Ahmet Refii Dener / 23.03.2025 / 11:00 / Foto: Adil Kullanim / 14 / Seite ausdrucken

Der erste Bankräuber der Türkei war ein Gentleman

Anfang der 1960er-Jahre machte ein ausgesprochener Gentleman-Gangster in Instanbul Schlagzeilen. Die Militärregierung, die nach einem Putsch auch für Polizeiaufgaben zuständig war, fühlte sich gedemütigt.

Im Juli 1961, an einem heißen Sommertag in Istanbul, herrschte im Land noch der Ausnahmezustand. Die Auswirkungen des Militärputsches von 1960 waren weiterhin spürbar. An diesem Tag rollte langsam ein grüner Chevrolet Impala mit breiten Heckflügeln, Baujahr 1959, vor die Bugday Bank. Der Mann mit der dunklen Brille am Steuer ließ den Motor laufen. In diesem Moment stieg ein schlaksiger, großgewachsener Mann im Anzug mit dunkler Brille aus dem Wagen und betrat die Bank.

Er zog eine Sten Gun hervor, die er unter seinem Sakko versteckt hatte, und rief: „Keine Bewegung!“ Ein einmaliges Ereignis in der Türkei, denn es war der erste Bankraub des Landes. Der Gangster, der einem amerikanischen Film entsprungen sein könnte, war Necdet Elmas, der erste Bankräuber der Türkei. Er zog einen Beutel aus seiner Tasche und warf ihn zur Kassiererin hinüber: „Mach ihn voll!“ rief er. Die Kassiererin füllte den Beutel mit zitternden Händen mit 2.900 TL – eine damals beträchtliche Summe.

Necdet bemerkte nicht, dass der Bankdirektor nahe dem Ausgang saß. Dieser rannte hinaus und schrie um Hilfe. Necdet eilte hinterher, schoss in die Luft und rief: „Kommt mir nicht zu nahe, sonst seid ihr tot!“ Dann sprang er in den Chevrolet und entkam. Am nächsten Tag beherrschte er die Schlagzeilen der Zeitungen – ja, angeblich war ihm sogar eine ganze Seite gewidmet. Die Militärregierung, die nach dem Putsch auch für Polizeiaufgaben zuständig war, fühlte sich gedemütigt. Wie konnte so etwas geschehen, wo doch der Ausnahmezustand galt?

Am 18. August, um die Mittagszeit, hielt ein schwarzer Chevrolet Impala vor der Isbank in Kazlıçeşme. Wieder saß derselbe Fahrer am Steuer, und wieder stieg Necdet aus. Doch diesmal hatte er sich offenbar einen anderen amerikanischen Gangsterfilm als Vorbild genommen – er trug eine Strumpfhose über dem Kopf.

Wieder zog er seine Sten Gun und rief: „Keine Bewegung!“
Die Menschen erstarrten vor Angst. Er warf dem Kassierer erneut einen Beutel ins Gesicht: „Füll ihn auf!“
Diesmal lohnte sich der Überfall gewaltig: 165.000 TL* erbeutete er – ein Vermögen für die damalige Zeit. Dann sprang er wieder in den Chevrolet und verschwand.

Am nächsten Tag war er erneut das Gesprächsthema Nummer eins. Die Türkei sprach nur noch über Necdet Elmas. Weil er die Militärregierung bloßstellte, war die Bevölkerung eher auf seiner Seite als auf der der Behörden.

Doch nur 15 Tage später wurde Necdet im Istanbuler Stadtteil Darıca von Soldaten umzingelt und gefasst. Auf seinen Kopf war eine Belohnung von 100.000 TL ausgesetzt, was für einen Verwandten Grund genug war, ihn zu verraten.

Necdet blieb seiner Linie treu: Er bat die Soldaten, sich rasieren zu dürfen, weil er sich nicht in diesem Zustand zeigen könne. Sie ließen ihn gewähren. Anschließend zog er seinen besten Anzug an und ergab sich.

Später erfuhr man, dass Necdet ursprünglich Jura studierte. Doch als sein siebenjähriger Sohn erkrankte und er ihn aus Armut nicht versorgen konnte, brach er nach zwei Jahren das Studium ab und geriet auf die schiefe Bahn.

