Wo kommen all diese Typen nur her? Wie sind die so geworden? Aus der wiederholten Einzelerfahrung heraus meine ich, ist es das recht haben wollen des als Intellektuellen missverstandenen Besserwissers: es gibt diesen Typus nicht nur auf der gehobenen Ebene des Gebildeten, sondern er reüssiert in allen Schichten. Eine Konzentration dieses Typus in Redaktionen, Thinktanks, aber auch in Büros und an Stammtischen führt durch gegenseitige Bestätigung zu allmählicher geistiger Levitation. Das Wachstumshormon dieses Clusters ist nicht nur das Geld, das den mit ihren Erkenntnissen ihren Lebensunterhalt Bestreitenden winkt, sondern es liegt in einer Obsession zum Widersprechen. Ihr Ruf nach Debatte ist ein Trick, die Auseinandersetzung, die ja immer auch ein Einlenken beinhaltet, ist in dieser Form für den Besessenen nicht akzeptabel. Deshalb ist das Diskutieren für ihn nur dann hinnehmbar, wenn es, sozusagen von vornherein, darauf abstellt, den Gegner vorzuführen. Dazu wird Öffentlichkeit missbraucht in doppelter Hinsicht. Der Ruf nach Fakten ist in Wahrheit eine Lüge: Fakten werden nur akzeptiert, wenn das aufgerufene Weltbild durch sie repräsentiert wird; damit nicht kohärente Fakten werden übergangen (Sebnitzlüge, Chemnitzlüge). Letztendlich beschreiben wir hier einen Typus, der in jeder Umgebung, selbst oder insbesondere bei Gleichgesinnten, aber insgesamt bei jedwedem Nächsten zur Aversion führt: niemand will wirklich deren Reden lauschen und nur in der Form der “Arbeit”, also beim Attackieren des gemeinsamen Feindes, beißen sich diese Schlittenhunde nicht. Trotz Unreflektiertheit hat der einfache Mann diesem Typus einen vulgären Namen gegeben, entlehnt aus der anatomischen Bezeichnung eines Schließmuskelnahen Abschnittes des Verdauungstraktes, und ich meine: nicht ganz zu unrecht. Nun ist er also da, dieser Typus; was tun? Abstand halten und nicht einmal ignorieren. Denn: lädt er dich ein, belügt er dich schon, will er dich lediglich vorführen, aushorchen, denunzieren
Vielen Dank, Ihr Artikel spricht mir aus der Seele! Ich habe in den letzten Jahren etliche Mails an die öffentlich rechtlichen geschrieben, um auf den von Ihnen angesprochenen Missstand hinzuweisen, mit leider sehr geringem Erfolg. Es tut aber gut, zu sehen, dass man nicht der Einzige ist, der sich gegängelt und bevormundet fühlt
Der Journalist sollte ein Beobachter sein, der die Sachverhalte zusammenträgt, die Argumente der Beteiligten. Er sollte kein Richter sein - es sei denn, er schreibt über den Artikel “Kommentar”. Doch den dürfen nur die abgeben, die vorher die bewiesen haben, dass sie die Grundlagen des Journalismus in Satz 1 mühelos und über Jahre hinweg beherrschen. Doch in Deutschland meint Journalismus Propaganda. Es geht um Meinungsvermittlung. Daher sind die Tatbestände kurz und einseitig; die Argumente auch. Nicht selten gibt es sogar eine Verquickung von politischer Arbeit im Privaten mit dem Beruf. Niemals könnte man sich vorstellen, dass ein Richter einen Prozess über einen Verein führt, dem er selbst angehört. Im Journalismus ist das eher üblich. Die Chefredakteure, die so etwas zulassen, haben weder ihren Laden im Griff noch sind sie ihr Geld wert. Eine einfache Googleanfrage bringt die Interessensvermischung an den Tag. Doch die Redaktionen wissen sicher ohnehin um die privaten Engagements der Kollegen. Die politischen Misstände sind direkte Folge dieser fehlenden Qualität in der Berichterstattung, der mangelnden Kritik, dem Fehlen von Distanz. Und so bewegen wir uns in einer Dauerschleife von Machtmissbrauch, Propaganda, Absturz, Reue und Neuanfang. Sie lernen nicht dazu.
