus ab. Seinen Platz nahm jedoch der Antisemitismus ein. Antisemiten erklärten Juden zu einer minderwertigen Rasse, nannten Juden Kindermörder, verfolgten und ermordeten sie und griffen ihre Synagogen an.  

Statt der jüdischen Religion wurde nun das jüdische Volk gehasst. Mit pseudo-wissenschaftlicher Akribie wurde der Hass auf Juden intellektuell verbrämt, zu einer Frage der Volksgesundheit erklärt und dabei brutalisiert. War es zu Zeiten des religiösen Antijudaismus noch möglich, dass ein Jude zum Christentum übertreten konnte, um der Verfolgung zu entgehen, wollten Antisemiten die Juden nicht nur kulturell, sondern auch physisch vernichten.

Als der Antisemitismus aufkam, kannten viele Menschen nur den klassischen Antijudaismus. Sie sahen im Antijudaismus keine große Gefahr mehr. Das Christentum hatte schließlich seine absolute Macht eingebüßt, und in Deutschland konnten Juden Ende des 19. Jahrhunderts vollwertige Bürger des Deutschen Kaiserreichs werden. Der Antisemitismus konnte sich entfalten, weil er unterschätzt wurde.

Unterschätzt wird ebenfalls die neue Form des Judenhasses, die heute wütet. Es ist der Antizionismus! Antizionisten behaupten, dass Juden nichts aus dem Holocaust gelernt haben. Antizionisten nennen Juden Kindermörder, verfolgen und ermorden sie. Antizionismus ist der Hass auf das Judentum als Nation. Der alte Hass auf Juden hat sich neu kostümiert, besonders in linken Kreisen. Wieder wird dieser Hass maßlos unterschätzt!

Die hysterische Kritik an Israel ist nichts weiter als blanker Judenhass, Israel wird einer Sonderbehandlung unterzogen, der Judenstaat ist der Jude unter den Völkern.

So wie der Antijudaismus einst von Christen ausging, so hat der Antizionismus heute in der muslimischen Gemeinschaft einen willigen Verbreiter und Vollstrecker. Die Hamas zum Beispiel pflegt nicht nur einen Hass auf Israel, sondern fordert zudem die Vernichtung aller Juden weltweit. Israel wird so extrem gehasst, dass die Nation jeden Krieg gewinnen muss! Nach zehn Kriegen muss es für Israel 10:0 stehen. Ein 9:1 ist nicht möglich, denn schon ein verlorener Krieg bedeutet, dass Israel aufhört zu existieren. Israel lebt seit seiner Gründung in einer permanenten Sudden Death Situation. Der Gegner kann ruhig einen Krieg nach dem anderen verlieren, Israel aber muss jeden Krieg gewinnen. 

Der Antizionismus wird in Deutschland so hartnäckig unterschätzt wie einst der Antisemitismus. Daher sind die Worte von Rabbiner Lord Jonathan Sacks so wichtig, die er in einer Debatte über Antisemitismus am 13. September 2018 an die Mitglieder des Oberhauses richtete:

Es ist die größte Gefahr für jede Zivilisation, wenn sie unter kollektiver Amnesie leidet. Wir vergessen, wie kleine Anfänge zu wahrhaft schrecklichen Enden führen. Tausend Jahre jüdische Geschichte in Europa haben dem menschlichen Vokabular bestimmte Worte hinzugefügt: Zwangskonversion, Inquisition, Vertreibung, Ghetto, Pogrom, Holocaust. All das geschah, weil dem Hass kein Einhalt geboten wurde. Niemand sagte: „Stopp!“

Es schmerzt mich, über Antisemitismus, den ältesten Hass der Welt, zu sprechen. Aber ich kann nicht schweigen. Eine der ewigen Tatsachen der Geschichte ist, dass die meisten Antisemiten sich selbst nicht als Antisemiten betrachten. „Wir hassen Juden nicht“, sagten sie im Mittelalter, „nur ihre Religion“. „Wir hassen Juden nicht“, sagten sie im 19. Jahrhundert, „nur ihre Rasse“. „Wir hassen Juden nicht“, sagen sie jetzt, „nur ihren Nationalstaat“.

