Aus Gründen des „Hitzeschutzes“ soll bei öffentlichen Sportveranstaltungen aufs Grillen verzichtet werden. Anfang vom Ende einer zutiefst männlichen Passion?
Merkwürdig, dass der jüngste „Grillhammer“ nicht ähnliche Aufmerksamkeitswerte erreicht hat wie weiland der „Heizhammer“ aus dem Hause Habeck. Damals bahnte sich, vor allem in Bayern, ein Volksaufstand an, der dann aber rasch wieder verebbte, nicht zuletzt, weil es der Gegenseite gelang, die Gegner der grünen „Heizungsideologie“ in die rechte Ecke zu manövrieren. Monika Gruber, Galionsfigur der kurzlebigen Bewegung sagte eine geplante Großdemo auf der Münchner Theresienwiese ab. Der Druck auf die mutige Kabarettistin und ihre Mitstreiter war wohl zu groß geworden.
Doch vielleicht sollte der Grillhammer der Bevölkerung erst einmal en passant und ohne großes Aufsehen untergejubelt werden, versteckt in einem Anfang Juni vom Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (CDU) zum bundesweiten „Hitzeaktionstag“ veröffentlichten „Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport“. Die Temperaturen am 4. Juni, dem besagten Aktionstag, waren wenig bedrohlich und erreichten häufig kaum zwanzig Grad. Wegen schlechten Wetters mussten zudem zahlreiche Aktionen vor Ort abgesagt werden, in Mannheim unter anderem die geplante Veranstaltung „25 Jahre Tümpeln“ sowie über den Tag verteilten „Trinkbrunnentouren“.
Adressantinnen und Adressaten des „Musterhitzeschutzplans“ sind laut Präambel Sportvereine und -verbände im ganzen Land. „Ihnen soll dieser Plan helfen, Sportreibende, hauptamtlich Mitarbeitende und freiwillig Engagierte, z.B. Trainerinnen und Trainer, Kampfrichterinnen und Kampfrichter, Funktionäre und Servicekräfte, ebenso wie Zuschauerinnen und Zuschauer vor hitzebedingten Gesundheitsrisiken zu schützen.“ Ganz konsequent ist der Plan nicht, zumindest was die unvermeidliche Genderei betrifft, hat man doch die Funktionärinnen schmählich unterschlagen. „Servicekraft“ wird in der einschlägigen Literatur als geschlechtsneutrale Bezeichnung geführt.
Kalte Buletten heizen Klimawandel an
In dem 14-seitigen Papier findet sich unter Punkt 1 „Maßnahme zur Vorbereitung auf den Sommer“ zum Unterpunkt „Wettkämpfe und Veranstaltungen“ folgender Satz: „Bewirtungsangebot bei Veranstaltungen im Sommer rechtzeitig abstimmen, offenes Feuer/Grill vermeiden“. Weiter unten wird der Punkt unter „Maßnahmen zum Schutz während des Sommers“ präzisiert. „Essens- und Cateringangebot an hohe Temperaturen anpassen: Auf die hygienische Lagerung von Lebensmitteln und Einhaltung von Kühlketten achten/Auf Ausschank von alkoholischen, stark zuckerhaltigen, koffein- oder taurinhaltigen Getränken verzichten/Mineralwasser, ungesüßten Tee und dünne Saftschorlen anbieten.“
Gegen die Einhaltung der Kühlkette in- und außerhalb des organisierten Sports habe ich nichts, vor allem, wenn es sich um Fisch und Meeresfrüchte handelt, doch „dünne Saftschorlen“ schmecken grausig. Außerdem müsste man amtlicherseits festlegen, ab welchem Mischungsverhältnis beispielsweise eine Apfelschorle als dünn zu gelten hat. Welche an hohe Temperaturen angepasste Essenangebote alternativ zu Gegrilltem beziehungsweise über offenem Feuer Gekochten angeboten werden sollen, geht aus dem Papier nicht hervor.
Hier ein paar Vorschläge für an Höllentemperaturen angepasste Essensangebote, die ich zum Teil schon in meiner gastronomischen Kolumne vorgestellt habe: Gazpacho, Kaltschalen, Eisbomben. Kalte Buletten/Frikadellen könnte man sich ebenfalls vorstellen, sie lassen sich gut auf der Tribüne eines Fußballplatzes oder am Rande eines Sportfeldes aus der Hand essen. Wobei natürlich die dazu notwendige Kühlung wieder den Klimawandel anheizen würde. Vielleicht war den Autorinnen und Autoren das sich daraus ergebende Dilemma bewusst, weswegen sie sich hier bedeckt hielten.
„Musterhitzeschutzplan für ambulante psychotherapeutische Praxen“
Nun könnte man einwenden, alles sei ja nicht so schlimm, da es sich nur um Empfehlungen handele und zumindest bislang noch kein offizielles Verbot des Verzehrs von Gegrilltem bei öffentlichen Sportveranstaltungen verhängt oder zumindest angekündigt wurde. Der „Heizhammer“ ging da bekanntlich wesentlich weiter. Doch was nicht ist, kann noch werden und möglich ist heutzutage bekanntlich alles, wenn es nur verrückt genug ist. Vielleicht steckt ja schon ein allgemeines Verbot des Grillens über Holzkohle und Holzfeuer in der ministeriellen Pipeline, nicht nur aus Gründen des Hitzeschutzes, sondern auch wegen der Feinstaubbelastung und allfälligen Gesundheitsgefahren durch krebserregendes Acrylamid in verkohltem Fleisch.
Hat hier vielleicht auch der frischgebackene Klimaexperte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Karl Lauterbach, seine Hände im Spiel? Der frühere SPD-Gesundheitsminister hatte sich im Juli 2023 als Hitzeschutzexperte einen Namen gemacht und für Verstimmung im deutsch-italienischen Verhältnis gesorgt, als er während eines Toskana-Sommerurlaubs bei ortsüblichen Temperaturen dem Urlaubsland Italien den klimawandelbedingten Untergang prophezeite. Maurizio Gasparri, Senator der Regierungspartei Forza Italia, meinte seinerzeit, Lauterbach gebe „Blödsinn“ von sich und solle zurücktreten. „Das Deutschland von Goethe hat so eine Person in öffentlichen Rollen nicht verdient.“
Die Wacht am Grill, die Herrschaft über offenes Feuer und rohes Fleisch ist eines der allerletzten Refugien unverstellter Männlichkeit. Würde der Grillhammer Wirklichkeit, würden nicht nur die Metzgerinnungen auf die Barrikaden gehen, sondern tausende in ihrer Identität zutiefst verunsicherte Griller (Grillerinnen sind bislang die Ausnahme) in die Arme niedergelassener Psychologen getrieben. Hier griffe dann der ebenfalls brandneue „Musterhitzeschutzplan für ambulante psychotherapeutische Praxen“ unter anderem mit der Empfehlung, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit einer „gefühlten“ Temperatur von 32 Grad „ausreichende Flüssigkeitsaufnahme durch Bereitstellung von Trinkwasser“ sicherzustellen.
In Ergänzung der von verantwortungsbewussten Psychotherapeuten stets vorgehaltenen Papiertaschentücher für allfällige Weinkrämpfe im Verlauf einer Psychoanalyse, die einen auch bei der Lektüre amtlicher Hitzeschutzpläne überkommen können.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.