Gastautor / 03.09.2016 / 06:00 / Foto: Gerhard Vormwald / 5 / Seite ausdrucken

Der IS und die Berufsverbrecher: Gangsta’s Paradise

Von Ansgar Kruhn.

Im Nahen Osten kann man aktuell in einer Art und Weise beobachten, was eine „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ ist, wie es sich der Schöpfer des Phänomens – Ernst Bloch – wohl nicht hätte vorstellen können. Nationalstaaten zerbrechen, zig Fraktionen bekämpfen sich gegenseitig in Scharmützeln, zig Nationen werfen Bomben über dem ganzen Chaos ab, und eine fundamentalistische Gruppe, die sich nach dem Ende der Welt sehnt, tritt mit dem Anspruch auf Weltherrschaft auf – und versucht die Zeit zurück auf 622 nach Christus zurück zu drehen, freilich auf Jeeps und nicht mehr auf Kamelen.

Ohne Zweifel: Daesh (vulgo IS vulgo ISIS) ist ein Phänomen, das einen wundern lässt. Noch Ende der 1990er Jahre hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass es einer Gruppe, die Menschen bei geringen Vergehen auspeitscht, die Dieben die Hände abschneidet, ganz offiziell und unverblümt die Sklaverei wieder einführt, Menschen aus den nichtigsten Gründen tötet, sei es durch Verbrennung, Köpfung oder Kreuzigung, und derlei Dinge mehr tut, gelingen würde, ein ganzes Staatsgebiet im Nahen Osten zusammen zu erobern. Noch weniger hätte man vermutlich geglaubt, dass dies für eine große Zahl von westeuropäischen Muslimen – unabhängig von ihrer Herkunft – außerordentlich attraktiv sein würde. Jeden Monat kommen ungefähr 1000 von ihnen im archaischen Staat des Daesh an.

Schaut man sich an, wer das bequeme Westeuropa verlässt, um in diesem Hexenkessel mitzumischen, dann erkennt man schnell, dass Daesh neben fundamentalistischen Muslimen auch eine ganze Reihe von Klein- bis Schwerkriminellen anzieht, deren Kenntnis des Islams meist nur sehr rudimentär ist. Bekannte Beispiele dafür sind der Kopf hinter den letzten Anschlägen in Paris – Abdelhamid Abaaoud – oder der Deutsche Denis Cuspert alias Deso Dogg alias Abu Talha al-Almani.

Berufskriminelle werden magisch angezogen

Cuspert war bereits als Jugendlicher in Gangs aktiv und reüssierte später als „Gangsta-Rapper“. Nach dem ausbleibenden Durchbruch fand er Eingang in die Salafisten-Szene und von dort seinen Weg nach Syrien, wo er noch lebt oder aber durch einen Luftangriff umgekommen ist. Dass die beiden keine Ausnahme sind, zeigen verschiedene Studien. Robin Simcox hat festgestellt, dass von den 58 untersuchten Daesh-Anhängern, die 2014/2015 Terroranschläge in Europa und den USA begangen haben, 22 Prozent eine kriminelle Vergangenheit hinter sich hatten.

Bereits einer der Gründer des IS, Abu Musab al-Zarqawi, war in seinen jungen Jahren in Zarqa ein Berufskrimineller. Er trank wohl heftig, prügelte sich, raubte Leute aus – wobei wohl mindestens eine Person gestorben ist –, verließ die Schule vorzeitig und arbeitete auch als Zuhälter. 1989 ging er nach Afghanistan und scheint erst dort zum Islam gefunden zu haben. Zurück in Jordanien versuchte er sich in stümperhaften Terroraktionen, die ihn von 1993 bis 1999 ins Gefängnis brachten. Dort inszenierte er sich sehr erfolgreich zum islamischen Glaubensführer, zum „Emir“. Sein weiterer Weg war der des Terroristen, bewusst oder unbewusst aber hat er den Grundstein für dieses soziale Gebilde gelegt, das heute ungemein erfolgreich für Gangster ist.