Der Antisemitismus ist der am schwersten zu besiegende Hass, weil er wie ein Virus mutiert. Eine Sache jedoch bleibt stets gleich: Juden, ob als Religion, Rasse oder als Staat, werden zum Sündenbock für Probleme gemacht, für die andere verantwortlich sind. So beginnt der Weg zur Tragödie.

Antisemitismus, wie jeder Hass, wird gefährlich, wenn drei Dinge passieren: Erstens, wenn es sich von den Randbereichen der Politik zu einer Mehrheitspartei und ihrer Führung bewegt. Zweitens, wenn die Partei sieht, dass ihre Popularität in der Öffentlichkeit dadurch nicht geschädigt wird. Und drittens, Wenn diejenigen, die aufstehen und protestieren, verunglimpft und dafür geschmäht werden.

Alle drei Faktoren existieren heute in Großbritannien.

Ich hätte nie gedacht, dass ich das in meinem Leben sehen würde. Deshalb kann ich nicht schweigen. Denn es sind nicht nur Juden gefährdet. So ist auch unsere Menschlichkeit.

Foto: Gerd Buurmann

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Test 45: 51177

Wilfried Cremer / 16.09.2018

Die letzte Probe für das kleine Volk Israel nach fast 4000 Jahren im Lichtkegel der Geschichte scheint der Pakt eines irrlichternden Halbmonds mit einer umgegangenen Aufklärung zu werden.

Werner Arning / 16.09.2018

Eine Form jemanden zu bekämpfen, ist, seinen schlimmsten Feind zu fördern und zu protegieren. Diesem schlimmsten Feind Unterschlupf zu gewähren und ihn zum Opfer zu stilisieren. So legt man selber nicht Hand an, macht sich die Finger nicht schmutzig. Man lässt ja nur den schlimmsten Feind des „Jemanden“ gewähren. Wer etwas gegen Kapitalisten hat, lässt etwa die Antifa gewähren, das Gleiche tut er, wenn er etwas gegen die AfD hat. Wer etwas gegen Juden hat, lässt deren Feinde gewähren. Wer sind deren größten Feinde? Wenn ein Jagdaufseher meint, dass es zu viele Hasen in seinem Revier gibt, wird er dann Füchse abschießen? Eher nicht, er lässt sie gewähren. Und spart sich seine Patronen. Und empört sich über die Füchse.

Sven Schmidt / 16.09.2018

Man schaue sich den heutigen "Bericht aus Berlin " an. Da wird klar gezeigt, wo der Antisemitismus herkommt. Absolute Propaganda ! Die Kausalkette, Judenfeindlichkeit nur den Rechtsradikalen zuzuschreiben, ist krass. Im gesamten Bericht keinerlei Hinweis oder gar Zusammenhänge von Judenfeindlichkeit der zugereisten "Gästen ". Nur peinlich diese Sendung...

Uta-Marie Assmann / 16.09.2018

Danke, Herr Buurmann, dass Sie die Rede von Lord Jonathan Sacks veröffentlichten. Wenn man die weiteren Aussagen von Sacks in der The Times of Israel vom 28.08.2018 liest, dann wùnscht man sich ein solches als Vorsitzenden des Zentralrats in D. Aber hier hat das allgemeine Relativieren des rapide wachsenden Antisemitismus (in erster Linie des islamischen, in dessen Gefolge sich erwartungsgemäss auch einige 'Braune' hervorwagen) offensichtlich auch den Zentralrat erfasst.

