Migrationsströme von Klimaflüchtlingen sind längst im großen Stil im Gange – allerdings anders als gedacht. So erwarben Nord- und Mitteleuropäer Häuser in Spanien, der Provence oder der Toskana, in den USA haben sich viele Millionen Amerikaner in den letzten Jahrzehnten in den warmen südlichen Staaten oder auch in Mexiko angesiedelt. Vom Massen-Tourismus ganz zu schweigen: Marokko zählt pro Jahr etwa 10 Millionen Besucher, die die Sonne genießen, Südafrika ebenfalls; in Tunesien sind es rund 5 Millionen.
Speziell die Deutschen sind jedes Jahr auf der Flucht vor den Unbillen des Klimas und suchen in zweistelligen Millionenzahlen in Spanien, Italien oder Griechenland vorübergehendes Regenwetter-Asyl. Die Wiege der Menschheit liegt in den Tropen; wir sind eine Wärme liebende Spezies. Mobilität und moderne Kommunikationsmittel erlauben es immer mehr Menschen, sich die klimatischen Bedingungen auszusuchen, unter denen sie leben. Und die meisten wollen dorthin, wo es schön warm ist.
Viele von denen sind im Moment ein wenig enttäuscht, weil es nun zuhause in Deutschland für ein paar Wochen genauso warm war wie sonst in Südeuropa oder Afrika. Mit pawlowscher Gesetzmäßigkeit wird spätestens nach zwei Wochen Sonnenschein in Deutschland die Klimakatastrophe ausgerufen, genauso übrigens wie an Weihnachten, wenn der Schnee nicht leise rieselt.
Da wir uns im übrigen im medialen Sommerloch befinden, bietet es sich an, zwei Dinge miteinander zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, fährt gleich ganz schweres Geschütz auf und sagte in einem Interview mit der Welt am Sonntag : „Wir brauchen eine Debatte über weitere Fluchtgründe: Zum Beispiel für die Menschen, deren Lebensgrundlagen durch die Klimakrise komplett zerstört wurden“.
Der deutsche Michel und seine gefräßigen Komplizen
Die Klimakarte wird jetzt vor allem deshalb gezogen, weil sich bis zu den Grünen herumgesprochen hat, dass das Volk allmählich ein wenig misstrauisch wird ob der bislang massenhaft vorgebrachten Fluchtgründe. Es lässt sich ja nicht mehr von der Hand weisen, dass eine ganze Menge derjenigen, die zu uns kommen, dies aus rein wirtschaftlichen Gründen tun. Aber auch die Tatsache, dass einige, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, in eben diese Länder zwecks einer Urlaubsreise zurückkehren, hat die Vertrauensbasis in die jeweiligen Argumente etwas geschmälert.
Im Grunde sollten ja in linksgrüner Lesart alle willkommen sein, wegen der Schuld des weißen Mannes, die dieser in der Kolonialzeit und bei der Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt auf sich geladen hat. Der Freundeskreis Dritte Welt hat uns Jahrzehnte ungefähr folgendes eingebläut: Der deutsche Michel und seine fresssüchtigen Komplizen aus den reichen Ländern bereichern sich aktiv an der Not der Ärmsten. Bildlich gesprochen nehmen wir den darbenden afrikanischen Kindern den Hirsebrei weg und verfüttern ihn seelenruhig an die Katze. Wir sind schuld, das war so ausgemacht zwischen Mutter Teresa und Heinrich Bedford-Strohm.
