In der Stadtbibliothek München fand gestern eine Vorlesestunde für Kinder mit Dragqueens und -kings statt. Eigentlich sollte auch das Transkind Julana auftreten. Alles an ihrem Fall wirft Fragen auf.
Der Aufschrei war groß, als herauskam, dass die Stadtbibliothek München Mitte Juni eine Vorlesestunde für Kinder mit Dragqueens und -kings plant. Viele fragten sich, ob Drag und Kinder zusammenpassen. Erst recht, wenn die Darsteller die dort vorlesen sollen, solche Namen wie „Eric Big Clit“ tragen. Geht es hier noch um Toleranz für alternative Lebensstile oder darum, Kinder ideologisch zu indoktrinieren? Drag sei eine Kunstform, argumentieren die Befürworter. Eine Kunstform, die sexuell konnotiert sei, argumentieren die anderen. Die CSU forderte im Bezirksausschuss ein Verbot der Lesung. Die AfD im Stadtrat zog nach. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hielt ein solches Verbot indes für „reichlich überzogen“, auch wenn er selbst nicht viel von der Lesung hält. Die Grünen stellen sich hinter die Veranstaltung.
Was in all dem Getöse, das sich vor allem am Namen „Eric Big Clit“ entzündete, vollkommen unterging, ist die Tatsache, dass neben den zwei Dragkünstlern „Vicky Voyage“ und besagtem „Eric Big Clit“ (der eigentlich eine Frau ist), auch geplant war, ein transsexuelles Kind vorlesen zu lassen. Wie die NZZ berichtete, handelt es sich um die inzwischen 13-jährige Julana, die als Protagonistin bereits Teil der WDR-Doku „Trans*: Der schwierige Weg ins eigene Geschlecht“ war.
Julana kam als Junge auf die Welt, fühle sich aber als Mädchen. Erstmals sei dies den Eltern klargeworden, als Julanas Vater vor rund vier Jahren eine Sendung über Transkinder im Fernsehen sah. Julana sei fasziniert von der Doku gewesen und habe ihrem Vater mitgeteilt, dass auch er gerne ein Mädchen sein wollen würde. Zu diesem Zeitpunkt ist Julana gerade einmal neun Jahre alt. Die Indizien, dass Julana im „falschen Körper“ geboren worden sei, hätten sich jedoch schon zuvor verdichtet. So habe Julana seine Mutter bereits mit vier Jahren gefragt, warum er keine Scheide habe. Auch habe er lieber mit Puppen als mit Autos oder Bauklötzen gespielt. Als ihm von seinem Umfeld nahegelegt wurde, dass Puppen nur etwas für Mädchen seien, habe er viel geweint und sei oft wütend gewesen. Julana hätte sich in dieser Zeit wie ein Mädchen verhalten, heißt es hierzu vom Vater.
Für einen kurzen Augenblick überlege ich, wie oft ich als kleines Mädchen gesagt habe, dass ich lieber ein Junge als ein Mädchen wäre, und wie froh ich bin, dass diese Aussagen zu Zeiten meiner Kindheit weder von überengagierten, pseudoprogressiven Lehrern noch von meinen Eltern ernst genommen wurden. Folgt man der Logik von Julanas Vater, müssten ich und vermutlich viele andere kleine Mädchen heute Transmänner sein. Ich habe, als ich acht bis neun Jahre alt war, nämlich gerne mit Autos gespielt, und der Bolzplatz war meine zweite Heimat. Blau war lange meine Lieblingsfarbe, und Mädchen fand ich zickig und doof, weshalb ich die Gesellschaft von Jungen vorzog. Nach aktueller Definition habe ich mich also wie ein Junge verhalten und wäre womöglich trans. Wer mich heutzutage sieht, weiß, wie absurd das anmutet.
Stetig wachsende Zahl der Verunsicherten
Es ist eine der vielen Widersprüchlichkeiten der heutigen Transideologie, die einerseits vorgibt, Geschlechterstereotypen abschaffen zu wollen und andererseits genau jene Stereotype in einzigartiger Art und Weise reproduziert. Wo man vorher noch angestrebt hat, blaues und pinkes Spielzeug für Jungen und Mädchen abzuschaffen, weil es besagte Stereotype bestätigen würde, unterteilt man heute wieder streng in mädchen- und jungenhaftes Verhalten. Jungs, die weinen, sind in dieser Welt nicht mehr bloß feminin oder gar einfach nur sensibel, sondern Mädchen und müssen dementsprechend im falschen Körper stecken. Für burschikose kleine Fräuleins gilt dasselbe – nur unter umgekehrten Vorzeichen. Altersbedingte Phasen werden nicht mehr als solche anerkannt. Alles ist bierernst und muss in einer Geschlechtsdysphorie begründet liegen.
