Cora Stephan / 05.04.2017 / 06:25 / Foto: Moheen Reeyad / 40 / Seite ausdrucken

Der Elefant in meinem Land

Ich misstraue dieser Coolness. Diesem Mantra „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, dieser Aufforderung zum Mut, diesem „tun wir, als ob nichts wäre“: carry on as normal, heißt es aus London, don’t be cowed. Was als aufrechter Gang daherkommt, könnte man auch als Wegducken auslegen. Denn natürlich gehört es auch in einer Stadt wie London, die seit Jahrzehnten Terror erfahren hat, nicht zum ganz normalen Lebensrisiko, auf der Westminster Bridge von einem Auto niedergemäht zu werden, dessen Fahrer es offenbar darauf anlegte, Tote und Verletzte zu verursachen. Weshalb es schon ein wenig bizarr klingt, wenn sich heutzutage „Mut“ schon darin beweisen soll, dass man auch weiterhin über Brücken und Straßen geht, womöglich gar mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen.

So wenig ich von allgemeiner Hysterie halte, so seltsam finde ich das Fehlen normaler menschlicher Reaktionen: Erschütterung, Empörung, Wut und der Wunsch, dass das aufhört, das Schlachten. Und Trauer: in Deutschland dauerte es Wochen, bis es ein offizielles Zeichen der Erschütterung über die Toten auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gab. Wir lassen uns eben nicht erschüttern! Man kann ja nichts tun gegen so einen „Einzeltäter“, gell? Was da so entspannt daherkommt, ist die reine  Verlogenheit.

Waren wir nicht einst das Land der ständigen Betroffenheit? Der Lichterketten? Wo sind sie jetzt? Schon wenige Tage nach dem Terroranschlag in London ist das Thema in Deutschland aus den Schlagzeilen und man beschäftigt sich wieder mit den üblichen Aufregern – stets gern mit Donald Trump, zur Not auch mit den Wahlen in einem Land mit 800000 Stimmberechtigten. Ich halte das nicht für normal.

Sind also die Briten selbst schuld?

Kinder halten sich die Augen zu und glauben, dass sie so nicht mehr gesehen werden. Erwachsene ignorieren die Gefahr und glauben, dass sie an ihnen schon vorübergehen wird. „Es gibt keine absolute Sicherheit“, hört man sie sagen, das sind alles Einzeltäter, traumatisiert oder psychisch gestört oder unter Drogen – und war der Attentäter von London nicht ein gebürtiger Brite? „Home grown“ also, Terrorismus womöglich wegen Armut, Verzweiflung, Diskriminierung? Sind also die Briten selbst schuld? Oder war die Tat, wie die Polizei in London erklärte, eben „internationaler Terrorismus“, also Teil unserer allgemeinen “Weltoffenheit“, die wir uns nicht nehmen lassen?

Wieder steht ein Elefant im Raum, den alle zu übersehen trachten. Er heißt, ein schlichter Zweisilber: Islam. Nein, nicht Rasse oder Herkunft sind die bestimmenden Faktoren, die einen Menschen zum Terroristen machen, wie die einen meinen, auch nicht Armut und Diskriminierung, wie die anderen sagen: es gibt keinen Grund, sich mitleidig über das arme Opfer, den Täter zu beugen. Der Mann, der in London wahllos Menschen mit Auto und Messer attackierte, kam nicht aus Armutsverhältnissen. Er scheint ein Krimineller gewesen zu sein, der im Gefängnis zum Islam konvertierte und danach die übliche Karriere eines Dschihadisten antrat. Was ihn bewegte: eine Ideologie, keine Religion, die Ideologie des radikal verstandenen Islam. Und diese Ideologie scheint am besten zu gedeihen in abgeschlossenen Gemeinschaften wie Gefängnissen. Auch in Deutschland ist jeder vierte Gefangene ein Muslim – da scheint es manchen am wichtigsten zu sein, ihnen muslimische „Seelsorger“ zu verschaffen.

