Jede, aber auch jede Utopie -auch die wohlmeinendste -ist zum Scheitern verurteilt, denn sie zwingt den Menschen, dem Leben, ein Korsett auf. Sie kann gar nicht alle Wirkungen und Nebenwirkungen, alle menschlichen Bedürfnisse und Entwicklungen berücksichtigen. Dafür ist das Leben zu komplex. Ich kann nur noch einmal auf das Buch “Wunschdenken” von Thilo Sarrazin hinweisen, der die Problematik in diesem Buch wunderbar klar und verständlich beschrieben hat.
Das “Grundproblem” sind für mich nicht die jeweiligen Methoden, sondern, dass die offizielle Aussage, was die Leute wollen und was sie motiviert (und was sie meist sogar selbst glauben) das absolute Gegenteil dessen ist, was sie wirklich in so eine Organisation treibt und was sie wirklich motiviert. Also z.B. die RAF-Leute können 1000mal sagen, dass sie für den Weltfrieden und das Weltenglück sind, es ist einfach nicht die Wahrheit. Jeder von denen hat sehr individuelle Gründe, die nicht positiv sind, das zu machen, was er macht. Und wenn man diese Gründe kennt, ergibt das, was sie tun, sehr wohl einen Sinn.
Ein Fall für die Semantik: Manche demonstrieren gegen Ausländerfeindlichkeit. Demonstrieren diese damit zugleich gegen Inländerfreundlichkeit, und auch für Ausländerfreundlichkeit und auch für Inländerfeindlichkeit ???
Diesem knappen Abriss über den Oktoberputsch, seine Ursachen und Wirkungen, wäre noch Manches hinzuzufügen. Bekanntlich hat Lenin die eigentliche Revolution im Februar 1917 verpasst, weil er noch mit Pamphleten in Zürich beschäftigt war. Ob das WuMBA, das kaiserlich-deutschen Waffen-und-Munition-Beschaffungsamt, ihn mehr beschäftigte als die Machterhaltung, darf bezweifelt werden. Die sogenannte Diktatur des Proletariats war seine Option. Von Staatslenkung hatten die Bolschewiki keine Ahnung, was sehr bald den Hunger und das Elend der Bevölkerung vergrößerte. Die immer noch ach so verehrten Schreibtischtäter Marx und Engels schlossen in ihren Gesellschaftsprognosen die Gewalt nicht aus, sondern hielten sie im Dienste der Sache für notwendig. Nicht ohne Grund beriefen sich Massenmörder wie Stalin, Mao, Pol Pot u.a. auf Marx. Ob sie sich die unverdauliche Lektüre des “Kapitals” angetan haben, ist zu bezweifeln. Völlig unerheblich ist, dass Marx die Diktatur irgendwann für überholt hielt. Nebenwirkungen fallen Marx nicht ein, weil Ideologen Nebenwirkungen ihrer unreflektierten Wahnideen nicht interessieren. Und dem Lenin genannten Uljanow mag Kritik nicht gefallen haben. Verbohrte Figuren wie Lenin - und Hitler! - gefesselt von ihrer Ideologie und überzeugt von ihrer Sendung - der Vorsehung ! - können selbstredend mit Kritik nichts anfangen. Als die Weißgardisten 1918 vor Jekaterinburg standen, ließ Lenin dort Nikolaus II. mit seiner deutschen Gemahlin und seinen fünf Kindern von Bolschewiken - Gesindel auf barbarische Weise ermorden. Millionen Opfer sollten folgen. Die Leninleiche aber liegt immer noch rotlichtbestrahlt und einbalsamiert im Mausoleum zu Ehren dieses Verbrechers am Roten Platz. Nebenan gibt sich ein ehem. KGB - Agent die Ehre und bedroht und belügt die gottlob noch freie Welt. Und Marxens “Nischel” “ziert” immer noch unsere Hauptstadt und Karl - Marx - Straßen gibt es noch unzählige. D a s sind die eigentlichen geschichtspolitischen Skandale. Darüber finde ich bei Dietrich Dörner leider nichts.
