Gerald Wolf, Gastautor / 19.03.2023 / 16:00 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Der Feigling

Klima-Angst, Corona-Angst, Angst vor den Rechten, Angst vor falschen Meinungen, Angst, die eigene politische Meinung öffentlich zu machen – ein Volk duckt sich vor der „öffentlich-rechtlichen Meinung“. Die Politik kann den Feigling leicht steuern.

Zwei Arten des Feiglings gibt es: den Partyschnaps, den mit dem Feigenaroma – und den Angsthasen, den Duckmäuser. Der erste soll den Appetit anregen, der andere dämpft ihn eher. Am wirksamsten dämpft der Typ Diederich Heßling, wie ihn Heinrich Mann in seinem „Untertan“ beschreibt: nach oben bücken, nach unten treten.

Der Feigling der ersten Art heißt so, weil er etwas mit Feigen zu tun hat. Und die Feigen heißen Feigen, weil die Frucht vom Feigenbaum stammt. Wieso aber heißt dann ein Feigling Feigling, wenn es um einen Duckmäuser geht, um eine Flasche, eine Memme, um Furchtsame, Waschlappen, Pfeifen, um Schwächlinge? Im Wiktionary findet man zum Wortursprung: mittelhochdeutsch veige, althochdeutsch feig(i), germanisch faigija-; auch: todgeweiht.

Gleich um welche Sorte von menschlichen Feiglingen es sich handelt, seit einiger Zeit ist es bei uns zu ihrer Massenvermehrung gekommen. Gemäß einer MDR-Meinungsumfrage (was immer man unter „Umfragen“ zu verstehen hat) soll mehr als die Hälfte der Deutschen Angst haben, ihre politische Meinung öffentlich zu äußern. Für eine Demokratie eine wahre Katastrophe. Vermutlich sind die Prozent-Angaben sogar noch geschönt. Allein wenn man an die Corona- und die Klimahysterie denkt und daran, wie ein Großteil der Bevölkerung, obwohl besser wissend, sich vor der „öffentlich-rechtlichen Meinung“ duckt. Insbesondere vor deren Diffamierungs- und Einschüchterungsmethoden. 

Mutige und feige Schimpansen

Doch gibt es zum Feigling einen sympathischen Gegenpart: den Kämpfer, den Mutigen, den Kraftvollen, den Heldenmütigen. Der Kämpfer will siegen und tritt dazu gerne öffentlich auf. Falls es um eine gute Sache geht – wunderbar. Doch ist der Sieg dem Kämpfer nicht gewiss. Auf Dauer gesehen, wird meist gerade der Zurückhaltende der Sieger sein, der Sich-Duckende. Andererseits setzt man dem Mutigen, dem Helden, dem Draufgänger Denkmäler, hier oder dort, nie dem Duckmäuser. Der Mutige aber ist tot, und der Duckmäuser lebt. Er über-lebt. Ungerecht zwar, aber es ist nun mal so. Beispiele finden sich zur Genüge in unserer Geschichte, ebenso in der Gegenwart. Und selbst im Tierreich.

Wenn Schimpansen, unsere nächsten tierischen Verwandten, gegen einen Leoparden zu Felde ziehen, dann gibt es welche an der Front und andere, die lieber von weiter hinten zugucken. Nämlich wie der Bösewicht auf dem Ast liegt und faucht. Doch wirken auch die Tapfersten vorsichtig. Sind sie etwa feige? Mag so scheinen, denn was nützt Mutigsten blind draufgängerisch zu sein, wenn die Mutigen diesen Einsatz mit ihrem Leben büßen. Sie werden ja noch anderweitig gebraucht. Auch als Männer. Denn sie haben womöglich besonders vorteilhafte Gene, die ihren Nachkommen zugutekommen sollten. Die Frauen tun ohnehin besser daran, weit hinten zu bleiben, denn wenn sie im Kampfe stürben, was würde dann aus ihren Jungen? Und erst recht sollten sich die Jüngeren der Horde zurückhalten. Sie bilden den Stamm für die nächste Generation. Andererseits wird Mut gebraucht, Kampfgeist, sonst würde es dem Leoparden und seiner Familie allzu bequem gemacht, sich der Schimpansenhorde als Nahrungsreserve zu bedienen.

Draufgängertum beziehungsweise Zurückhaltung finden sich nach Art von Persönlichkeitsmerkmalen sogar bei Insekten. Besonders offensichtlich bei den staatenbildenden. So sind Erkundungsflüge von Honigbienen bei schlechtem Wetter nicht „jedermanns“ Sache. Und tatsächlich, die einen fliegen scheinbar unbekümmert drauflos, während die anderen lieber ausharren, bis die Mutigen zurückkommen, Oder auch nicht. Und dann ist immer noch Zeit. Oder auch nicht.