Sei es in Südamerika, wo die Söhne des Drogenbarons „El Chapo“ offen mit ihren vergoldeten Waffen, Frauen und Autos angeben, den USA, die den Gangsta-Rap ursprünglich hervorgebracht haben, oder Europa, wo ihn Menschen wie Denis Cuspert eifrig rezipieren: Immer geht es um Geld, Autos, Frauen sowie Waffen und Gewalt. Alles Dinge, die der IS seinen Anhängern dezidiert bietet. Dies lässt sich besonders deutlich an den Kommentaren von verschiedenen IS-Aussteigern ablesen, die Anne Speckhard und Ahmet S. Yayla in der Türkei aufgezeichnet haben.

IS-Anschluss für geregeltes Sex-Leben

Grundsätzlich ist es so, dass Daesh seine Kämpfer mit Bargeld ausstattet: 200 Dollar scheinen die reguläre Bezahlung pro Monat zu sein, womit man aktuell im Syrien wohl zu den Gutverdienenden zählt, zusätzlich gibt es Boni für erfolgreich abgeschlossene Missionen. Ein zusätzlicher Faktor ist, dass man Geschäfte jedweder Art wohl nur machen darf, wenn man zum IS dazu gehört. Folglich ist es kein Wunder, dass sich vor Ort viele dem IS anschließen, meist aber nicht, um reich zu werden, sondern um ein geregeltes Sexleben zu haben, also zu heiraten. Damit macht Daesh gezielt Werbung:

„The IS guys speak with the youth about what they are doing to build an Islamic state. They tell them, ‘If you want to work we can help you and give you money. You can be married. We are the true Islam. We guarantee you. We are brothers, no problem.‘“

Dies zieht wohl viele arme Menschen aus islamischen Ländern wie der Türkei oder Tunesien an. Dem Zufall wird nichts überlassen: Eigene Eheanbahnungsinstitute des IS sind dafür zuständig, Frauen und Männer zu vermitteln. Diese Institute haben auch den Vorteil, dass so der grundsätzliche Frauenmangel optimal verwaltet werden kann. Frauen sind als Grund zum IS zu gehen so wichtig, dass der IS bemüht ist, Witwen schnell wieder für eine neue Ehe verfügbar zu machen. Mehr als 40 Tage sollte es bis zur Wiederverheiratung nicht dauern.

Eine Sklavin für 1000 Dollar

Den Muslimen, die aus dem Westen kommen, muss freilich mehr geboten werden: Neben der Heiratsmöglichkeit und dem monatlichen Gehalt erhalten diese oft auch Wohnungen, Autos und auch Sklavinnen („Sabiyya“), die ausdrücklich ihrer sexuellen Befriedigung dienen sollen. Die Sklavinnen sind wohl nicht nur Christinnen und Jesidinnen, sondern auch muslimische Frauen von feindlichen Gruppen. Auch hier ist alles ordentlich geregelt: Erworben werden können die Sklavinnen, die mindestens 1000 Dollar und höchstens 3000 Dollar kosten dürfen, in speziellen Einrichtungen, der Wiederverkauf ist ausdrücklich nur an andere IS-Kämpfer erlaubt. Offenkundig ein Vorgeschmack auf die Jungfrauen im Paradies, die zusätzlich versprochen werden. Hier zeigt sich exemplarische eine der Stärken des IS, der seinen Anhängern zwar Dinge für das Nachleben verspricht, den ganz weltlichen Trieben seiner Anhänger aber bereits heute Rechnung trägt.

Während man zwar auf Alkohol verzichten muss, scheinen andere Drogen weniger ein Problem zu sein. Mehrere der Informanten berichten von verschiedenen Drogen, die im Umlauf sind und besonders Kämpfern gegeben werden. Vermutlich handelt es sich dabei um Amphetamine, die die körperliche Leistungsfähigkeit steigern und Angstgefühle und dergleichen reduzieren.

Verbunden wird all das mit dem Gefühl, auf der Seite der Wahrheit zu stehen, im Recht zu sein, wodurch jegliche Gewaltanwendung rechtfertigt wird. Wofür man in seiner Heimat vielleicht noch ein schlechtes Gewissen haben musste, kann man nun ausleben in der vollen Überzeugung, den Willen Gottes zu tun. So betrachtet handelt es sich im „islamischen Staat“ um ein Gangsta’s Paradise: Gemeinschaft, Sex, Autos, Geld, Gewalt – und noch dazu Gottes Segen.

