Annalena Baerbock hat einen Arbeitsstab „Feministische Außenpolitik“ ins Leben gerufen, der geschlechtergerechte Lösungen für den diplomatischen Dienst erarbeiten soll. Eine offene Frage lautet: Wie wird die frohe Botschaft des Feminismus beispielsweise dort ankommen, wo Frauen weiterhin zum Tragen des Kopftuches gezwungen werden?
Der Ukrainekrieg tobt auch nach einem Jahr unvermindert weiter, die Folgen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien sind immer noch unabsehbar, und die neue Flüchtlingskrise erreicht ganz allmählich das Bewusstsein der politischen Klasse in Berlin, die alles versucht hat, die unangenehmen Probleme von sich fernzuhalten. All das und noch viel mehr kann Außenministerin Annalena Baerbock jedoch nicht davon abhalten, pünktlich zum meteorologischen Frühlingsbeginn am 1. März 2023 ihr Lieblingsprojekt in staubtrockene Tücher zu bringen: die „feministische Außenpolitik“.
Auch wenn noch niemand genau sagen konnte, worum es sich dabei recht eigentlich handelt, ist das Vorhaben ein Leuchtturm (Leuchtturm*in?) grüner Politik, Fanal und Symbol des unabwendbaren Fortschritts, der sich, wenn nötig, auch des Mittels der Zwangsverordnung bedient, siehe Frauenquote. Die Erfahrung lehrt, dass gerade die nicht-weibliche Hälfte der Bevölkerung mit all den alten weißen Männern oft uneinsichtig ist und jede Menge Druck braucht, um sich im Einklang mit den objektiven Bewegungsgesetzen der Geschichte in Marsch zu setzen. Die Älteren erinnern sich an dieser Stelle noch an Karl Marx und den historisch-dialektischen Materialismus, dessen Endziel Kommunismus allerdings eher unvollkommen erreicht wurde.
In dem 41-seitigen „Geheimpapier“, aus dem der „Spiegel“ in dieser Woche als erstes Medium zitierte, wird feministische Außenpolitik zur „Chef*innensache“ erklärt. Baerbock persönlich wolle sich darum kümmern, „dass feministische Außenpolitik konkret nach innen und außen gelebt“ wird. „Wir werden eine Botschafter*in für feministische Außenpolitik ernennen“, kündigt das Auswärtige Amt voll Stolz an.
Wie kommt die frohe Botschaft in der arabischen Welt an?
Diese „Botschafter*in“ – warum man nicht einfach „Botschafterin“ schreibt, können nur diejenigen fragen, die keine Ahnung davon haben, dass stets erst einmal geklärt werden muss, wer als Mann, Frau, Transmensch, non-binär oder queer „gelesen“ werden will –, die Botschafter*in also werde für das „Mainstreaming feministischer Außenpolitik Sorge tragen“, kurz: „Sie wird die Leitlinien weiterentwickeln und ihre Umsetzung sicherstellen.“
Die Umsetzung von Leitlinien sicherstellen – herrlich. Schon die Sprache verspricht Aufbruchstimmung in der diskriminierungssensiblen und eben nicht arbeitsscheuen Ministerialbürokratie, eine Art Doppel-Wumms, der noch in der deutschen Botschaft in Santiago de Chile feministische Schockwellen auslösen wird. Fraglich allerdings, wie gut die frohe Botschaft des Feminismus in der arabischen Welt ankommt, dort also, wo schon eine kleine Armbinde in Regenbogenfarben diplomatische Verwicklungen hervorruft und Frauen weithin zum Tragen des Kopftuches gezwungen werden, wenn sie das Haus verlassen.
Genau dafür aber wird ein schon existierender Arbeitsstab „Feministische Außenpolitik“ zuständig sein und geschlechtergerechte Lösungen erarbeiten, auch wenn sie nicht jedem Emir oder Scheich gefallen werden, der keineswegs daran denkt, seinen sowieso schon auf nur drei Ehefrauen geschrumpften Harem zugunsten einer achtsamen Partnerschaft auf Augenhöhe aufzulösen. Zudem soll es in allen Abteilungen des Amts und an den Auslandsvertretungen Ansprechpersonen für feministische Außenpolitik geben. In Teheran, Rabat, Mogadischu, Karthum, Tripolis und Tunis freut man sich schon auf das Gender-Mainstreaming im diplomatischen Austausch.