Mutige und feige Menschen

Da ist zum Beispiel der nahegelegene Steinbruchsee. Ohne mit der Wimper zu zucken, springen die einen von der zehn Meter hohen Felsnase, während die anderen lieber in der Sonne liegen. Auch solche gibt es, die an schwindelnd hohen Felswänden rumkraxeln, während es den anderen schon beim Zugucken schlecht wird. Und die nächsten rasen mit ihrem Auto wie die Teufel um die Ecken. Unfälle gibt es hier wie dort, auch tödliche. Und manche sind seit ihrer letzten Mutprobe auf ewig an den Rollstuhl gefesselt. Zur Genüge finden sich aber auch Menschen, die niemals derartige Risiken eingehen, und sie werden auch nie auf eine so furchtbare Weise bestraft.

Entweder sind sie einfach nur vorsichtig, oder ihnen fehlt es grundsätzlich an Schneid. Weich-Eier eben. Vielen von ihnen geht es nicht nur darum, körperliche Risiken zu vermeiden, sie haben auch Angst vor einem Gewitter oder vor Tieren, vor Spinnen oder Mäusen zum Beispiel. Ständige Angstbereitschaft ist ihr Wesensmerkmal, Ängstlichkeit. Manche von ihnen machen noch nicht einmal den Mund auf, um sich gegen einen ungerechtfertigten Angriff zu verteidigen. Und schon gar nicht, um laut gegen die Politik der jeweils Herrschenden zu protestieren. Noch nicht mal leise. Ihren Freunden gegenüber zum Beispiel. In Extremfällen trauen sie sich gar nicht mehr vor die Tür. Was nur läuft bei solchen Angsthasen anders? 

Angst, die Mutter der Feigheit

Seit langem sind Strukturen im Großhirn bekannt, die Angstgefühle und entsprechende Reaktionen zuwege bringen: die Mandelkerne (Corpora amygdaloidea). Tief drinnen in der Spitze der Schläfenlappen sitzen diese Nervenzellansammlungen. Neugeborene kennen keine Angst, denn erst mit etwa sechs bis acht Monaten reifen diese Angst produzierenden Hirnstrukturen aus. Und damit die Fähigkeit, auf etwas Ungewöhnliches mit Angstgefühl zu reagieren. Bei dem einen Kind womöglich stärker als bei einem anderen. Angst auslösende Erfahrungen kommen hinzu und können sich mitunter so verfestigen, dass späterhin die Angst zu einem dominierenden Zustand wird. So mancher Hasenfuß mag eine derartige Biografie aufweisen. Dass ein angstbestimmtes Verhalten lebensrettend sein kann, zumindest vor Schäden bewahren mag, liegt auf der Hand, und deshalb ist es so verbreitet. Und mit ihm die Fügsamkeit.

Die Politiker können sich freuen, wenn das von ihnen regierte Volk fügsam ist. Zwar mag ein selbstunsicheres Volk nicht gerade der Traum schlichthin sein, aber allemal ist es günstiger zu handhaben als ein störrisches. Zum Beispiel eines, das sich erkühnt, sich in die Belange der Regierenden einzumischen. Kein sonderliches Problem, wenn die Politik erfolgreich ist. Wehe aber, wenn nicht! Dann bedarf es des Schürens von Ängsten, um das Volk (um ihm die Identität zu nehmen, „Zivilgesellschaft“ genannt) unter Kontrolle zu halten. Und dazu ist alles recht: Klima-Angst, Corona-Angst, Angst vor den Rechten, die Angst vor falschen Meinungen, die Angst vor der Wahrheit, z.B. die vor Impfschäden, die Angst, die eigene politische Meinung öffentlich zu machen. Bis hin zu Absurditäten, wie der Angst vor dem „giftigen“ CO2. Schulkinder, nach ihren Ängsten befragt, gaben an vorderer Stelle CO2 und die „Erderhitzung“ an.

Die Frage dann: Was ist besser, ein feiges Volk oder ein stolzes? Unter dem Begriff „stolzes Volk“ gegoogelt, finden sich Massen an Einträgen. Da ist wohl kein einziges Volk, das von sich nicht behaupten wollte, ein stolzes zu sein. Erst recht in der Nazi-Propaganda waren die Deutschen ein „stolzes Volk“. Wäre es doch besser ein feiges gewesen!

Gerald Wolf ist emeritierter Magdeburger Universitätsprofessor, Hirnforscher und Institutsdirektor. In seinen Vorträgen und Publikationen widmet sich Wolf der Natur des Menschen, vorzugsweise dem Gehirn und dem, was es aus uns macht.