Nun gibt es unter Fachleuten schon länger eine differenzierte Diskussion darüber, ob das überhaupt stimmt – und zwar nicht nur hierzulande, sondern beispielsweise auch in Afrika. Schon seit mindestens 20 Jahren könnte man es besser wissen. Damals schrieb der Politikwissenschaftler Siegfried Kohlhammer: „Dass wir auf Kosten der Dritten Welt leben, ist ein weitverbreitetes Vorurteil bei Linken und Grünen aller Art, weltoffenen Christen, Friedensfreunden, Menschen guten Willens von der CDU bis zur RAF, Verfassern schöngeistigen Schrifttums und deren sensibler Leserschaft, kurzum den edlen Seelen.“ In seinem Klassiker (Auf Kosten der Dritten Welt?) stellt Kohlhammer fest: „Die Beliebtheit der Ausbeutungsklage ist nicht den Fakten zu verdanken, sondern moralischer Einschüchterung sowie einem Meinungsklima politisch-moralischer Korrektheit.“
Richard Reichel, Volkswirtschaftler aus Erlangen, beschrieb etwa zur gleichen Zeit in seinem Buch Markt oder Moral? das Elend als „hausgemachtes Problem“ und verwies auf „wirtschafts- und entwicklungspolitische Fehler, die nach dem Ende der Kolonialzeit begangen wurden“. Der Dritte-Welt-Bewegung attestierte er das ängstliche Bemühen, „den Kontakt zur ökonomischen Fachliteratur zu meiden“. Axelle Kabou, Afrikanerin aus Kamerun, schrieb in ihrem Buch „Weder arm noch ohnmächtig“ sarkastisch über „die Humanitätsduselei des Westens mit seiner historischen Schuld“. Und sie wunderte sich: „Man könnte fast meinen, es gebe ein stillschweigendes Verbot, die Situation Afrikas direkt mit dem Verhalten der Afrikaner in Zusammenhang zu bringen“. Und sie fügte bissig hinzu: „Es wird darum gebeten, ein gewisses Maß an Kritik nicht zu überschreiten, da sonst die historische Verantwortung des Westens verlorengehen könnte.“ Nachsatz: „Schließlich geht es um die Leibrente.“
Die Ankläger retten sich gern in die Ökologie
Aktuell setzt sich unser Autor Volker Seitz, Afrika-Kenner und zuletzt Botschafter in Kamerun, auf Achgut.com immer wieder mit diesem Themenkomplex auseinander. Zum Beispiel in folgenden Texten:
Wer sind die Schuldigen an den Flüchtlingsdramen?
Eine große Afrika-Aufklärung
Was treibt die Afrikaner außer Landes?
Afrikas Korruption, Deutschlands Blindheit
Militanter Egoismus in der Entwicklungshilfe
Werden die ökonomischen Argumente problematisch, so retten sich die Ankläger gerne in die Ökologie. Auch in der Dritten Welt selbst wurde das Argument der ökologischen Ausbeutung verständlicherweise mit Gusto aufgegriffen, erlaubte es „doch neue Schuldzuweisungen nach außen“, schrieb schon Siegfried Kohlhammer im Anhang seines Buches, „zumal das im Westen erneut auf Schuldbereitschaft und Bußfertigkeit traf.“
Was globale Güter wie die Atmosphäre angeht, so verbrauchen die Industrieländer pro Kopf tatsächlich erheblich mehr davon als arme Nationen. Für die Ausbeutungsvorwürfe der Vergangenheit spielt dies aber keine Rolle. Und was die Gegenwart anbetrifft, so verzerren die einfachen statistischen Aufrechnungen mitunter die Verhältnisse. Selbst tropische Früchte und Bananen werden nicht zu uns gezaubert, sondern kommen energie- und CO2-intensiv per Schiff, Flugzeug und Lastwagen. Verzichten die Europäer nun zugunsten des Klimas, so bleiben die Länder in Südamerika oder Afrika auf ihrer Ware sitzen.
Dennoch werden steigende Meeresspiegel und Dürren jetzt wieder als Fluchtgründe ausgepackt. Und zwar unmittelbar, „weil Lebensgrundlagen durch die Klimakrise komplett zerstört wurden“, wie Frau Göring-Eckardt meint (siehe oben). Doch auch von dieser Behauptung bleibt nicht viel übrig.
