Rainer Bonhorst / 03.03.2021 / 16:00 / Foto: Paul Budd / 26 / Seite ausdrucken

Der Gender-Phob und die Bösewichtin

Man nenne mich einen Gender-Phob, einen Gender-Leugner oder einen Gender-Querdenker. Aber ich habe dank dem neuen Duden doch etwas Erfreuliches inmitten der Genderei entdeckt: die Bösewichtin.

Warum gefällt mir die Bösewichtin? Weil ich bisher den Eindruck hatte, dass nur edle, gute und schöne Phänomene in den Genuss des Genderns kommen. Also in den Genuss des Hinwegtransportierens aus der Domäne des Männlichen in das Paradies des Weiblichen. Ich denke da an die Fachkräftin oder die Schutzmännin oder die Superstarin. Lauter Edle, Gute oder Schöne. Während die Schattenseiten des Lebens ungegendert auf der männlichen Seite zu verharren schienen. Zum Beispiel der Depp, der Fiesling oder der Drecksack.

Nun aber zeigt mir der Duden, dass mein Verdacht, die gegenderte Sprache bevorzuge einseitig die Frau, unbegründet ist. Denn die Bösewichtin mag eine Symbolfigur der errungenen Gleichheit sein, und es mag auch schöne Bösewichtinnen geben, aber sie sind weder edel noch gut. Sondern eben Bösewichtinnen. Und wo es Bösewichtinnen gibt, da muss es logischerweise auch Deppinnen, Fieslinginnen und Drecksäckinnen geben.

Wenn das so ist, dann kann das Gendern wenigstens für sich in Anspruch nehmen, wertneutral zu sein. Außerdem wendet sich das Gendern nur gegen das generische männliche Geschlecht, also gegen die sprachpatriarchalische Tradition, die Frau einfach im Männlichen mit einzuschließen. Womit, so die Beschwerdeführerinnen, die alte Unterdrückung der Frau sprachlich weiterlebt.

Warum ist die Schönheit so weiblich?

Nun ist es jenseits der Sprache heute mit der Unterdrückung der Frau in unseren Breiten nicht mehr so weit her. Allenfalls im Bereich der Diversen besteht noch eine gewisse Benachteiligung, die vor allem auf Konfusion zurückzuführen ist. Das Problem mit dem Diversen ist, dass es so divers ist. Mit einem Gender-Sternchen oder einem Unterstrich ist die Diversität kaum zu fassen.

Doch zurück zu Mann und Frau. Wäre ich kein altersmüder, sondern ein quicklebendiger junger Mann, so würde ich mich allerdings fragen, warum nur das Männliche in der Sprache entmannt werden soll. Gibt es nicht auch weibliche Begriffe, bei denen man sich als Mann ausgeschlossen oder zumindest vernachlässigt fühlen kann?

Warum zu Beispiel muss die Sprache, diese höchste und schönste Errungenschaft des Homo sapiens weiblich sein? Warum gibt es nicht den Sprach? Oder wenigstens die Sprach*e? Eine andere edle und schöne Begrifflichkeit ist die Liebe, die auch wieder ausschließlich dem weiblichen Sprachgeschlecht gehört. Warum gibt es nicht den Lieb? Oder analog zur Sprach*e die Lieb*e? Oder, etwas oberflächlicher: Warum ist die Schönheit so weiblich? Warum kommt der Schönheit nur im Genitiv und im Dativ vor?

Hier scheint mir durchaus eine Unwucht zu bestehen. Ich räume ein, dass sich das Generische eigentlich auf Personen bezieht. Aber in der allgemeinen Genderkonfusion kann es auch in diesem Punkt nicht auf Exaktheit ankommen.

Her mit dem Fur und dem Hex!

Eine Sprachpolitik der männlichen Inklusion müsste allerdings fairerweise auch die negative Seite der exklusiv weiblichen Wörter zulassen. Also etwa den Fur als Ergänzung zur Furie und den Hex als männliche Alternative zur Hexe. Zwar gibt es bereits den Hexenmeister. Aber das kleine „meister“ im Hexenmeister impliziert gleich wieder eine Cheffunktion, setzt also das alte patriarchalische Prinzip fort.

Besonders problematisch ist die Sache mit dem Hausdrachen. Der Hausdrache wird rücksichtslos dem männlichen Geschlecht zugeschoben, obwohl er (er?) ganz überwiegend dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen ist. Das Mindeste, was man verlangen kann, ist eine geschlechtliche Begradigung in Form der Hausdrächin.

Immerhin: Die Bösewichtin ist im Sinne der Gleichbehandlung im Guten wie im Bösen ein Lichtblick des Genderns.

Nun mag der Phob das Gendern grundsätzlich als eine Verabschiedung von der schönen deutschen Sprache empfinden, vielleicht sogar als eine Verhunzung. Aber dem Duden können wir dafür danken, dass die Verhunzung in ordentlichen Bahnen verläuft; dass es keinen Verhunzungswildwuchs gibt, sondern eine Verhunzung mit System. Das sollte man auch als Gender-Phob lobend erwähnen.  

Bleibt die Frage: Schließt der Gender-Phob in seiner generischen Männlichkeit auch die Frauen mit ein, die dem Gendern kritisch gegenüberstehen? Oder sollte man von Gender-Phob und Gender-Phobin sprechen? Oder allumfassend von Genderphob.in? Der keineswegs genderphobe, sondern genderfrohe Duden wird sich als Sprach-Päpst*in sicher noch dieses Problems annehmen.

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Fred Burig / 03.03.2021

@Wilhelm Lohmar : Da geht es mir genau so! Und, ich schlage dieses alte, als Duden bezeichnete “Wunderwerk der Sprachsicherung”, zum “Weltkulturerbe” vor. Damit würde auch der “Erfinder” eine gebührende Würdigung erfahren! MfG

Heiko Stadler / 03.03.2021

Ein großen Ungleichgewicht der Geschlechter gibt es noch in der Kriminalistik. Mit großen Bedauern vermisse ich die Bezeichnungen Mörder*in (oder Möse?), Täter*in und Vergewaltiger*in. Auch das Wort Diktatorin ist wenig geläufig. Wie ist das eigentlich mit dem Dr. vor dem Namen einer Plagiats-Politikerin. Könnte das für Diktator stehen?

Fred Burig / 03.03.2021

Da Sprache “meistens” Denken voraussetzt, wäre ja das “Gendern” mit seinen “verqueren” Begriffen vielleicht ein Fall von “Denkschwäche” oder ein “Denkfehler”. Also resümiere ich im Sinne der Vielfalt: Denke nicht gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken, wenn sich’s in “Gendersprache” offenbart! MfG

Rudi Knoth / 03.03.2021

Also bei der Hexe gibt es die männliche Form des “Hexers” etwa in deutschen Verfilmungen von Edgar-Wallace Krimis.

Wilhelm Lohmar / 03.03.2021

Ich habe einen Duden der Ausgabe 1988, den ich inzwischen heiß und innig liebe. Keine Rechtschreibreform und erst recht kein Genderismus. Oder heißt es Genderologie?

Gudrun Meyer / 03.03.2021

Trösten Sie sich: es gab schon den, wenngleich bisher wenig erfolgreichen, Einfall, dem alten, weißen Mann die zornige, weiße Frau zur Fiesling*innen*seite zu stellen. Namentliche Beispiele wurden auch geliefert: eine Italienerin, eine Dänin, eine Deutsche, natürlich alle drei auf hohen Posten der jeweiligen Schwefelpartei.

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