Autor Ansgar Kruhn ist Historiker und nebenbei Reisender in Sachen Weltanschauungstourismus

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Wolf / 03.09.2016

Unterschiedslos bis auf ein Detail genauso in der Vita Muhammeds zu finden. Hätte es damals schon Autos gegeben, ich wette, der Koran wäre voll davon.

Eysel / 03.09.2016

Schon lange meine Vermutung: Ein Spezial-Typus von Mafia!  Allerdings nicht primär zur Erlangung von Geld sondern von Macht. Den Menschen wird eine verlässliche GEGENSTRUKTUR angeboten. Eine Gegenstruktur zu zerfallender staatlicher Struktur. - Verlässliche Regeln, Ordnung, Orientierung, statt staatlichem Chaos wird offeriert. - Der exakte Gegenentwurf zu den „individuellen Mühen einer offenen Gesellschaft“. - Die Solidarität untereinander in diesem Fall noch verstärkt durch einen “Vorwand namens Religion“. - Leicht zu mobilisierende vom Leben Benachteiligte und Überforderte werden als “willige Schafe” akquiriert. Alles geführt - SEHR straff in bewusstem GEGENSATZ zu einer “offenen Gesellschaft” organisiert - von einer sehr dünnen Schicht intellektuell NICHT zu Unterschätzender!!! - Insofern macht es Sinn, ganz gezielt diese “dünne Schicht der Organisierenden” ganz gezielt anzugreifen. - Ist DIE nur hinreichend geschwächt, bricht ALLES zusammen. - DANN allerdings müssen die “verirrten Schäfchen” eingesammelt werden. Und ihnen - vernünftigere!!! - ALTERNATIVEN angeboten werden.  

Stefanie Zeidler / 03.09.2016

Der Islam war wegen des Dschihad immer schon beliebt bei (Raub-)Nomadenvölkern: Arabern, Türken, Mongolen - kein Wunder, dass er es auch bei Großstadt - Raubnomaden ist.

Hans Meier / 03.09.2016

Das Schlimmste was den wütenden Kämpfern passieren kann ist doch, dass ihnen die Testikel gewaltsam abhanden kommen könnten. Sie würden es zwar überleben aber sie hätten dann ständige Angst vor allen Frauen.

Ralf Ostner / 03.09.2016

Hervorragender Artikel, wenngleich ein Kontrapunkt zu meinem Artikel “Die Banlieus und der Islamismus”, der auf der Achse des Guten veröffentlicht wurde. Wäre interessant, wie das zusammenpasst. Ich hatte argumentiert, dass die Banlieus-Kleinkriminellen und -jugendlichen zu lebensbejahend und hedonistisch sind, um sich einem Todeskult anzuschließen, zumal sie auch vom Sozialsraat abgefedert werden. Auch ist die Frage, ob diese Leute 5 minutes of fame gegen ihr doch sehr geschätztes Leben auswechseln wollen. Zwischen Maulheldentum, Kleinkriminalität und einem Einsatz als IS-Kämpfer, der den eigenen Tod oder Verstümmlung bedeuten kann ist eben noch ein Unterschied. Tatsache bleibt eben, dass sich die meisten Kleinkriminellen und armen Jugendlichen nicht dem IS anschließen und die Desodogs eher die absolute Ausnahme von der Regel sind. Hunderttauisende gleichorientierte Jugendliche schließen sich nicht den Islamisten an, das ist erklärungsbedürftig.Auch wenn diese Leute hochgradig sexistisch sind, so unterscheiden sich doch diese Sexismen. Der Rapper-Kleinkriminelle will eine aufgetaktelte Bitch, wenn möglich im Stringtanga, der Islamist eine verschleierte Sexsklavin.Und dann kein Alkohol, westliche Musik und Zigaretten ist doch auch eine weitere Hemmschwelle im Lebensstil.

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