Das Kommunistische Manifest wurde vor 1848 geschrieben, in einer Zeit der intellektuellen Blüte und der industriellen Frühzeit. Von Leuten, die sich für zu begabt hielten, um einmal mit den eigenen Händen ihr Einkommen zu verdienen. Und denen deshalb die massenhafte proletarische Existenz in den damaligen Fabriken unnatürlich und fremd erschien. Entfremdet von den Genüssen und Schönheiten des Menschenmöglichen. Die aber vorher sowieso überwiegend dem Adel und seinen Günstlingen vorbehalten waren. Aber sie sahen immerhin, dass der industrielle Aufschwung irgendwann in der Zukunft dahin führt, dass den Wohlstand zu verteilen, das letzte Problem bleibt, das zu lösen übrig ist. Und diese Zeit nannte man Kommunismus, völlig verkennend aber, dass es etlicher ungeduldiger Generationen bedürfen würde, um auch nur in die Nähe dessen zu kommen. Nun sind wir fast da und wollen es nicht mehr wahr haben. Stattdessen orientieren wir (unsere Anführer) uns an christlichen (vorindustriellen) Weltbildern. Die glauben an das eigentliche Dasein in einer Existenz nach dem Tode und sehen den irdischen Abschnitt nur als Weg dahin. Zumindest geben sie das vor. Sie verhalten sich aber antitelisch nach Hypothese A: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach! Nach Hypothese B verhalten sie sich telisch: Carpe diem! Zur Buße ist noch Zeit. Frei nach Luther.
Diesmal haben die erschütternden Einzelheiten der Großen Russischen Oktoberrevolution und der darauf folgenden bolschewistischen Diktatur wenig mit Semantik, Linguistik oder Grammatik zu tun. Vielmehr erinnern sie daran, dass die Kunde von 20 Tsd. größtenteils Hungertoten in der Sowjetunion zu den Revolutionsbegeisterten, auch linken westlichen Intellektuellen, nicht durchdringen konnte. Noch 1963 konnten Annelie und Andrew Thorndike mit ihrem zweiteiligen DEFA-Dokumentarfilm “Das russische Wunder” punkten, der u.a. als Pflichtfilm eingesetzt wurde, um die Schüler in der DDR zu indoktrinieren. Dass die Thorndikes dafür mit deutschen und internationalen Preisen überhäuft wurden, verwundert nicht erst heute: Die Kraft linker Ideologien und die Leidenschaft, Menschen auf ihre Klassenzugehörigkeit zu reduzieren, bleibt so gesehen ein “Wunder”; die Autoren hatten es freilich ganz anders gemeint.
Das mit dem “Arbeitszwang für Alle”. Wovon sollen sich die Menschen ernähren, wenn sie enteignet wurden? Vom Staat? Was bedeutet, von den übrigen Arbeitenden. Natürlich kann jemanden, der vom Staat lebt, die Aussicht erschrecken, nun auch für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Arbeitsunfähige, Kranke, Alte mal ausgenommen. Wenn die Menschen eines Staates vom Staat gewisse Dinge erwarten, dann kann der Staat von seinen Bürgern erwarten, dazu beizutragen. Arbeit schult auch und bildet den Charakter. Ich will jetzt nicht von adeln sprechen. Warum die Oktoberrevolution mit ihren Zielen gescheitert ist? Weil die Menschen immer noch dieselben waren. Mit all ihren Eitelkeiten, Egoismen und Gehässigkeiten. Man sollte doch meinen, nach 73 Jahren bolschewistischer und sowjetischer Erziehung wäre hier ein neuer Typ eines selbstlosen, dem Gemeinwohl verpflichteten Menschen geschaffen worden. Weit gefehlt. Der zaristische Adel war lediglich durch einen Parteiapparat abgelöst worden, der sich auf seinen Posten ebenso bereicherte, wie die Aristrokraten zuvor. Die Revolution hatte nur die Korrupten ausgewechselt. Statt eines Zarenadlers trugen sie jetzt einen Sowjetstern an der Mütze.
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