Wolfgang Röhl / 22.08.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 125 / Seite ausdrucken

Der Humor in den Zeiten von Corona

Eine unfassbar schlecht gemanagte Krise müsste Satiriker in Hochform bringen. Doch zu Corona fiel den meisten Humorproduzenten nicht viel mehr ein als Klopapier. Streifzug durch die Wüste einer spaßbefreiten Virusgemeinschaft.

Kranke Zeiten generieren gewöhnlich gesunden Humor. Ein sogenannter Flüsterwitz aus nicht gar so alten Tagen:

– Was gibt’s für neue Witze?                       

– Zwei Monate Dachau.

Ein DDR-Witz handelt von einem Mann, der eine Interflug-Maschine in den Westen entführt. Er fordert von Ostberlin die Auslieferung seines seit 14 Jahren bestellten Trabis, anderenfalls er jede Stunde eine Geisel freilassen werde.

In der Soffjettunion blühten das Radio Eriwan-Pingpong („Im Prinzip schon…“) und ähnliches Lachgut (hier). Selbst in der Französischen Revolution wurden angeblich gallige Scherze gerissen. Der zum Tode verurteilte Revoluzzer Georges Danton soll gesagt haben: „Es könnte vielleicht noch gehn, wenn ich Robespierre meine Huren und Couthon meine Waden hinterließe“.

In der frühen Bundesrepublik mit ihrem gesammelten Schweigen, ihren massenhaften Verdrängungen, ihren braunen Kontinuitäten in Politik, Medien und Wirtschaft, inmitten dieses frivolen Treibens fand das Kabarett reichlich Stoff. Es gedieh dank des faulen Zaubers eine Weile prächtig. Einer meiner Lieblingswitze aus dieser Zeit geht so:

Sagt ein Altnazi zum anderen: Bei Adolf konnte eine anständige deutsche Frau noch nachts über die Straße gehen.

Fragt der andere Altnazi: Was hat eine anständige deutsche Frau denn nachts auf der Straße zu suchen?

Die schleichende Sozialdemokratisierung des Landes dämpfte Spottlust erheblich. Die Willy-Willy-Euphorie bot ätzender Kritik an den Herrschenden bald nicht mehr sehr viel Raum; herrschen taten ja nun die Besseren. Statt Wolfgang Neuss gaben Blödelbarden wie Insterburg & Co. den Ton vor. 

Schließlich kam es zum Hosenanzug

Und nicht einmal die Ära Kohl konnte das welke Genre zu alter Größe bringen. So sehr sich Satiriker und Karikaturisten auch mühten, Kohl als „Birne“ (selbstredend als weiche) ins öffentliche Bewusstsein zu implantieren, es klappte irgendwie nicht. Die Birne-Kampagne versandete, weil zu weit von der Realität gebaut. Kohl mochte dick, bräsig und provinziell erscheinen, doof war er mitnichten. Das hatten die Satiriker übersehen, nicht aber die Wähler.

Dem Pfälzer folgte ein Totalausfall für die Satirebranche, nämlich der smarte Prolet Schröder. Der Currywurst-Populist inszenierte sein Hol‘ mir mal ‚ne Flasche Bier sonst streik ich hier-Image selber. Da blieb nichts mehr zu karikieren. 

Schließlich kam es zum Hosenanzug. Auch für Humoristen der GAU.

Aber jetzt! Jetzt müsste es doch nur so krachen vor Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung? Was hat das Corona-Regime mit seinen Panikattacken, Ausgrenzungen, Kujonierungen, Massenvermummungsgeboten, Ermächtigungen und Notstandsverfügungen, mit dem idiotischen Inzidenzwert-Jojo, den Doomsayers und all dem anderen, staatlich verordneten Bullshit – was hat uns das Ganze gebracht, scherzmäßig?

Nichts Nennenswertes, um es milde zu sagen. Ein Blick auf einschlägige Jux-Portale (hier und hier und hier) erschüttert noch den Lachwilligsten. 

