Rechtsextremismusexperten sind in diesen Tagen gefragt wie selten. Seit ein Mann des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke tatverdächtig ist, der offenbar zur gewaltbereiten rechtsextremen Szene gehörte und einschlägig vorbestraft war, verlangen deutsche Redaktionen nach Hilfe von Fachleuten. Seitdem wegen dieses Verdachts auch die Generalbundesanwaltschaft ermittelt, ist der Fall Lübcke für die meisten deutschen Redakteure eindeutig ein politischer Mord von rechts.
Feinheiten wie die Unschuldsvermutung oder die theoretische Möglichkeit, dass ein Rechtsextremist auch aus anderen als politischen Motiven gemordet haben könnte, muss man hintanstellen, wenn man nicht in den Verdacht geraten will, rechte Terrornetzwerke zu verharmlosen.
In diesen Verdacht wollen wir hier selbstverständlich nicht geraten, weshalb wir uns an dieser Stelle die Auseinandersetzung mit all den ungeklärten Fragen in diesem Fall ersparen. Da man hier ohnehin angesichts geringer Faktenkenntnis vor allem spekulieren muss, lässt sich das getrost auf einen späteren Zeitpunkt vertagen, zu dem es mehr gesicherte Informationen gibt.
Deutsche Redakteure aller Geschlechter wollen aber nicht so lange warten, denn die Warnung vor der großen Gefahr von rechts duldet keinen Aufschub. Auch für Differenzierungen zwischen rechts, rechtsradikal, rechtsextrem oder Neonazi ist angesichts eines Mordes keine Zeit und kein Platz. Der Feind steht rechts, egal wie rechts!
Differenzieren ist jetzt noch viel weniger en vogue
Dass es innerhalb des demokratischen Spektrums noch so etwas wie einen rechten Teil geben könne, war auch vor dem Lübcke-Mord unter deutschen Meinungsbildnern keine sonderlich populäre Auffassung. Differenzieren ist jetzt noch viel weniger en vogue. Im Gegenteil.
Kaum ein Kommentar kommt ohne irgendeine Verbindungslinie vom mutmaßlichen rechtsextremen Lübcke-Mörder zur AfD aus, während viele der vor die Kameras und Mikrophone geladenen Rechtsextremismus-Experten und Kampf-gegen-rechts-Aktivisten gleichzeitig beklagen, dass in den letzten Jahren immer wieder übersehen wurde, wie präsent und gefährlich der braune Terror in Deutschland eigentlich sei.
Letzteres will ich wirklich nicht kleinreden. Dass es gefährliche gewaltbereite Rechtsextreme gibt, gegen die die zuständigen Verantwortungsträger nicht in der angemessenen Konsequenz vorgehen, will ich nicht bestreiten. Ich weiß viel zu wenig von dieser Szene, als dass ich mir hier ein Urteil erlauben könnte. Und dieses Nicht-Wissen teile ich wahrscheinlich mit der Mehrheit der Bevölkerung. Aber natürlich weiß ich, dass auch Dinge, deren Existenz ich nicht wahrnehme, existieren können.
Ich frage mich nur, warum die meisten der jetzt beinahe hyperventilierenden Kämpfer gegen rechts uns in den letzten Jahren dann nicht genau auf diese Gefahren aufmerksam gemacht und davor gewarnt haben, anstatt sich fast ausschließlich an der AfD abzuarbeiten?
Verbalaktivisten mit pauschaler Gewissheit
Oder hat man berechtigte Warnungen nur nicht mehr wahrgenommen, weil das Nazi-Etikett durch seinen inflationären Missbrauch im Meinungskampf gegen Kritiker der unkontrollierten Zuwanderung oder der Islam-Ideologie kaum noch Aussagekraft besitzt? Es sind vor allem die lauten Maulhelden im Kampf gegen rechts, die dazu beigetragen haben, dass kaum jemand weiß, wie wirkmächtig gewaltbereite Rechtsextreme hierzulande nun tatsächlich sind.
Die Engagierten, die sich ganz konkret mit Rechtsextremismus und Rechtsextremen befassen, dringen leider selten in der Öffentlichkeit durch. Vielleicht, weil sie es in ihrer Arbeit gewohnt sind, zu differenzieren. Während die Verbalaktivisten der pauschalen Gewissheit folgen, dass der Feind rechts steht, loten die Praktiker erst aus, wie weit rechts der Punkt liegt, an dem eine für Freiheit und Demokratie gefährliche Zone beginnt. Die gegenwärtige Diskussion nach dem Lübcke-Mord folgt leider größtenteils nicht letzterem Weg, obwohl gerade eine solche Bluttat ein geeigneter Anlass dazu wäre.
Der Beitrag erscheint auch hier auf sichtplatz.de.
