Dann ist mein Weltbild wohl supratragisch: Ich halte nämlich die Menschen für sogar weniger aufgeklärt als noch vor Jahrzehnten. Überhaupt fehlt da offensichtlich die Möglichkeit 3, dass die Menschen sich eher im ständigen Verfall befinden. Man darf den technologischen Fortschritt nicht mit dem der Menschheit verwechseln. Es gibt gute Argumente dafür, dass die Menschen in der Steinzeit deutlich glücklicher gewesen sein könnten als heute. Und- da stimmen ja dann sogar die „Progressiven“ zu: Nachhaltiger war ihr Leben auch. Wenn man auf das Fermiparadoxon schaut, so scheint Intelligenz eh kein erfolgreiches Konzept in der Galaxie zu sein.
Sehr guter Artikel! Ich würde mich zwar nicht als Menschen bezeichnen, dessen Weltbild tragisch ist, realistisch würde schon eher passen. Auch das andere würde ich passender als träumerisch, kindisch und unrealistisch bezeichnen. Der Witz ist, dass es immer wieder diese Träumer gibt. Sie haben über die Zeiten hinweg unterschiedliche Facetten, unterscheiden sich jedoch im Kern kaum voneinander. Die armen verblendeten Menschen, die ihre Mao-Bibeln hochhielten, die von der Nazi-Ideologie Verblendeten, die Stalinisten, und die linksgrünen Gläubigen der Gutmenschlichkeit, der “Energiewende”, des Corona-Wahns usw. gehören zweifellos in dieselbe Schublade.
Wenn man über die sogenannten Progressiven urteilen will, muss man ihnen in ihren komplexen verlogenen Winkelzügen gewachsen sein. Marx, Lenin und der ganze Rattenschwanz linker Theoretiker waren brilliante Rhetoriker, vergleichbar mit den Kirchentheoretikern, den Scholastikern. Der erste Schritt wäre, die Kategorie des “Progressiven” auf den Wortmüllhaufen ihrer eigenen Ideologie zu werfen. Im Übrigen hat jeder Diktator von Fortschritt gefaselt und er selbst sei die Speerspitze, nur war früher jede Fortschrittsfaselei im religiösen Medium kodiert, es reichte aus, Gottnähe zu behaupten. Nun wird Fortschritt scientistisch kodiert, daher das Gewese gerade bei Linken u. Grünen um “Studien, Modellrechnungen & Co” (aber nur, wenn sie ihnen in ihren ideologischen Kram passen). Nichts gegen echte Wissenschaft, aber Ideologen von heute instrumentalisieren sie, weil sich im wissenschaftlichen Gewand besser die eigenen Ideologie verkaufen lässt (das war schon bei Marx so, in der DDR u. nu wieder). Wie weit wir wirklich fortschrittsfähig sind, das entscheidet primär unsere Veranlagung, daher sagt für mich ein Konrad Lorenz mehr über uns Menschen aus als irgend ein Soziologe. Man lese die Briefe von Seneca an einen Freund, sein Klagen darüber, dass das Forum leer bleibe (vergleichbar mit der Volkshochschule), aber der Circus immer ausgebucht. Jetzt gucken wir den Circus übers smartphone.
Und genau diese Unfähigkeit, einen gewissen Grad an Unvollkommenheit in der Welt zu akzeptieren, macht diese Leute so gefährlich. Das Streben nach dem Paradies auf Erden. Utopisten gehören regelmäßig zu den größten Verbrechern in der Menschheitsgeschichte. Heute begehen die Leute denselben Fehler wie damals. Sie versuchen den Himmel gen Erde zu holen, ohne zu bemerken, dass sich unter ihnen die Hölle auftut.
Ich war mal eher progressiv, jetzt auf jeden Fall eher im Lager jener mit tragischem Weltbild und Geschichtsverstaendnis. Und angefangen hat das Unheil m.E. mit der blinden Tech-Besoffenheit der Eliten.
Es wird eigentlich immer klarer, dass die politische Führung, inklusive der Institutionen ganz bewusst Deutschland und seinen Bürgern Schaden zufügen möchte. Man kann einen ganzen Zirkel von Prozessen beschreiben, die uns bedrohen und von allen Richtungen in die Zange nehmen. Es gibt dafür keine andere rationale Erklärung, außer ,dass absichtlich Schaden verursacht werden soll. Warum das in diesem monströsen Ausmaß seit vielen Jahren geschieht und was die Absicht ist, das kann nur spekuliert werden. Aber dass es vor unseren Augen geschieht und wir uns mitten darin befinden, ist ein Faktum. Die Erklärung dafür mit bloßer Dummheit/ Naivität des politischen Führungspersonals ist nicht überzeugend.
@J. Braun: Ständig wachsende Intelligenz ist gar nicht nötig. Es genügt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Ein gewisses Langzeitgedächtnis ist auch hilfreich. Die Kapazitäten sind durchaus vorhanden, nur ungleich verteilt. Man muss eben besser aufpassen, wem man die Hebel der Macht in die Hand gibt.
Beide Geschichtsbilder oder Weltbilder haben ihre Berechtigung. Man muss sich nur im Klaren darüber sein, dass sie immer nur für einen Teil der Welt gelten und nicht unbedingt miteinander kompatibel sind. Völker, die dem progressiven Geschichtsbild entsprechen, existieren parallel zu solchen, die dem tragischen Geschichtsbild entsprechen, wobei die Einordnung im Auge des Betrachters liegt. Ich persönlich bin in Bezug auf den Teil der Welt, in dem ich lebe, und auf die Menschen, die mich umgeben, trotz gewisser Rückschläge Anhänger des progressiven Geschichtsbildes. Ich gehe davon aus, dass ein begeisterter russischer Putinfan das gleiche von seinem Teil der Welt sagen wird. Wie schon 1945, als die Russen unseren Eltern allen Ernstes “Kultura” beibringen wollten. Wir müssen einfach begreifen, dass die unterschiedlichen Systeme einen gebührenden Sicherheitsabstand halten müssen. Es gibt Völker am Amazonas, die technologisch in der Steinzeit leben. Die Welt ist sich einig darüber, dass man sich von ihnen fernhalten muss, zum Schutz und Vorteil beider Seiten. Ebenso gibt es einen Teil der Welt, der technologisch auf der Höhe der Zeit, gesellschaftspolitisch aber etwa auf der Höhe von Harald Blauzahn ist (um Peter den Grossen nicht zu beleidigen, wobei vielleicht auch Harald Blauzahn den Vergleich nicht verdient hat). Und es gibt ein Volk am Hindukusch, dass in jeder Hinsicht in der Zeit um etwa 700 n. Chr. hängengeblieben ist. Wir sollten das akzeptieren, uns schützen und nicht versuchen, uns über Gebühr anzunähern. In diesem Sinne: Distanz und Si vis pacem, para bellum. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.
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