Wir sollten uns nichts vormachen: Ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Landsleute versteht unter “überlegener Kompetenz” vor allem “überlegene moralische Kompetenz” ( Käßmann hui, Merz pfui…) Wird moralische Kompetenz als schlichte Gesinnungsethik verstanden (und ich frage mich, ob ich von den 22-24% potentieller Grünenwähler etwas anderes zu erwarten habe), dann kann ich annehmen, daß bei denen Herr Kleber, der Meister des gesinnungsethisch inspirierten Gesichtsausdruckes, nach wie vor hocherwünscht ist. Es sind eben nicht nur Teile der Eliten als Oberlehrer unterwegs; ein Gutteil des V o l k e s möchte den anderen Teil gerne unter der eigenen moralischen Fuchtel sehen. Dies kennzeichnet m.E. ja gerade den “Spalt” in der Gesellschaft… Gesinnungsethik hat den Vorteil, dass man, um sie zu praktizieren, nichts können muss. Allein die Heiligkeit des Prinzips gilt: Was sind Antisemitismus, Vergewaltigungen und ein paar Messerstechereien für lumpige Bagatellen im Lichte der Großartigkeit m e i n e r Willkommenskultur! Und mit denen, die so drauf sind, werden wir so schnell nicht fertig, selbst wenn wir die Oberleherelite in Patagonien ansiedeln.
Ich wünsche mir, dass wir ab sofort, alles exakt so machen, wie konservative Intellektuelle und AfD es wollen, weil diese im Besitz der Wahrheit sind. Ich beobachte dann von außen, wie lange das gut geht.
Alles “ganz nett”, Herr Bolz. Wenn ich aber nicht bereit bin meine eigene Propaganda, via GEZ (ist einfach treffend) zu bezahlen, das Verfassungsgericht, als politisiertes Juristdiktions-Organ, dem Bürger nicht mehr hilft, Petitionsausschüsse keine Petitionen mehr zulassen (oder zu spät), Demonstrationen nicht mehr wahrgenommen werden und Verpflichtungen keine mehr sind (GCM), dann bleibt nicht mehr viel. Nur noch das “Nachlassen hörbarer Entäußerungen”, oder Widerstand gemäß Grundgesetz, gegen jeden der es unternimmt ... Da wirkt Ihr Anstoß dann selber etwas überholt.
Die FAZ eine “Qualitätszeitung”? Das war mal. Herr Hartmut Schilling bringt es hier in der Leserpost wunderbar auf den Punkt. Da schließe ich mich sehr gern an. Ich habe mein jahrelanges Abonnement gekündigt und verspüre keinerlei Entzugserscheinungen, zumal es ja die NZZ gibt.
Die Emotionalisieren und Moralisieren ist nur eine Seite der Manipulation. Noch schlimmer finde ich die unausgewogene Berichterstattung der Fakten. Zum ersten Mal fiel mir diese Art der Manipulation ca. 1986 während meines Studiums an der Karl-Marx-Universität Leipzig auf. Unser Seminargruppenleiter verfasste eine Beurteilung über eine Kommilitonin, die (von Medizin) zur Theologie wechseln wollte. Keiner seiner Sätze war falsch, dennoch lieferte die Beurteilung aufgrund ungleichmäßiger Gewichtung der Fakten ein völlig falsches und negatives Gesamtbild. Und genau das passiert heute in den Medien alltäglich, sei es bei der Energiewende, der Euro-Rettung, der Flüchtlingskrise, den Protesten im Hambacher Forst oder in Chemnitz: durch Gewichtung einerseits und Weglassen andererseits wird ein völlig falsches Gesamtbild geschaffen. Und wie soll sich der kritische und mündige Bürger ein eigenes Bild schaffen, wenn selbst die Fakten stark gefiltert werden??? Ich bin DDR-geschult und kann damit umgehen, indem ich mich u.a. auch auf Achse und TE informiere. Aber ich stelle fest, dass selbst intelligente und gebildete Menschen mit westdeutscher Zivilisation hier komplett überfordert sind.
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