Reflex, nicht Reflexion
Zusätzlich soll die „Genderkompetenz“ des diplomatischen Personals gestärkt werden. Sie wird auch zum Einstellungskriterium neuer Fachkräfte. Originalton: „Bereits bei der Einstellung prüfen wir, ob Bewerber*innen über Gleichstellungs- und Diversitätskompetenz verfügen.“ Darüber hinaus sollen alle neuen Führungskräfte „eine Anti-Bias-Schulung durchlaufen, in der sie sich mit Vorurteilen und Privilegien auseinandersetzen“. Bibelfeste Zeitgenossen wissen: „Es prüfe sich aber jeder selbst“, 1. Korinther 11:28.
Das Ziel ist nichts weniger als ein globaler Kulturwandel, der ja schon mit der Umbenennung des „Bismarck“-Zimmers im Auswärtigen Amt begonnen hat. Der alte weiße Mann mit Schnauzer und Pickelhaube hatte ja keine Ahnung davon, dass 152 Jahre nach der Reichsgründung in Versailles „feministische Außenpolitik“ in „allen Pflichtfortbildungen“ eingeführt werden soll, „um einen feministischen Reflex auszubilden“.
Wohlgemerkt: keine Reflexion, kein Nachdenken, Überlegen, sondern ein zerebraler Automatismus mit programmierten Einstellungen. Ein Hauch George Orwell weht durch diese Zeilen, aber das sollte man nicht zu ernst nehmen, denn er war ja ein weißer Mann, der in seinem Roman „1984“ den berühmten Satz prägte: „Big Brother is watching you“.
Von Big Sister war nicht die Rede. Die revolutionäre neue feministische Grundhaltung am Werderschen Markt, dem Sitz des Außenministeriums, sollte dann aber auch in jährlichen Tests aller „Mitarbeiter*innen“ auf Herz und Nieren überprüft werden. Wer hier nicht auf Zack ist und die richtigen Antworten auswendig hersagen kann, kann schon mal die Koffer packen und den Schreibtisch aufräumen. Es geht aber nicht nur um die Köpfe, sondern auch um die Kohle, also Steuergelder. „Wir werden auch unsere finanziellen Mittel systematischer in den Dienst feministischer Außenpolitik stellen.“
Das Feuer des Feminismus lodert
Der weltumspannende, feministische Gedanke soll so mächtig werden, dass er auch eine „feministische Energieaußenpolitik“ befruchten kann, bei der der Strom eben nicht mehr aus dem Umspannwerk einer fossil-toxischen Männlichkeit kommt, sondern aus dem ewigen Kreislauf von Mutter Natur: Sonne, Wind und Erdwärme. Um all das noch nachhaltiger zu gestalten und das Feuer des Feminismus auch in der letzten Amtsstube anzufachen, soll ein „Best-Feminist-Practice-Preis“ einen „zusätzlichen Anreiz für das Engagement im Rahmen der feministischen Außenpolitik“ setzen.
Auf Deutsch: Eine Challenge, ein knallharter Kampf im Wettbewerb um die fortschrittlichste Gesinnung, der früher gewiss Alice-Schwarzer-Preis genannt worden wäre. Seitdem aber zum Thema Ukrainekrieg Frau Baerbock und Frau Schwarzer geradezu entgegengesetzte Meinungen vertreten, wird über andere Namen gegrübelt. Wie aus gewöhnlich uninformierten Kreisen verlautet, ist Hildegard von Bingen ebenso im Spiel wie Margarethe von Trotta, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Dunja Hayali. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende der Annalena-Baerbock-Preis 2024 verliehen wird.
Leider wird niemand auf die Idee kommen, einen Liesl-Karlstadt-Preis auszuloben. Die kongeniale Partnerin von Karl Valentin hätte zur von Staats wegen verordneten Einübung des feministischen Reflexes eine ganz eigene Meinung gehabt: „Was für a glumpad Schmarrn, Herrschaftszeiten!
Zuerst erschienen in der Wochenzeitung Preußische Allgemeine