Tatsächlich werden weltweit Millionen von Menschen durch die Kohleförderung oder den Bau von Talsperren aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben. Umsiedlung in großem Stil ist längst Alltag auf dem Planeten – und oft genug ein Skandal. Doch das hat mit dem Klima nicht viel zu tun, oft im Gegenteil, etwa bei Talsperren, die ja gerade im Namen des Klimaschutzes errichtet werden. Sicherlich darf man auch die Probleme, vor die beispielsweise Menschen in den arktischen Regionen gestellt werden, nicht einfach abtun. Der Klimawandel kann beispielsweise die Jagdgewohnheiten der Inuit beinträchtigen, am Rande der Permafrostregionen richten mildere Temperaturen Schäden an Gebäuden und Straßen an. Dennoch geraten die tatsächlichen Probleme der Menschen durch die Fixierung auf das Klima vollkommen aus dem Blick. Die sind nämlich viel stärker sozialer und ökonomischer Natur.
Alkoholismus, Depression und Gewalt
Die Klimakatastrophe als Ausrede für staatliches oder gesellschaftliches Versagen ist ganz groß im Kommen. So haben die kanadischen Inuit eine deutlich geringere Lebenserwartung als die übrigen Bewohner des Landes, sechsmal so häufig Tuberkulose, die Arbeitslosigkeit ist viermal so hoch, der zahlreiche Nachwuchs erreicht selten eine höhere Schulbildung. Alkoholismus, Depression und Gewalt sind an der Tagesordnung – und dies schon seit Jahrzehnten. Keine ethnische Gruppe in der ganzen westlichen Welt hat eine so hohe Selbstmordrate wie die Inuit. Die Gründe dafür sind vielschichtig, vor allem ist es nicht gelungen, den jungen Ureinwohnern eine vernünftige Ausbildung und Perspektiven zu geben. Doch anstatt über sozial- und strukturpolitische Versäumnisse zu reden, zeigen die Verantwortlichen lieber auf den Klimawandel. Der Niedergang der Inuit-Kultur begann jedoch lange bevor die Temperaturen anstiegen.
Mehr und mehr bildet sich auf der Welt ein Klima-Determinismus heraus, der für seit langem bekannte Missstände eine bequeme neue Begründung liefert. So machen hartnäckig Meldungen die Runde, der Inselstaat Tuvalu sei das erste Land, das der Klimakatastrophe zum Opfer fallen würde. Die Aktivisten vom Washingtoner „Earth Policy Institute“, machten schon 2001 mit der Behauptung Schlagzeilen, wegen des steigenden Meeresspiegels müsse der Inselstaat aufgegeben werden, Neuseeland weigere sich aber, die 11.000 Flüchtlinge aufzunehmen.
Eine Recherche ergab: Weder hatten Bürger Tuvalus Klima-Asyl in Neuseeland beantragt, noch war es abgelehnt worden. In der Region von Tuvalu war der Meeresspiegel seit 20 Jahren praktisch nicht angestiegen, die Messgeräte der australischen „National Tidal Facility“ zeigen absolut nichts ungewöhnliches. Der damalige Leiter des Institutes Lester Brown entschuldigte sich dann: „Hier hat ein voreiliger Bericht zu einer längst überfälligen Diskussion geführt. Auch wenn die Umsiedlung noch nicht bevorsteht, sind die Pazifikinseln bedroht. Die Bewohner von Tuvalu leben zu recht in Angst.“ Und so geht das seit 20 Jahren immer weiter, zuletzt wurden die ollen Kamellen 2017 beim Klimagipfel in Bonn ausgepackt.
Obwohl der Meeresspiegel immer noch nicht ungewöhnlich steigt, spielt inzwischen die Regierung von Tuvalu das Spiel begeistert mit. Sie hat jetzt auch Angst vor dem Klimawandel. Damit lässt sich erstens Schadensersatz von den reichen Ländern fordern und zweitens von den hausgemachten Problemen ablenken. Tuvalu hat eine der höchsten Geburtenraten aller Südseestaaten und ist doppelt so dicht bevölkert wie Deutschland. Das Wasser wird wegen des hohen Verbrauchs knapp, aber auch, weil tiefe Müllgruben das Grundwasser kontaminieren. Die Küste erodiert vor allem, weil Korallenriffe gesprengt wurden und am Strand Sand für die lokalen Bauunternehmen weggebaggert wird.
