Der Gastwirtschaftskanzlerkandidat
Das Jahr 2020 nähert sich dem Ende und ich möchte aus diesem Grunde die werte Leserschaft einstimmen. Nein, nicht auf Weihnachten, sondern auf das kommende Wahljahr. 2021 ist es soweit! Wenn Angela Merkel nicht noch zwei Ausreden einfallen („niemand ist eine bessere Kanzlerin als ich und coronabedingt finden die Wahlen heuer nur zwischen zwei Personen des gleichen Haushalts statt, daher muss ich noch einmal ran, bevor es der Friedel tut …“), dann endet im kommenden Jahr die künftig in den Geschichtsbüchern als solche benannt werdende „Ära Merkel“. Sie wird noch ein paar schöne Preise abräumen („Ehrendoktorwürde der Franziska-Giffey-Universität Almanistan“) und das ein oder andere Grußwort bei irgendwelchen wohlfeilen Veranstaltungen sprechen, und vielleicht kriegt sie auch ein paar Freikarten für die Spiele der „Schaft“. Ansonsten gibt’s künftig wieder „Sauerbraten Kanzlerin“ für Herrn Dr. Sauer.
Nein, mir geht es darum, die werte Leserschaft nicht zu Häme und Spott auf den Kanzlerkandidaten der SPD, Olaf „ich will gewinnen“ Scholz zu verleiten. Das mache ich schon für Sie. Der Spitzenkandidat einer zuletzt mit 15 Prozent nicht wirklich ernst zu nehmenden „Volkspartei“ hat es, zumal mit solchen pseudosozialistischen Querschlägern wie dem Jean-Marie-Saskia-Walter-Esken-Borjan im Genick, nicht leicht, sich „kämpferisch“ zu geben, ohne dabei lächerlicher als ein „für seinen mutigen Einsatz auf der Reichstagstreppe“ ausgezeichneter Fernseh-Polizist zu wirken.
Tatsächlich hat Olaf Scholz ja einiges an Qualitäten zu bieten. Sagt er. „Ich bin der wirtschaftskompetenteste Kanzler, der zu kriegen ist“, hat er selbstbewusst dem Handelsblatt verraten. Und er hat dabei nicht selbstironisch gelächelt. Zumal er seit 1998 nicht mehr als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätig war, sondern seine Zeit damit verbracht hat, Wahlen zum SPD-Parteivorsitzenden zu versemmeln. Wenn Olaf Scholz sich also für wirtschaftskompetent hält, dann sagt dies weniger über seine Qualitäten als viel mehr über die der potenziellen Mitbewerber aus. Allerdings glaube ich schon, dass er, anders als der Typ mit dem Bart und der Gräfin, „Brutto“ und „Netto“ auseinanderhalten kann oder er wenigstens rudimentär eine Ahnung davon hat, was die Aufgabe der „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ ist. Wenn sie es, siehe Wirecard, schon selbst nicht weiß und sich lieber mit der Kontrolle von Handwerkerrechnungen beschäftigen würde. Zumindest, wenn man einem etwas tapsigen Kinderbuchautoren und möglichen Mitbewerber um die Kanzlerschaft Unglauben schenken darf.
Scholz? Ich bitte Sie ...
Und, seien wir ehrlich: Zum einen ist ein Bundestagswahlkampf ohne SPD-Kandidierenden wie Weihnachten ohne Oma. Das wäre doch wirklich traurig. Zum anderen ist doch nicht zu erwarten, dass sich ein Kandidat (k)nackig und realistisch gibt. Wie amüsant war das doch vor vier Jahren, als Martin Schulz wahlabends am Bahngleis seinem eigenen abgefahrenen Schulzzug hinterherwinken musste und niemand da war, der ihm tröstend in den Arm fiel. Im Gegenteil hat seine tapfere SPD dann auch noch in eine große Koalition gemusst. Aus Staatsraison. Weil die verdammte FDP den Mummenschanz von Grünen und Union nicht mitgemacht hat. Kommen Sie: Sie haben auch sehr gelacht, wie die Sozis wie die Schulbuben und -mädchen vor ihrem eigenen Bundespräsidenten standen und anschließend ihrer tobenden Anhängerschaft Unrat als Gold verkaufen mussten. Doch, das war eine große Show. Bätschi.
Es kann doch wirklich niemand von Olaf Scholz erwarten, dass er sich vor die Kameras stellt und sagt:
„Ganz im Ernst? Das Ding ist doch bereits gelaufen. Ich mache das hier wirklich nur zum Spaß. Wie ein Einbeiniger vor dem Hürdenlauf. Es weiß doch jeder, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Albanien den ersten Menschen auf den Mars bringt, höher als meine Kanzlerschaft ist. Dabei ist es völlig egal, ob die Union Merz, April oder Mai aufstellt, die werden sowieso wieder stärkste Kraft, wie immer. Und, unter uns Pastorentöchtern: Ich kriege eine Mehrheit doch bestenfalls mit den Kommunisten und den Ökospinnern zusammen und die auch noch als Koch und ich als Kellner. Wie soll denn das gehen? Ich müsste quasi Ökologismus mit kommunistischem Antlitz für den lächerlichen Prozentsatz der Bevölkerung machen, der nicht weiß, ob er Männlein oder Weiblein ist.
Das versuchen Sie mal mit den intellektuellen Irrlichtern, die wir allein in der SPD herumstolpern haben. Wenn ich da nur an den pottigen Islamistenkuschler aus NRW oder den verrückten Weltpräsidenten aus Norddeutschland denke, bin ich doch bereits bedient. Lieber hänge ich mir drei Ringel Fleischwurst um den Hals und springe in einen Käfig mit hungrigen Rottweilern, als mich mit einer derartigen Truppe des hervorragenden Mittelmaßes in eine wie auch immer geartete Koalition zu stümpern. Ich bin doch nicht verrückt! Und ich will's auch nicht werden. Ich versuche, eine halbwegs ehrenhafte Niederlage hinzukriegen, that's it!“
Daher: Freuen wir uns auf einen verzweifelt kämpferischen Olaf Scholz, einen lässigen Unionskandidatenden und irgendeinen Doppel-Zwitter von den Grünenden. Und, wenn sich auch noch die AfD einen Spaß machen will, einen weiteren Kandidaten. Um die Show komplett rund zu machen, müsste ausgerechnet dieser eine homosexuelle Frau mit Migrationshintergrund sein. Aber so etwas gibt’s ja in der AfD nicht …
Der einzige Kandidat, den eine Union wirklich fürchten müsste, wäre ein Kandidat, der von der SPD-Basis leidenschaftlich gehasst wird. Die wurden immer passable Kanzler. Aber Scholz? Ich bitte Sie …
(Weitere politische Drehbücher des Autors auch unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.