Norbert Rahm / 16.09.2018

Interessant ist in diesem Zusammenhang die mir trotz einiger Erklärungsansätze sehr unverständlichen Verbindung, ja gar Liebe der radikalen deutschen Linken bereits seit RAF Zeiten zu muslimischen Terroristen. Als Jerusalem von den USA als Hauptstadt Israels anerkannt wurde und an der Grenze sowie in Jerusalem die Fetzen flogen, wurden in Deutschland natürlich nur Trump (sogar noch verhasster) und danach Israel kritisiert. Hamas und Palästinenser dagegen nicht. Wir haben dafür seit 2017 einen "Arbeitskreises gegen Antisemitismus" der Berliner Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, die jedoch auf dem linken Auge blind ist. Da schaut man da nicht ins Weltbild passend geflissentlich weg, wenn kleine Judenkinder in der Schule von arabischen Kindern verprügelt und gemobbt werden, und nicht von Rechtsradikalen. Ich frage mich, ob man mit ihr als Palästinenserin nicht gar den Bock zum Gärtner gemacht hat.

Hans-Peter Dollhopf / 16.09.2018

Israel hat bis jetzt insofern alles richtig gemacht und überlebt.Einmal hat es sich in den 70er Jahren rechtzeitig vom Staatssozialismus getrennt. In meiner Kindheit war noch jedes zweite Wort in einer Nachricht über Israel Histadrut. Aber mit Export von Jaffa-Orangen aus selbstverwalteten Kibbuzim war auf Dauer kein jüdischer Staat in einer toxischen Nachbarschaft zu machen. Zum anderen wechselte es im Kalten Krieg vom Bündnis mit Frankreich zu den USA als Frontstaat gegen die Sowjetunion über. Noch heute ist Israel neben Großbritannien der engste Verbündete Amerikas. Israels wirtschaftliche Defizite waren für die Supermacht aber Peanuts, entsprechend wurde es alimentiert. Weiterhin hat Israel dem Kulturrelativismus standgehalten und behauptet sich als Staat eines souveränen Volkes der Juden.All das macht es der Linken vom Schlage eines Corbyn und insbesondere der EU, die freie Nationen hasst, egal, ob diese jüdisch, britisch, ungarisch oder deutsch sind, zum Feind.

S. Salochin / 16.09.2018

Ich kann solche Tendenzen nur bestätigen. Mir ist der Judenhass immer fremd gewesen, nicht nur wegen der Geschichte und des Holocaust, der damals noch „die Judenvernichtung“ hieß, sondern auch weil ich gar keinen Juden kannte, den ich hätte hassen können. Trotzdem bin ich immer wieder Menschen begegnet, die ebenfalls keinen Juden kennen, aber deren Gehirn unmittelbar auf Hass schaltete, sobald es um Juden ging. Angeblich, so hört man dann, regieren sie die Welt, unterminieren alles, ziehen überall die Fäden und dieses ganze andere wahnhafte Zeug. Ich fand es nur merkwürdig, dass ich entgegen aller sonstigen Einwirkungen und Umwälzungen, einschließlich der Ankunft unserer ach so geliebten Neubürger aus dem Nahen Osten und Nordafrika, davon nie etwas gespürt oder mitbekommen habe. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Juden so wahnsinnig schlau, so hinterlistig, sind. Dieser Glaube an das alte Testament nervt mich schon. Und ich bin bestimmt kein Religionskuschler. Aber der Hass auf Juden erscheint mir nur als eine regelrecht krankhafte Form des Fremdhassens, weil er so völlig gegenstandslos, so unglaublich paranoid und irgendwie körperlich ekelhaft ist. Darunter kommt eigentlich nichts Primitiveres mehr. Für Menschen, die sich mir so gezeigt haben, habe ich – obschon ich beschwichtigend schnell das Thema wechselte – letztlich die Achtung verloren. Und trotzdem begegnet man Judenhassern immer wieder. Und es sind nicht diejenigen, die Migrationshintergrund haben, die sich insofern positiv hervortun.

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