Foto: Pixabay

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Christian Steinberger / 19.03.2023

Nur wer den Mut durch den Stolz ersetzt, der mag der Feigheit (als falschen Gegenbegriff) das Wort reden. Tatsächlich lässt es einen sprachlos zurück. So wie die Opfer des damaligen Totalitarismus von den Feigen sprachlos zurückgelassen wurden. Und wenn Schweigen zum Preis für das Über-Leben wird, dann sind am Ende ganz bestimmt nicht nur die Mutigen tot.

Sam Lowry / 19.03.2023

“Übermut tut selten gut”. Solange man aber genau weiß und beherrscht, was man tut, sieht es nur für andere lediglich “mutig” aus (siehe z.B. Alex Honnold auf YT)...

finn waidjuk / 19.03.2023

Ich habe keine Angst, meine Meinung zu sagen. Und zwar jedem, der sie hören will oder auch nicht. Ich habe auch keine Angst vor Spinnen, aber ich ekele mich furchtbar vor ihnen. Genau so geht es mir auch mit den Politikern der Einheitspartei; ich würde lieber in einer Mülltonne hausen als z. B. bei einer Veranstaltung oder zufälligen Begegnung mit jemandem von denen die gleiche Luft atmen zu müssen.

Dietmar Herrmann / 19.03.2023

Es ist schon auffällig, wie aus den Germanen, deren einzige Bestimmung es war, kriegerisch und heldenmütig zu sein, die erbärmlichste Kriecherethnie des Planeten werden konnte. Beigetragen haben dazu sicherlich zwei dreißigjährige Kriege (1618-48 und 1914-45), die die Tapferen dahinrafften und die Selektion der Stiefellecker begünstigten. Wenn allerdings diesbezzüglich ein gewisser “Kippunkt” überschritten ist , wird der Selektionsvorteil für den einzelnen Hasenfuß durch die Vernichtung des gesamten Volkes neutralisiert, wie momentan in Tofu-Gagaland anschaulich zu beobachten.

Marc Munich / 19.03.2023

@Franz Klar “und deshalb verdanken wir Team LauterSöder unser Überleben!”  Wieder so ein von Fall von Klarer Satire oder ernst gemeint?

Wiebke Ruschewski / 19.03.2023

Dass Angst oftmals kein guter Ratgeber ist, ist hinlänglich bekannt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ein ängstliches Volk per sé leichter zu lenken ist. Ich beobachte auch oft, dass es die Unwissenden und Unbekümmerten sind, die sich besonders gut lenken und hinter die Fichte führen lassen. Aber eines kann man wohl mit Sicherheit sagen: ein aufgeklärtes, eigenständiges Denken gewohntes, nicht zur Panik neigendes Volk ist wohl am anspruchvollsten zu führen.

Hans Meier / 19.03.2023

Herr Wolf, ich habe den Eindruck, es liegt eher in den Genen, ob jemand ein Draufgänger ist oder ein Vorsichtiger bis zum Feiglinge ohne Spuren von souveränem Format. Ich habe in meinem Berufsleben eine Mehrzahl an nicht so mutigen Menschen erlebt, aber sebst viel Spaß gehabt sich aus der Deckung zu wagen, sogar beim Boxen, ist es geschickter die Schnelligkeit des Gegners zu stoppen und ihn mit Abwehr zu beschäftigen. Auch über die Nordsee zu brettern scheuen Viele, die beklagen dann es würde ja unangenehm stürmen. Wenn ich mir anschaue welche Männer Eishockey spielen, sich dabei nicht zimperlich aufführen, oder die Frauen mit eigenem Motorrad, es sind Personen die sich was zu meistern zutrauen, weil sie Mut und Selbstbewußtsein haben. Das gilt auch für engagierte Sportler und Künstler. Diese Personen sind ja nicht watschelnde Tölpel, denn die Angepaßten Braven sind doch eher solche Schißer, denen das wünschenswerte Selbstbewußtsein ständig entgleitet, und dann jammern sie über sich, ihre mutlosen Depressionen und Wehwehchen. Ich bin der Ansicht, daß der ererbte genetische Faktor, völlig unterschätzt wird. Und dann sind sehr Viele zu bequem ihr Großhirns, mit aller nüchternen Logik einzusetzen, denn sie lieben in erster Linie die Harmonie, weichen Kämpfen aus, bzw. kämpfen eben in der Hasen-Liga, setzen auf schnelle Flucht, um sich dann wieder in einer Sasse zu verstecken.

Atticus Finch / 19.03.2023

German Angst eben. Früher stand der Furor Teutonicus für die Deutschen, heute ist es die German Angst. Passt.

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