Henryk M. Broder / 22.09.2007 / 14:08 / 0 / Seite ausdrucken

Der Hype kommt, der Hype geht…

... und zurück bleibt die Frage: Wars das? Und war es die Aufregung wert? Letzte Woche waren es Eva Herman und die NS-Mütter, vorgestern M&W mit der “Israel-Lobby”,  gestern die Memoiren des jungen Klaus W., morgen werden es wieder die Eltern von Madeleine sein. Früher wurde jeden Monat oder jede Woche eine neue Sau durch das Dorf getrieben, heute sind es jeden Tag mindestens zwei. Kann sich noch jemand an den Mega-Hype um das Buch eines maßvoll unbegabten deutschen Autors erinnern, in dem es um Porno-Filme ging, die von Nazis gedreht wurden, um sie gegen kriegswichtige Rohstoffe zu tauschen? Wow! Da bekamen sogar die blutleeren Zombies von ttt, aspekte und kulturzeit nachhaltige Erektionen. Oder an John Sacks “Auge um Auge - Opfer des Holocaust als Täter”?  An Ted Honderichs “Nach dem Terror” oder Norman Finkelsteins “Holocaust-Industrie”? Von Eintagsfliegen zu reden, wäre eine Schmeichelei. Es waren Sensationen vom Fließband, hergestellt nach einem Schnittmuster.

Erst wird ein Tabu gebrochen, das keines ist, dann erklären sich die Tabubrecher zu Opfern der “political correctness”, zu Verfolgten obskurer “Interessengruppen”. So wird aus jedem Loser ein Märtyter, was wiederum andere Loser auf den Plan ruft, die sich ebenfalls vom Leben schlecht behandelt fühlen. Man muss nur darauf achten, wer sich bei der Lektüre der “Israel-Lobby” vor Begeisterung nicht mehr in seinem Ohrensessel halten konnte. Allen voran ein rhenischer Privatgelehrter, der jeden Haufen Scheiße zur Delikatesse erklärt, wenn er nur nach Israel- und Judenhass stinkt, und wenn es die Ausdünstung eines sibirischen Hochstaplers namens Israel Shamir alias Jöran Jermas alias Adam Ermash ist. Dem rheinischen Gelehrten sein bester Freund ist ein Bruchpilot aus Westfalen, der beinah ein großer Künstler geworden wäre, wenn er sich nicht der Aufgabe verschrieben hätte, den Palästina-Konflikt zu lösen, ohne Rücksicht auf Rechtschreibung, Syntax und Zeichensetzung.

Was man aus dem Hype um M&W lernen kann, ist dies: Abwarten ist besser als Abwatscheln. In neun von zehn Fällen löst sich das Problem von allein, wenden sich die Loser einem anderen Objekt ihrer Begierde zu. Und was vor allem Juden begreifen sollten: Dementis sind erstens nutzlos, zweitens kontraproduktiv. Nehmen wir uns lieber ein Beispiel an unseren moslemischen Verwandten. Wer immer die Behauptung wagt, nicht alle Moslems seien immer friedlich, bekommt sofort eines in die Fresse und behauptet fortan, der Islam sei eine Religion des Friedens und der Gewaltlosigkeit. So funktioniert Erziehung am besten.

Wenn also das nächste Mal wieder jemand das Thema “Israel-Lobby” aufbringt, sollte niemand versuchen, seine Ansichten zu widerlegen. Im Gegenteil. Je mehr Menschen davon überzeugt sind, dass die Juden bzw. die Zionisten hinter allem stecken, das in der Welt passiert, umso besser für die Juden. Es macht keinen Sinn, Antisemiten von der Harmlosigkeit der Juden überzeugen zu wollen, es ist eine Einladung zum Pogrom. Man muss die Antisemiten in ihrem Glauben verstärken, dass die Juden die heimlichen Herrscher der Welt sind. Wer will sich schon mit einer Weltmacht anlegen? Geliebt werden ist schön. Gefürchtet werden ist bekömmlicher. Jawoll, Kameraden, Israel ist der Schwanz, der mit dem amerikanischen Hund wedelt! Und das ist auch gut so, würde Klaus Wowereit sagen.

Und hier die defintiv letzten Stellungnahmen zur “Israel-Lobby”:
Josef Joffe: Das Komplott der Koscher Nostra http://www.zeit.de/2007/37/Juedische-Lobby?page=all
Michael Gerson: Seeds of Anti-Semitism: http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/09/20/AR2007092001959.html?wpisrc=newsletter
Leslie H. Gelb: Dual Loyalties: http://www.nytimes.com/2007/09/23/books/review/Gelb-t.html?_r=1&8bu&emc=bu&oref=slogin
Daniel Pipes: Learning from the Mearsheimer-Walt Fiasco: http://www.danielpipes.org/blog/761
Ron Rosenbaum: The Israel Lobby and the Second Holocaust Debate http://www.slate.com/id/2173908/
Hanno Loewy: Kalkulierte Provokation: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/literatur/?em_cnt=1212424
Eine Adressenänderung: http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=49&Param_RB=54&Param_Red=8546

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