Donald Trump wirbelt die Welt gerade hyperaktiv durcheinander. Er muss nur aufpassen, dass er seine Feinde nicht zu Freunden und seine Freunde zu Feinden macht.
Es war ein dramatisches Spiel. USA gegen Kanada. Diese Paarung ist zur Zeit die heißeste Sache im Eishockey. Aber nicht nur auf dem Eis, sondern mehr noch politisch. Donald Trump gegen Justin Trudeau. Trump hatte vor dem Spiel den „51. Bundesstaat“, wie er Kanada gerne nennt, ironisch willkommen geheißen. Und dann siegte der „51. Bundesstaat“ gegen die echten 50 Bundesstaaten. Kanada gewinnt 2 zu 1 in der Verlängerung. Ein knapper, aber symbolträchtiger Sieg der amerikanischen Nordländer. Eine ebenso symbolträchtige Niederlage für den Mann im Sunshine State. Denn Donald Trump ist dabei, sich auf der Weltbühne nahezu sämtlicher Freunde zu entledigen. Kann so auf Dauer ein Sieger aussehen?
Es mag ja ganz erfrischend gewesen sein, die lahmende und sich in unpopulären Themen verheddernde Biden-Harris-Regierung abzuwählen. Verbunden mit der Hoffnung, dass Trump als Präsident nicht ganz so wild auftreten würde, wie er es als Wahlkämpfer getan hat. Diese Hoffnung kann man nach gut hundert Trump-Tagen zu den Akten legen. Trump erweist sich im Weißen Haus als Trump hoch zwei.
Dass er Elon Musk als bissigen Jagdhund innenpolitisch losgeschickt hat, ist eine innere Angelegenheit Amerikas. Sie wird ihr Gutes und ihr weniger Gutes haben. Einen Hauch von Musk könnten wir hier auch gebrauchen, damit das ewige leere Gerede von der Entbürokratisierung mit Realität angefüllt wird. Aber hier soll es vor allem um Donald Trump, den Weltpolitiker gehen. Und da lautet meine erste Bilanz: Der amerikanische Präsident ist hyperaktiv. Und da Kenner bei ihm auch ein beträchtliches Aufmerksamkeitsdefizit diagnostizieren, kann man bei ihm durch aus von ADHS sprechen. Ausgeschrieben: Aufmerksamkeitsdefizit plus Hyperaktivitätsstörung. Oder ist seine Hyperaktivität, die man ja auch einfach als Ungeduld eines Action Man bezeichnen kann, überhaupt keine Störung?
Ist Trump selbst sein ärgster Feind?
Zur Zeit sieht es nicht gut aus: Donald Trump ist dabei, weltpolitisch sein eigener ärgster Feind zu werden. Er wirbelt die Welt mit seinem America first hyperaktiv durcheinander und verärgert die bisher besten Freunde Amerikas. Sogar sein großes und überfälliges Versprechen, den Krieg Russlands gegen die Ukraine zu beenden, gerät inzwischen in eine Schieflage. Es hat immer mehr den Anschein, als wolle er Putin zu viel und Selensky möglichst wenig geben. Sogar „Reparationen“ in Form von Bodenschätzen fordert er von der Ukraine.
Damit macht er den Angegriffenen zum Schuldigen. So hatte keiner gewettet. Die Europäer sind entsetzt und beleidigt, weil sie zu diesem Machtspiel keine Einladung bekommen haben. Allerdings hat Trump nicht ganz unrecht, wenn er sagt, die Europäer hätten drei Jahre Zeit gehabt, den Konflikt auf ihrem Kontinent zu beenden. War es ein Fehler, ganz auf einen Selbstverteidigungssieg der Ukraine zu setzen und jeden Kontakt zu Moskau abzuschneiden?
Trump sieht es so. Er hat die Sache in die Hand genommen, und der Verdacht ist entstanden, er betreibe gegenüber Putin eine Politik des Appeasements. Noch ist es nur ein Verdacht. Ob er zutrifft, wird man erst sagen können, wenn die Verhandlungen konkrete Gestalt annehmen.
