Thilo Schneider / 19.07.2021 / 06:25 / Foto: Timo Raab / 204 / Seite ausdrucken

Der Flutgraben – Hat jetzt jeder sein Foto für den Wahlkampf?

Die Regenfluten von Erftstadt, Ahrweiler und in Bayern haben viele Gräben gerissen. Die in den Orten werden bald wieder vergessen sein, zugeschüttet von Baggern, fleißigen Händen und fleißigen Arbeitern. Der andere große Graben aber – der zwischen Politikern und der Bevölkerung –, der wird bleiben und sich eher vertiefen.

Alle waren sie da, alle. Zuerst ein wahrer Helg der Arbeit, der sich in weißen Sneakers und lässiger Freizeitkleidung mit einem bestenfalls als „Sandsäckchen“ zu bezeichnenden Utensil vor einem Feuerwehrwagen ablichten ließ. Prompt kam #Helgehilft sehr zum Unmut des fleißigen Herumsteherleins in die Trends bei Twitter.

Dann Laschet. Der machte sich natürlich auch „ein Bild der Lage vor Ort“. Bei seiner Bebilderung war leider die ansässige Bevölkerung, um die es doch hätte gehen sollen, ausgeschlossen. Im Fernsehen konnten sie sich auch keinen Trost aus den Worten des künftigen Kanzlers der Republik holen – ohne Strom funktionieren die nämlich nicht. Was auch nicht funktioniert hätte, wenn nicht beherzte Bürger und Nachbarn eingegriffen hätten, wäre die Versorgung mit Trinkwasser und Toiletten gewesen. Immerhin aber kam der Armin der Herzen nicht alleine, sondern hatte den besten Frank-Walter aller Zeiten dabei, während dessen salbungsvollen Worten Laschet im Hintergrund herumalberte und herumscherzte. Ich sah die Szene, um es mit dem Präsidenten zu sagen, „in tiefer Sorge und Abscheu und Empörung“.

Auf ihre Trecker gesetzt und in die betroffene Region gefahren

Da wollte Frau Baerbock natürlich nicht zurückstehen und machte sich auch „vor Ort ein Bild von der Lage“, und schließlich schlug auch noch die ansonsten aus der Ferne weilende amtierende Kanzlerin auf – um sich ebenfalls „ein Bild von der Lage“ zu machen, das sie sonst nicht aus den unzähligen Videos und Fernsehberichten bekommen hätte. Lediglich Habeck und Scholz hatten bisher den Anstand, den Rettungskräften nicht im Weg herumzustehen.

Dankenswerterweise ebenfalls nicht im Weg herumgestanden haben Luisa Neubauer und ihre frechfröhlichen Freunde von FFF. Die haben nämlich aus Solidarität mit den abgesoffenen Landsleuten aus dem angenehm trockenen Berlin „für mehr Klimaschutz“ demonstriert, weil die flächendeckende Bodenversiegelung mit Windkrafträdern Starkregen und dessen Folgen verhindert hätte. Dochdoch. Bestimmt.

Unterdessen haben sich mehrere hundert Landwirte aus ganz Deutschland auf ihre Trecker gesetzt und sind in die betroffene Region gefahren. Ohne Aufforderung, ohne Bezahlung, auf eigene Initiative und eigene Kosten und haben einfach gemacht und gearbeitet bis zum sprichwörtlichen Umfallen. Teilweise unter Lebensgefahr, da es den augenscheinlich ohnehin kleingehaltenen Planungs- und Krisenstäben nicht möglich war, sie gezielt einzusetzen.

Ich wüsste gerne, ob sich die Einsatzleiter nach den Vor-Ort-Bildermachern irgendwann genervt mit dem Satz „Hat jetzt jeder sein Foto für den Wahlkampf?“ wieder ihrer eigentlichen Arbeit zugewendet haben.

Für läppische 600 Millionen Euro einen hübschen Anbau

Offen gestanden, ist es verblüffend, mit welcher direkt zu ihrer Inkompetenz im Verhältnis stehender Impertinenz Politik und Bürokratie eines der reichsten Staaten der Welt auf eine derartige Katastrophe vorbereitet waren und sind. Die Bundeskanzlerin, die sonst mit dem Geld ihrer Steuerzahler freigiebig wie ein Faschingspräsident auf dem Umzugswagen mit Kamellen um sich wirft, fordert zu Spenden auf, während sie sich für ein paar läppische 600 Millionen Euro einen hübschen Anbau an ihren von der Bevölkerung geliehenen Arbeitsplatz gönnt. In der Zwischenzeit würden sich die hunderte Freiwilligen und Geschädigten über ein paar genderneutrale Dixi-Klos freuen. Es ist die „toxische Männlichkeit“ alter weißer Männer und Frauen, die da bis zum Hintern im Schlamm steht und den Dreck wegräumt.

In der Krise zeigt sich, dass die Menschen zusammenhalten. Niemand fragt, wer die Höfe bewirtschaftet, während die Bauern den Schutt beiseite räumen, niemand fragt die vielen Freiwilligen, ob sie eine Entschädigung möchten, weil sie ihre Urlaube oder die Existenz ihrer Unternehmen aufs Spiel setzen, weil sie sich uneigennützig und ehrenamtlich für ihre Mitbürger engagieren. Im Gegenteil – es gibt jede Menge Berichte, nach denen Helfer abgewiesen werden, wo doch dringend jede echte helfende Hand gebraucht wird.