Dass auch die Familien eine Rolle spielen dürften, jedenfalls die, in denen Paternalismus und Orthodoxie herrschen, ist ebenso unbestritten. Nein, es gibt keinen „Generalverdacht“ gegen Muslime, wie einige jetzt wieder furchtsam wähnen. Es gibt allerdings den durch viele Untersuchungen begründeten Verdacht, dass der Islam eine Weltsicht befördert, derzufolge diejenigen, die nicht zu den Rechtgläubigen gehört, nicht verdienen, am Leben zu sein.

Zivil, entspannt, befriedet, mit sinkendem Gewaltpotential

Vielleicht sollte man einmal ernst nehmen, was islamische Hassprediger in Deutschland in den Moscheen verkünden? Und vielleicht sollte man eine Kriegserklärung als solche erkennen, wenn man sie hört? Also sprach der türkische Staatspräsident:

„Wenn Sie sich weiterhin so verhalten, dann wird morgen weltweit kein einziger Europäer, kein einziger Bürger des Westens irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt die Straßen betreten können“

So gesagt am  22.3.2017 in einer Rede in Ankara. Cool, dass wir darauf gar nicht erst reagieren, wir lassen uns schließlich nicht provozieren, oder? Wahrscheinlich hält das deutsche Publikum solche eigentlich unmissverständlichen Worte für bloßen Theaterdonner. Postfaktisch, eben. Womöglich irren wir uns da.

Ich bin es leid. Ich will mein Europa, ich will mein Deutschland zurück – nicht das Klischee von Deutschland, das jene gern zeichnen, die das Land im Grunde verachten, sondern das, was es in den letzten Jahrzehnten geworden ist: zivil, entspannt, befriedet, eine alternde Gesellschaft mit sinkendem Gewaltpotential. Trotz mancher Absurditäten des Geschlechterkampfs: ein Land, in dem Frauen sich Respekt erobert haben, in dem sie sich nicht verstecken und verhüllen müssen, in dem die Nacht ihnen gehört, und nicht jungen Männern aus frauenverachtenden Kulturen. Ein Land der Meinungsfreiheit, in dem Religion Privatsache ist und niemand auf die Idee kommt, für seinen Glauben mit Gewalt kämpfen zu müssen. Ein Land, in dem der Islam keinen nennenswerten Einfluss hat.

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Wolfgang Johansen / 05.04.2017

Was für ein frommer Wunsch, der leider nie mehr in Erfüllung gehen wird. Wir befinden uns auf einer Talfahrt, die nicht mehr zu stoppen ist! Eines meiner drei Kinder ist bereits nach Neuseeland ausgewandert und dort so glücklich, dass über kurz oder lang auch der Rest der Familie folgen wird.

Heike Olmes / 05.04.2017

Liebe Frau Stephan, auch ich bin es unendlich leid, mir dieses Pfeifen im Wald anzuhören. Genauso wie die übliches Seufzer : ” Wird schon nicht so schlimm werden” und ” da kann man nichts machen !” Auch ich möchte mein schönes, sicheres Deutschland wiederhaben, das uns unsäglich inkompetente Politiker, devote Journalisten und selbstverliebte Gutmenschen weggenommen haben. Die Aussicht darauf ist niederschmetternd schlecht.  Rette sich, wer kann ins Ausland.

Gisela Gertig / 05.04.2017

Eine wunderbar treffende Situationsbeschreibung. Der letzte Absatz spricht mir vollkommen aus der Seele - mit einer kleinen Änderung: ich würde das “nennenswerten” einfach ersatzlos streichen.