Eigentlich war er ein Autodieb, spezialisiert auf Chevrolets. Er wurde gefasst und zu elf Jahren Haft verurteilt. Doch er täuschte einen Herzinfarkt vor und wurde ins Krankenhaus gebracht. Als sich herausstellte, dass es ein Fehlalarm war, lud er seine Bewacher in ein Lokal auf einen Drink ein – das Toilettenfenster war breit genug für seine Flucht.

Nach den Banküberfällen wurde er schließlich erneut gefasst. Zu diesem Zeitpunkt war er mit der 20 Jahre jüngeren Sabahat, einer 19-jährigen Frau, verlobt. Als er vor Gericht stand, war er wie immer frisch rasiert, trug seinen feinsten Anzug und eine Wayfarer-Brille.

In den Gerichtsakten soll folgender Satz von ihm überliefert sein, den er vor der Urteilsverkündung äußerte:

„Sollte ich das hohe Gericht durch irgendeine Bemerkung beleidigt haben, möchte ich mich dafür entschuldigen und dies meinem derzeitigen Gemütszustand zuschreiben. Mir ist bewusst, dass Verbrechen Schmutz bedeutet – und die Strafe einem Badnehmen gleichkommt.“

Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, doch 1974 durch eine Generalamnestie begnadigt. Danach wurde er nie wieder straffällig.

Zunächst betrieb er einen Kiosk im Stadtteil Beşiktaş in Istanbul, später zog er in sein Heimatdorf in der Provinz Konya, wo er bis zu seinem Tod 2017 lebte.

(*) Der Wechselkurs 1961 betrug: 1 Türkische Lira = 0,03 USD. Folglich hatte er 4.950 USD an Gegenwert geraubt. Heutige Kaufkraft des Betrages aus 1961= 52.424 USD

Ahmet Refii Dener, Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.

Foto: Adil kullanım, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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W. Renner / 23.03.2025

Im Merz zu Berlin betrat auch ein grossgewachsener Mann im Anzug den Bundestag und sagte: „Füllt mir den Säckel“. Und alle Säcke füllten ihn, ohne Gegenwehr. Er wird jetzt wohl im Säckel ein Bad nehmen.

F.Lux / 23.03.2025

Klever wie Er war,hat er keine türkischen Lira sondern Teelöffel geklaut… Mein respekt :-)

Holger Kammel / 23.03.2025

Ach ja, Wie viee Frauen schreiben an Mörder und Vrgewaltiger? Gott, seid ihr intelligent.

Lutz Liebezeit / 23.03.2025

„Junge Araber, die sagen: Wenn wir hier in der Mehrheit sind, zeigen wir es den Deutschen“ Bassam Tibi; Welt Das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Mich beschäftig das rund um die Uhr. / Wie viele Türken, Araber, Polen, Afrikaner usw. setzen sich für die Deutschen ein? Den Herrn Tibi und den Herrn Dener ausgenommen? Die reiben sich ob der völkerfeindlichen Politik der Regierung und der Presse die Hände. Das Menetekel steht seit Jahrzehnten an der Wand. Gut, das stört jetzt das harmonische Bild, aber die Deutschen haben so ein Art, ins offene Messer zu laufen, daß es einen graust. Eben las ich den Vorschlag, die AfD solle sich als “demokratische Rechte” aufstellen. Ich frage mich seit langem, wo meine Landsleute ihren Dachschaden herhaben? Die anderen sind so flach und tun so, als wären sie nicht da. Kopf in Sand-Taktik. Hoffen die, daß der Sturm vorüber zieht? Die schieben ihre Gehmobile selbstzufrieden durch die Einbauküchen der 70er Jahre. Die haben eine Pflicht, nämlich für die Kinder, die sie diesem Horror aussetzen. Hat der Herrgott eigentlich das Recht, jemanden für seine Sünden zu strafen? Ist der Sache damit Genüge getan? Was ist mit dem Geschädigten? Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern? Wir können nur die Schuld vergeben, die man uns getan hat. Wir können aber die nicht Schuld anderer vergeben.

dr. gerhard giesemann / 23.03.2025

Gibt es Zeilengeld für solch schöne Geschichten?

Dirk Göske / 23.03.2025

Der Gentleman bittet zur Kasse. Schöne interessante Story. Danke dafür.

Hans-Joachim Gille / 23.03.2025

Vor den Jungtürken wäre es schwierig mit dem Abhauen gewesen, weil er, Danke der Bastonade, hätte wochenlang nicht laufen können.

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