Beitragsbild: Lowdown CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Den Vogel schießt - wie ich finde - die F.A.Z. mit dem heutigen Kommentar von Jasper von Altenbockum mit der Überschrift "MORDFALL LÜBCKE - Die Falle der AfD" ab (Tipp: schnell lesen, sonst verschwindet er hinter der Bezahlschranke). Zitat: "Verrannt haben sich die Gaulands, Meuthens und Weidels, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass die Blase, in der sie sich bewegen und die sie rhetorisch aufgepumpt haben, die Szene mitumfasst, in der Gewaltphantasien und Extremismus zum Alltag gehören. Das kommt davon, wenn Grenzen überschritten, Tabus gebrochen und Anstandsregeln missachtet werden, die nicht im Grundgesetz stehen. Die Abwärtsspirale, auf der sie ihre Anhänger mitziehen, ähnelt sehr der am linken Rand: Sie sehen sich als Opfer einer Hetzjagd und klagen, sie würden in einen Topf mit Extremisten geworfen, für deren Taten sie nichts könnten." Von Letzterem kann, beispielsweise in diesem Kommentar, mitnichten die Rede sein (Ironie off). Wenn jemand an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten ist, dann die F.A.Z. bzw. Herr von Altenbockum. P. S.: Ich musste unweigerlich an die beiden Artikel von Herrn Kulke hier auf der Achse denken, in denen er darzulegen versuchte, dass der nur mäßige Erfolg bei den Europawahlen vor allem den eigenen Fehlern der AfD und keineswegs der massiven, unfairen und nunmehr seit vielen Jahren andauernden Anti-AfD-Meinungsmache eines Großteils der Medien zuzurechnen sei. Der heutige F.A.Z. Kommentar zeigt, dass die vielen Leserbriefe, die Herrn Kulkes Überlegungen zu Recht und zum Teil heftig kritisierten, richtig lagen.
Das wäre ungefähr so als wenn man jeden Mord an deutschen Frauen Linken Politikern in die Schuhe schieben wollte.
Was es in allen Berichten und Reportagen in den folgenden Tagen und Wochen nicht geben wird: Journalisten, die in Reportagen, Artikeln oder Twitterbeiträgen mit Hilfe der Statistik belegen, dass es wahrscheinlicher ist, an Herzversagen, Krebs, Verkehrsunfälle, ja sogar durch Selbstmord zu sterben, als zum Opfer eines politischen Mordes zu werden. Und warum? Falscher Täter, falsches Opfer. Man schaue beispielhaft nur mal den Twitteracount von Mario Sixtus an - der u.a. für das ZDF arbeitet und 2017 terroristische Anschläge mit einer geposteten Statistik relativierte und was er nun aktuell auf Twitter zwitschert, wenn der Täter aus der rechten Ecke kommt.
Nun, Noam Chomsky hat in seinem "Manufacturing con(s/t)ent" fünf Filter des Propagandamodells unserer "freien" Medien herausgearbeitet. Dazu gehört die scharfe Trennung zwischen "würdigen" und "unwürdigen" Opfern, wie auch die Ablenkung (flak). Der Beispiele sind Legion. Zunehmend deutlich.
Das öffentliche Deutschland steht politisch rechts von Claudia Roth und links von Robert Habeck. Das ergibt seehr viele Nazis. Ich frage mich, wann es den Verantwortlichen für dieses ideologische Nadelöhr dämmern wird.
Die Frage die sich nun stellt lautet, ob man überhaupt noch Fragen stellen darf, wenn die Massenmedien die Verhaftung eines rechtsextremen Gewalttäters melden? Oder macht man sich zum Mittäter einer widerlichen Ideologie, wenn man es wagt in einem solchen Fall kritische Fragen zu stellen? Hierzu sollte man sich vielleicht einmal an die Hexenjagd von Sebnitz, die Fußball-WM 2006 oder die Lebkuchenmesser-Mannichl-Geschichte erinnern, wo Bürger öffentlich als rechtsextreme Mörder vorgeführt und bloßgestellt (teilweise im Guantanamo-Stil) wurden, bei denen sich später herausstellte, dass es entweder keinerlei Beweise gab (Fußball-WM) oder dass es gar keine Straftat gegeben hat (Sebnitz und wahrscheinlich Mannichl). Es ist also leider tatsächlich schon vorgekommen, dass es nach einer angeblichen rechtsextremen Straftat zu einer massenmedial angeheizten Massenhysterie kommt und unser Staat sich in diesem aufgeheizten Klima die nächstbesten Mitbürger schnappt, die zufälligerweise zur falschen Zeit am falschen Ort waren, um öffentlichkeitswirksam ein Exempel zu statuieren, bis sich glücklicherweise doch noch ein nüchtern-rational denkender Justizmitarbeiter findet, der den Spuk beenden kann (wahrscheinlich unter hohem persönlichem Risiko). Die Antwort auf die Frage, ob man noch Fragen stellen darf, wenn es aus allen Propagandalautsprechern brüllt „rechtsextreme Gewalt“ lautet also: Nein, man macht sich nicht zum Mittäter, wenn man selbständig denkt und kritische Fragen stellt, das Gegenteil ist der Fall. Wer das selbständige Denken und kritische Hinterfragen einstellt, der macht sich zum Mitläufer und zur Marionette der Massenmedien. Und was mir im vorliegenden Fall irgendwie seltsam vorkommt, ist die in allen Massenmedien zu lesende / zu hörende Aussage, dass es DNA-Spuren des Täters an der Kleidung des Opfers geben soll. Ich frage mich, wie es bei einem geplanten terroristischen Mord mittels Schusswaffe zu DNA-Spuren an der Kleidung des Opfers kommen soll?
Darf ich DLF empfehlen. Hören Sie, staunen Sie, so geht Demokratie/Journalismus 2019 at it's "worstest". Hätte nie gedacht, dass man als Deutsche(r) so tief sinken kann.