Keine Klimaopfer, sondern Leidtragende konkreter Missstände
Ein sehr schönes Beispiel für die an diesem Punkt oft vollkommen schräge Klimadiskussion lieferte auch der heiße Sommer 2003 in Frankreich. Die sozialen Missstände, die im damaligen Sommer vielen tausend alten Franzosen das Leben kosteten, waren seit langem bekannt. 80 Prozent der französischen Altenheime litten unter eklatantem Personalmangel, der sich in den Urlaubsmonaten noch verstärkte. Nicht die Hitze an sich, sondern die absolut unzureichende Betreuung führte zum Tod. Hinzu kamen allein lebende alte Menschen, die von ihren urlaubenden Angehörigen ohne Betreuung zurückgelassen wurden. Das waren keine Klimaopfer, sondern Leidtragende von ganz konkreten Missständen wie Armut und Isolation. Das Klima als Sündenbock ist natürlich viel bequemer.
Den vorläufigen Vogel abgeschossen in Sachen „Das Klima ist schuld“ haben 2005 Javier Solana, seinerzeit Beauftragter für die EU-Außenpolitik, und Ban Ki-moon, seinerzeit UN-Generalsekretär. “Darfur ist der erste Konflikt, zu dessen Ursachen im weiteren Sinn auch der Klimawandel zählt,“ kommentierte Solana das Morden der arabischen Reiterhorden im Sudan. Ban Ki-moon macht ausbleibende Niederschläge in Folge des Treibhauseffektes für die Situation verantwortlich. Dabei befanden sich die Politfunktionäre nicht nur auf Kriegsfuß mit dem gesunden Menschenverstand, sondern auch mit der Klimaforschung. Der Sahel sollte, den gängigen Modellen zufolge, bei einer Erderwärmung eher mehr Niederschlag abbekommen als bisher. NASA-Forscher haben die Klimaentwicklung der Region mit den Berechnungen der IPCC-Modelle verglichen und kommen zu dem Schluss: „Treibhausgase spielen keine oder nur eine geringe Rolle für den zwischen 1950 und 1999 beobachteten Trockenheits-Trend“.
Wer aktuelle Konflikte wie den in Nigeria richtig einordnen will, kann auf achgut.com etwa Gunnar Heinsohns Beitrag „Warum der Krieg in Nigeria nicht aufhören wird“ nachlesen. Über die Ursache der Auseinandersetzungen schreibt er: "Herdenwirtschaft benötigt viel mehr Land als Pflanzenproduktion. Beide benötigen ein Vielfaches dessen, was für Industrien und Dienstleistungen erforderlich ist. Bleibt eine Bevölkerung stabil, kann das nur langsame Wachstum der modernen Wirtschaftszweige unproblematisch bleiben. Doch mit Nigerias Sprung von 40 auf 200 Millionen Menschen seit 1950 sind die attraktiven Weide- und Ackerflächen längst knapp geworden.Es kann nur enger werden, weil bis 2050 sogar 410 Millionen Menschen erwartet werden".
Mit dem Klima hat das aber so gut wie nichts zu tun.
Das Bestreben von Medien und Politikern wie Katrin Göring-Eckardt, die Klimaerwärmung zu dramatisieren und für die Flüchtlingsdebatte zu instrumentalisieren, führt so zu Verharmlosung und Vertuschung der tatsächlichen Probleme. Die Argumentationskette lautet in etwa so: Das Klima ist am Völkermord in Darfur schuld. Wir sind an der Klimaerwärmung schuld. Also sind wir auch am Völkermord schuld. Oder am Krieg in Nigeria. Überhaupt an allem Elend in der Welt. Also müssen wir alle willkommen heißen. Darum geht es.