In letzter Instanz strebt diese Ideologie damit auch die Abschaffung von Homosexualität an. Den lesbischen Tomboy gibt es in diesem Weltbild genauso wenig wie den femininen Schwulen. Was ist das anderes als eine großangelegte Konversionstherapie? Ein vermeintlicher Ausweg aus der gleichgeschlechtlichen Neigung, die immer noch mit vielen Anfeindungen verbunden ist? Die Zahl der tatsächlich an einer Geschlechtsdysphorie leidenden Menschen ist nicht gestiegen. Es ist die Zahl der Verunsicherten, die stetig wächst.
Zu welchem Teil Julana gehört, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, aber alles an ihrem Fall wirft Fragen auf. Zwei Bücher haben Julanas Eltern seit ihrem „Outing“ vor dem Fernseher herausgebracht. Eines für Erwachsene und eines für Kinder. Julana wird immer mehr zur öffentlichen Figur. Gemeinsame Lesungen mit Dragdarstellern sind nur die Spitze des Eisberges. Julana ist Kinderbotschafterin bei einer Transgender-Stiftung und tritt bei einer Charity-Gala auf, wo auch Menschen wie die transsexuelle Grünen-Politikerin Tessa Ganserer anwesend sind.
Der Wunsch als Vater des Gedankens
Das Transkind ist heute auch Geschäftsmodell. In den sozialen Medien tummeln sich mittlerweile die Accounts von Müttern und Vätern mit ihren Transkindern. Sie geben sich als Begleiter ihrer „besonderen“ Kinder, und doch lässt sich der Eindruck, dass hier Kinder auch zu Selbstdarstellungszwecken missbraucht werden, nicht von der Hand weisen. Münchhausen-Stellvertretersyndrom nennt man eine psychische Erkrankung, bei der Eltern Krankheitssymptome bei ihren Kindern provozieren, um sich selbst in den Vordergrund zu rücken. Es gilt als eine Form der Kindesmisshandlung. Bei Eltern von Transkindern hinterfragt man die Motive allerdings selten.
Auch deshalb scheint sich hier in Deutschland nicht wirklich jemand dafür zu interessieren, dass Julanas Vater seit Jahren im Vorstand eines Vereins sitzt, der sich neben Transgeschlechtlichkeit auch für Menschen einsetzt, die BDSM praktizieren. Nun sind sadomachistische Sexualpraktiken per se erst einmal Privatsache, allerdings bekommt das Ganze dann ein Geschmäckle, wenn der Online-Shop des Vereins Julanas Bücher direkt neben Sexspielzeug und anderen Utensilien für BDSM-Praktiken vertreibt. Ein von der NZZ gestellte Anfrage hierzu lässt Julanas Vater unbeantwortet.
Darüber hinaus stellt sich vor dem Hintergrund der väterlichen Interessen die Frage, inwiefern Julana eventuell einfach nur Dinge tut, von denen sie glaubt, dass ihre Eltern sie goutieren. Kinder hätten „ein natürliches Bedürfnis, ihren Eltern zu gefallen“, gibt Alexander Korte, leitender Oberarzt an einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in München gegenüber der NZZ zu bedenken. Oder anders gesagt: Vielleicht war hier auch der Wunsch der Vater des Gedankens.
Höchstwahrscheinlich kein Zurück
An den Konsequenzen für Julana ändert das, trotz aller berechtigten Zweifel, nichts. Seit einiger Zeit erhält sie Pubertätsblocker. Was von Transaktivisten häufig als harmlos dargestellt wird und wie der Queerbeautragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, verlautbarte, lediglich den Stimmbruch und Bartwuchs stoppen soll, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als echter Hammer und kommt einer chemischen Kastration gleich. Tatsächlich handelt es sich sogar um dasselbe Mittel, das auch bei Pädophilen im Rahmen einer solchen eingesetzt wird. Bei jungen Menschen steht die Hormonbehandlung im Verdacht, auf Dauer unfruchtbar beziehungsweise zeugungsunfähig zu machen. Für Julana gibt es also höchstwahrscheinlich kein Zurück. Selbst wenn sie sich eines Tages doch dafür entscheiden sollte, als Mann zu leben.
Es fällt schwer, das Wort Kindesmissbrauch an dieser Stelle nicht in den Mund zu nehmen. Ab 14 Jahren sollen Kinder in Deutschland künftig mit Zustimmung der Eltern geschlechtsangleichende Maßnahmen vornehmen können. Ganserer, anderen Politikern und Trans-Aktivisten geht das nicht weit genug. Sie wollen die elterliche Mitsprache gänzlich streichen.
Für Julana macht auch das keinen Unterschied. Sie wird weiter wie ein Zirkuspony von Manege zu Manege geführt werden. Nur dieses Mal nicht. Bei der Lesung in München, die gestern stattfand, nahm sie laut eigenen Angaben aus Angst vor Gewalt nicht teil.
Anabel Schunke schreibt als Kolumnistin unter anderem für die Schweizer Weltwoche. Mehr über sie finden Sie auf ihrer Facebookseite und bei Twitter.