Unsere Spitzenpolitiker – durch die Bank – sind völlig von der Bevölkerung abgekoppelt. Während unten tausende fleißige Hände kaputte Autos, zerstörten Hausrat, Müll, Dreck, Tier- und vereinzelt menschliche Leichen aus den sinkenden Fluten bergen, überschlägt man sich „oben“ in einem verachtenswert erbarmungswürdigen Wettbewerb um das hübscheste „Schröder-look-alike“-Selfie.

Nein, mit unserem Spitzenpersonal ist tatsächlich „kein Staat“ zu machen. Die sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Es sind tatsächlich die kleinen Leute, der viel verdammte und viel verlachte „Stammtisch“, die ihr Herz in die Hand genommen haben und zu retten versuchen, was zu retten ist. Je länger die Aufräumarbeiten dauern, desto kritischer wird es für die Regierung. Denn die Bevölkerung merkt, dass sie keine Politiker braucht, um in Krisen zusammenzuhalten und dass es nicht die Gender:Innenbeauftragt:Innen, nicht die Antifa, nicht die FFF, nicht die Frauenbeauftragt:Innen, nicht die lächerlichen öffentlich-rechtlichen Medien sind, die die Schaufel in die Hand nehmen und für klare Wiederherstellung des Landes sorgen. Es sind die Sekretärin, der Landwirt, der Friseur, die Programmiererin, die Lehrerin und der Versicherungsvertreter, die selbstlos zupacken und einfach tun, was getan werden muss. Und zwar schnell!

Nicht die Bürger sollten ihre Regierung wählen – die Regierungen der Welt sollten sich bei den deutschen Bürgern bewerben, sie regieren zu dürfen. Unsere derzeit zur Wahl stehenden Politikerdoppelpunktinnen und die sie wohlwollend bis kriecherisch flankierenden Medien mit ihren unwichtigen Scheißdreck-Themen haben sich dieser fleißigen und solidarischen Bevölkerung als hochgradig inkompetent, selbstverliebt und tatsächlich – ja – unwürdig erwiesen. Helmut Schmidt hätte diese Bagage aus dem Wasserwerk geprügelt.  

Foto: Timo Raab

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Wolf Hagen / 19.07.2021

Ähm, Herr Schneider, auch der Scholz ist samt Söder auf “Bild mach Erkundung” gegangen, wenn auch in Bayern, wo es ebenso zu Überschwemmungen kam. Natürlich haben die beiden dort nur Blödsinn erzählt, aber trotzdem, sie standen wahrscheinlich ebenfalls im Weg. Und was das “eines der reichsten Länder der Welt” betrifft: 48% Rente, weltweit höchste Strom- und Spritpreise, stetig wachsende Altersarmut, usw. , von einem Land ohne einsatzfähige Armee, einem Entwicklungsland in Sachen Digitalisierung, einem Land mit gigantischer Staatsverschuldung, einem Land, das immer weiter in Sachen Bildung und Innovation abrutscht, gar nicht zu reden… Aber die Mär von einem der reichsten Länder der Welt hält sich noch immer unbeirrt.

Herwig Mankovsky / 19.07.2021

Und wen werden die zupackenden, fleißigen Helfer im Herbst wieder wählen?

John Brunswick / 19.07.2021

Dem ist nichts hinzuzufügen. Diese behördliche Inkompetenz in Fragen des Katastrophenschutzes schreitet allerdings schon seit einigen Jahren voran. Ich selbst war von Mitte der 90er Jahre bis Mitte der 2000er ehrenamtlicher Rettungssanitäter beim Katastrophenschutz des Landkreises Lüneburg. Damals war der Laden noch auf Zack. Übungen mit Dutzenden Fahrzeugen und mehreren hundert Einsatzkräften waren der Normalfall, entsprechend gut organisiert waren die echten Einsätze. Aber seit etwa 10 Jahren geht es stetig bergab. Seit der Jahrtausendwende hatten wir hier in der Elbtalaue 5 “Jahrhunderthochwasser”. Anhand dessen kann man wunderbar einen Trend zum schlechteren hin erkennen, was behördliche Kompetenzen angeht. Es wurde nämlich immer schlimmer, was die Organisation der Einsätze angeht. Beim Winterhochwasser 2011 wurden die Feuerwehren nur am Wochenende alarmiert und eingesetzt, damit sie unter der Woche kein Geld kosten. Ehrenamtliche Feuerwehrleute und ihre Arbeitgeber bekommen bei Einsätzen in der Arbeitszeit den Verdienstausfall vom Landkreis erstattet. Beim Hochwasser 2013 wurden bereits nach 2 Tagen Katastrophenalarm Feuerwehren wieder nach Hause geschickt, da der Landrat meinte, so schlimm würde es schon nicht werden. Von anderen Dingen, wie “vor Ort- Krisenstäbe, welche in der Realität auf der anderen Seite der Elbe und 40 Kilometer entfernt sind, fange ich lieber gar nicht erst an. Deswegen kann ich sagen, dass bei der Katastrophe im Rheinland mit Sicherheit Behördenversagen eine große Rolle spielt.

B.Kröger / 19.07.2021

So sieht es aus.

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