Oh Dumpfheit des Wortes, oh Stumpfheit der Zeichenfeder! Die Memes: nie einfallsärmer. Nicht die Missmanager, Umdeuter, Ausbeuter und politischen Spindoctors der Pandemie werden verarscht – also nicht die da oben –, sondern die da unten. Die armen kleinen dummen Ärsche, die Klopapier horten. Ausgerechnet Klopapier! Wir lachten uns schlapp über Klo-pa-pier, eins ums andere Mal. Selbst das ansonsten hintersinnige Cartoonisten-Duo Greser & Lenz mochte davon (hier) nicht lassen. 

Klopapier forever! Vermutlich wurde noch nie ein Gag dermaßen zu Tode geritten wie die Hamsterei zu Beginn der Großen Verrücktheit. Gerade so, als verdankte sich der Run auf Hakle und Zewa nicht ursächlich den offiziellen Lockdown-Enthusiasten und ihrem ständigen Angstgedöns. Nebenbei, die denunziatorische Kapo-Mentalität, die da durchscheint, spricht Bände über viele Humoristen.

Eine Spritze in den blanken Hintern

Manches ist auch bloß Schnarchstoff. Wie ein Feature über „viralen Humor“ auf Arte, welches die brandfrische Erkenntnis liefert, „dass man einem kollektiven Trauma mit Witzen begegnet“. Über Witze vollständig witzlos zu berichten, das vermag nicht jeder. Außer, er heißt, wie der Arte-Regisseur, Rudolph Herzog und hat die Gabe der Witzfreiheit offenbar von seinem genialen, aber bekanntlich humorresistenten Vater Werner geerbt.

Ab und an mal eine kleine Perle. „Weiser Kompromiss von Kanzleramtschef Braun: Geimpfte sollen das N-Wort sagen dürften“. Fast hätte ich der Titanic dafür mal Anerkennung gezollt. Ein Freund erzählte mir allerdings, der hübsche Scherz kursiere so und ähnlich schon seit Längerem in den Blasen von Twitter & Co..

Nicht geklaut hingegen ist die Idee des etwas anderen Satirikers Bernd Zeller, das in Verruf gekommene Märchen vom Dornröschen politisch-pandemisch korrekt umzuschreiben. Statt das Mädchen sexistisch wachzuküssen, impft der Prinz es durch eine Spritze in den blanken Hintern wach – eine regelrechte Win-Win-Situation. Aber die Wundertüte namens Zeller Zeitung (hier) ist auch so ziemlich der einzige Lichtblick im tristen Spaßbetrieb des Landes.

Das heißt, zum Lachen findet sich dann doch einiges, sucht man nur fleißig. Gemeint sind hier nicht die am Weltlachtag (erster Sonntag im Mai) unvermeidlich aufpoppenden Berichte über Lachkurse und Lachtelefone (hier). Leute, die Lachyoga veranstalten, sind ungefähr so locker drauf wie ein Haufen neuapostolischer Priester. 

Nein, humoristische Trouvaillen stecken, wo man sie gar nicht erwartet. Keine Lachtelefonseelsorge sorgt für so viel unfreiwillige Heiterkeit wie die biedere Apotheken Umschau beim Thema Corona-Humor. Man erfährt (hier), dass es wirklich und ohne Flachs ein „Deutsches Institut für Humor“ (hier) gibt, Oxymoron hin, Oxymoron her. 

Dessen Leiterin heißt Eva Ullmann, und die Dame hat erkannt, dass eine Krise auch neuen Humor gebiert, der sich vor allem über diese ominösen „sozialen Medien“ verbreitet. 

Da gibt es Schenkelklopfer wie der über den Osterhasen, der „systemrelevant“ ist und daher an Ostern „raus“ darf. Falls Sie jetzt einen Lachanfall erleiden: hilfreich, wenn Sie sich für einen Moment etwas sehr Trauriges vorstellen. Zum Beispiel Karl Lauterbach.