In Europa jedenfalls herrscht Panik. Unserem Kontinent droht die Herausforderung, die Unterstützung für die Ukraine allein tragen zu müssen, falls der Deal, den Trump liefert, nicht akzeptabel ist. Europa allein mit der Ukraine? Da darf man gespannt sein. Trump im Tandem mit Putin? Da darf man mehr als gespannt sein. So kann eine Weltordnung aus den Fugen geraten.
Der drohende weltweite Wirtschaftskrieg
Und das nicht nur kriegerisch. Da ist ja auch noch der drohende weltweite Wirtschaftskrieg. Donald Trump wirft mit Strafzöllen oder ihren Androhungen nur so um sich. So schafft er sich viel Feind, was ihm daheim viel Ehr’ einbringen mag. Aber so treibt er den Rest der Welt näher zusammen. Eine ungewollte Konsequenz. Gemeinsam gegen Trump wird immer mehr zur Parole dieser Tage. Zölle gegen Europa, Zölle gegen China, Zölle gegen Mexiko, Zölle gegen Kanada. Das zieht Gegenwehr von allen Seiten nach sich.
Egal ob seine Forderungen teilweise berechtigt sind oder nicht: Die Reaktion dürfte ihn nicht erfreuen. Europa rückt näher zusammen, ökonomisch, militärisch und in Sachen Ukraine. Sogar von einer europäischen Armee wird mal wieder geredet. Neue Handelswege werden erprobt. Das gute Verhältnis zwischen Europa und Kanada wird noch besser. Die Kanadier werden als Alternative zu den USA Europas bevorzugte Rohstoff-Lieferanten. Unser Kontinent streckt auch stärker Fühler in die lateinamerikanischen Länder aus, von Mexiko, dem südlichen Hassobjekt Trumps, bis Brasilien und Argentinien.
Die Zeitschrift The Economist empfiehlt den Kanadiern sogar, Mitglied der EU zu werden. Eine eher unrealistische Idee, aber nicht ganz so abwegig, wie es scheint: Kanada und das von Trump ebenfalls ins Visier genommene dänische Grönland sind ja durchaus Nachbarn. Im Übrigen gilt Kanada mit seiner strengen Waffenkontrolle und seiner allgemeinen Krankenversicherung als der europäische Teil Nordamerikas.
Und Europa?
So sammelt der hyperaktive Donald Trump Gegner in aller Welt. Ein Vielfrontenkampf. Kann er den gewinnen? Kaum. Können Europa, Kanada und Mexiko gewinnen? Kaum. Wird Trump ruhiger werden? Kaum. Eine Lose-Lose-Situation.
Das kanadische Publikum sagt massenhaft Reisen in die USA ab. Die Snowbirds, die sonst dem kanadischen Winter nach Florida entfliehen, werden rarer. Keine Freude für Amerikas Touristik. Daheim kaufen Kanadier gezielt kanadische Waren und boykottieren Waren aus den USA. Kanada droht den angrenzenden US-Staaten, die Energielieferungen abzuschalten. Beim Eishockey-Spiel wurde die amerikanische Nationalhymne von den kanadischen Fans ausgepfiffen. So sieht das vorläufige Ende einer langjährigen Freundschaft aus. Und dann gewinnen die Kanadier auch noch.
Und Europa? Schauen wir mal, ob unser kompliziertes Gebilde in der Lage ist, durch den Trump-Schock zu einer Stärke zu kommen, die es ja eigentlich hätte, wenn Europa nicht Europa wäre.
Wir erleben, wie ein hyperaktiver Mann im Weißen Haus die Dinge durcheinander wirbelt. Ein bisschen zum Guten, aber öfter zum Schlechten. Er macht Freunde zu Gegnern und macht sie ungewollt stark, weil sie sich gegen ihn zusammentun. Das ist die problematischste Folge der Politik des hyperaktiven Mannes im Weißen Haus.
Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.