Gunther Bartelt / 05.04.2017

Vielleicht sollte man einmal ernst nehmen, was islamische Hassprediger in Deutschland in den Moscheen verkünden? Das wäre zwar sinnvoll, aber eigentlich erst der zweite Schritt. Ich habe den Koran gelesen und mich sowohl mit der Scharia als auch den Hadithen befasst. Mit anderen Worten: Ich weiß, wovor ich Angst habe. Tatsächlich lehren die sog. Hassprediger lediglich, was genau so wörtlich im Koran steht. Der Kardinalfehler westlicher Politiker im Umgang mit dem Islam ist die Unterscheidung von Islam und Islamismus. Zur Verblüffung von Angela Merkel hat sie ausgerechnet Erdogan hierzu angeblafft und darüber belehrt, dass eine solche Unterscheidung für jeden Muslim eine Beleidigung sei, denn es gäbe nur den einen Islam. Ich bezweifele jedoch, dass Angela Merkel bisher auch nur eine einzige Seite des Korans gelesen hat, denn dann hätte sie Erdogan widersprechen können, als er ihr im selben Atemzug erklärte: Der Islam bedeutet Frieden.

Ernst Funder / 05.04.2017

Einfach großartig, wie Sie, liebe Cora Stephan, die Dinge wieder einmal auf den Punkt bringen. Ich habe es nie verstanden, warum die erste Reaktion auf die erschütternden Terroranschläge immer wieder lautete, “Wir lassen uns davon nicht beeindrucken”. Mich erinnert dieses medial gepredigte Verhalten in fataler Weise an die Bordkapelle der Titanic. Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu geraten, setzt nicht nur einen kühlen Kopf und gute Nerven voraus, sondern auch das richtige Erfassen der Lage und des Problems.

Wolfgang Kaufmann / 05.04.2017

Hinter dem Kellergesang „wir haben keine Angst“ steckt dialektisch gesehen eine Schweineangst. Wir sind bereits gelähmt wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Das erdrückende Gefühl darf nicht benannt werden; diese Prämisse erstickt jede offene Diskussion über die Ursachen und jede wirksame Abhilfe. Statt dessen ermüden wir uns auf den bedeutungslosen Schlachtfeldern der Alt-68er: Antiimperialismus und Antifaschismus.

Günther Kühnle / 05.04.2017

Frau Stephan, Sie schreiben mir vom Herzen. Man sollte eine Kriegserklärung als das benennen, was es auch ist, was der Gröfaz vom Bosporus am 22.03.17 von sich ließ... doch der Krieg tobt schon länger. Google und Islam und “kämpft gegen sie” und - an ihren Taten sollt ihr sie messen - der Blick auf die Straßen. Blond, naiv, gutmütig - so war meine Jugend. Langhaarig, friedlich…. vom Lande. Und dann erste Einzelfall-Bereicherungen mit unseren islamischen Goldstücken. Das war schon in den 90ern! Freunde wurden von islamisch-stämmigen Drogendealern - bis in den Tod - bereichert. Immer in Rudeln, immer gegen wenige… ich bin mir sicher, die einzige Sprache dieser Goldschätze besteht aus Wörtern wie Hass, Stärke, Verachtung…früher war ich vom Schlag: “wenn mir einer blöd kommt, ich kämpfe wie ein Tier, einen werde ich mitnehmen” - das hat mich sicherlich - nicht vor unangenehmen Begegnungen - doch vor körperlichen Verletzungen beschützt. Aber heute, älter und schwächer? Schützen mich Tränengas und Gebete. Wo sind die Lichterketten der “Kein Blut für Öl Heuchler” aus den 90ern? Ich will mein altes spießiges Deutschland zurück, wo ich für mein Aussehen (lange Haare, Lederkutte) und nicht für meine Herkunft diskrimiert (Deutscher Christ, “weniger Wert als ein Schwein”) wurde, ich will mein Land wieder, wo Tiere nicht beim lebendigen Leib sadistisch für Lebensmittel geschlachtet wurden - gequält. Ich will mein Land wieder, wo solche Sadisten keinen Platz hatten. Ich will mein friedliches Land wieder, als Grüne und SPD noch Lichterketten gegen Krieg durchführten - und nicht Kriege durchführten, so wie heute, wo Juden wieder bedroht werden und eben jene am lautesten Nazi-Schreier am stillsten zum herauf ziehenden Holocaust schweigen.

Michael Kühn / 05.04.2017

Genau das ist es was der stillscheigende Grossteil der deutschen Bevölkerung will. Man kann nur hoffen, dass dies die Menschen am Wahltag in Erinnerung haben

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