Vom Witzbold zum Coronaleugner – oft nur ein kleiner Schritt!

In der Apotheken Umschau kommt auch die „Humorforscherin Tabea Scheel von der Uni Flensburg“ zu Wort. Sie (hier) lobt ausdrücklich den Wir-schaffen-das-Humor, der sich etwa über Klopapiermangel lustig mache: „Hier lacht man zusammen. Wir gemeinsam gegen Corona.“ 

Dem quietschgesunden Lachgeist in einem hoffentlich irgendwann wieder pumperlgsunden Volksgemeinschaftskörper stehen leider gefährliche, zersetzende Witze entgegen, „die Lügen verstärken.“ 

Diese dürfen keinesfalls verbreitet werden, fordert Humorexpertin Eva Ullmann. Vom Witzbold zum Coronaleugner – oft nur ein kleiner Schritt! Von zwei Monaten Dachau o.ä. ist in dem sympathischen Greis*innenbedarfsblatt aus der Apotheke unseres Vertrauens aber gottlob nicht die Rede.

Wandert man ein Weilchen in der Wüste des Corona-Humors, so tut sich mitunter eine Oase der Lustbarkeit auf. Die „Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) (gültig ab 28. Juli 2021)“ ist, zugegeben, kein ganz leichtfüßiger Text, auch kein ganz kurzer. Aber er macht gute Laune. Ich vermute, dass ihn Angestellte der Hamburger Verwaltung, müde des ewigen Ausscheidens sinnloser Corona-Gesetzeskacke, vorsätzlich so strunzbescheuert abgefasst haben, dass Reinhard Meys legendärer „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ (hier) dagegen wie bürokratische Schonkost anmutet. Schauen Sie mal rein (hier). Vor der Lektüre bitte beachten:

„Es handelt sich hier um eine nichtamtliche Lesefassung; rechtlich maßgeblich sind die im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichen Fassungen und Änderungen (im Internet abrufbar unter http://www.luewu.de). Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 28. Juli bis 25. August 2021. Stand: zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. Juli 2021 (HmbGVBl. S. 543). Geänderte Passagen im Vergleich zur vorherigen 47. Änderungsverordnung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung sind farblich markiert.“

Enjoy! Bleiben Sie trotzdem gesund. 

Foto: Pixabay

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Daniel Oehler / 22.08.2021

Allzuoft findet politisch-korrekter Pseudohumor statt. Z.B. in der Heute-Show des bestens mit Zwangsgebühren gefütterte Herrn Welke. Da werden wegen ihrer Meinung unerwünschte Personen von Gernot Hassknecht mit von Welke stammenden Texten angeschrien wie einst die Angeklagten vor dem Volksgerichtshof durch den politiknahen Richter Freisler. Wer vorzugsweise die Opposition verhöhnt und linientreu dem grünen Zeitgeist folgt, ist weder Kabarettist noch Humorist, sondern ein billiger Systemling.

Frank Mora / 22.08.2021

Die Apothekenumschau (“Rentnerbravo)) hat mit einem 4-seitigen(!) servilen Interview mit Prof. Karl Lauterbach die Unschuld endgültig verloren.

Andreas Mertens / 22.08.2021

Humor in D-Land ist in etwa so “spaßig” wie Waterboarding in Guantanamo. Mit dem Unterschied, das Waterboarding bekommt man umsonst.

U. Unger / 22.08.2021

Ein Zeichen, wie sehr die Pandemiegesetze die Menschen schon psychisch zerstört haben. Das Mißtrauen und die Denunanten sind weiter fortgeschritten als in Merkels Heimat.

Walter Weimar / 22.08.2021

Ein Flugzeug mit dem Amerkanischen Präsidenten und dem Russischen Staatssekretär an Bord stürzt ab, beide tot. Welches Land trauert am meisten? Die DDR! Weil Ulbricht nicht dabei war. Den haben wir uns schon als Kinder erzählt.

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