Gunnar Heinsohn / 20.07.2020 / 06:19 / Foto: Pixabay / 121 / Seite ausdrucken

Der Elefant im Brüsseler Verhandlungsraum

Die elterliche Garage, in der spanische Tüftler den Prototyp eines Smartphones fertigstellen, der Huawei und Samsung das Fürchten lehrt, gibt es nicht. Man weiß das, weil private Kapitalgeber ein solches Team längst entdeckt und gegen Übernahmeversuche abgeschirmt hätten. Spaniens enormer Brain Drain, in dem seit der Finanzkrise von 2008 rund zwei Millionen der Besten das Weite gesucht haben, erlaubt auch für die Zukunft keinerlei Schwärmereien. Nirgendwo in Europa findet man heute noch verborgene Brutstätten für Hightech-Höhenflüge. Das Verschenken von 500 oder – Gott bewahre! – sogar nur 450 oder 400 Milliarden Euro – zum „Ankurbeln“ oder „Wiederaufbau“ der Wirtschaft nach Corona erzeugt keine markterobernden Innovationen, die ansonsten unterbleiben würden. 

Natürlich kann Spanien mit seinem Anteil von 77,3 Milliarden Euro chinesischen Firmen Aufträge für eine pünktlich fertig gestellte Eisenbahnschnellstrecke zwischen Andalusien und Galizien erteilen. Hypermoderne Fabriken wird das in keinem der Landesteile hervorbringen. Sie stecken längst in vorzeitiger Deindustrialisierung. In diesem Vorgang verliert eine Region ihre angestammte Industrie gegen überlegene ausländische Konkurrenz und hat danach kein Personal für das Erklimmen eines technologisch höheren Niveaus. So kann Spanien den 19.000 PCT-Patentanmeldungen Südkoreas (2019) – ungeachtet fast gleichgroßer Bevölkerung – nicht einmal ein Zehntel davon entgegenstellen. Hat Südkorea bei TIMSS 2015 unter 1000 Kindern 409 mathematische Begabungen, so begnügt sich Spanien mit 34 auf 1000 wiederum mit weniger als einem Zehntel davon. Man soll da nicht vorschnell eine Erfolgsformel hineinlesen, aber einen Konnex zu bestreiten, wäre schon leichtsinnig. Ökonomen und Politikern allerdings soll man die Unkenntnis solcher Zusammenhänge nicht vorhalten. Sie wurden ihnen im Studium schlichtweg nicht nahegebracht.

Man kann nachfühlen, dass Madrid jetzt feiern möchte und Unternehmer in Fernost von Aufträgen aus Südeuropa träumen. Doch womöglich argumentiert Mark Rutte als Regierungschef der Niederlande keineswegs ahnungslos, sondern raffiniert, wenn er beim Geschenkemachen zögert. Illusionär klingt er, wenn er auf Reformen im Süden beharrt. Das Problem ist dabei ja nicht ihre Unwahrscheinlichkeit, sondern ihre Wirkungslosigkeit im Bereich von Kompetenz und globaler Technologieführerschaft selbst für den Fall ihrer Umsetzung. Cleverer klingt da schon Ruttes Beharren auf einem Vetorecht gegen das Geldfließen, solange die bahnbrechenden Investitionen nicht sichtbar und dauerhaft auf den Weg gebracht sind. Da es mangels Kompetenz hypermoderne Produktionsstätten zwischen Bukarest und Lissabon nicht geben wird, könnten die Niederländer sich erst einmal neue Schulden ersparen, die für das Spenden der Milliarden ja nötig wären.

Deutschland hat verlorene Industrien nie zurückholen können

Viel Zeit aber haben auch die gescholtenen „Sparsamen“ nicht mehr. Dänemark. Finnland, die Niederlande, Österreich und Schweden stellen fünf der sieben von insgesamt siebenundzwanzig EU-Staaten, deren Kreditwürdigkeit noch mit Triple-A beziehungsweise mit 96 bis 100 Punkten bewertet werden. Zusammen mit Luxemburg und Deutschland bescheren allein sie der Gesamt-EU ebenfalls ein Triple-A. Halten die Fünf mit ihren 45 Millionen Einwohnern ihre Taschen zu, müsste Deutschland allein für das Triple-A geradestehen. Das Land zwischen Rhein und Oder aber hat unter 1.000 Kindern nur noch 53 mit Mathematikbegabung – gegenüber 320 bis 500 in Ostasien.

Nach PISA 2018 erreichen seine Kinder mit Migrationshintergrund – fast vierzig Prozent des Nachwuchses – lediglich noch 477 Punkte gegenüber 519 bei den Alteingesessenen. Deutschland hat seine Roboter-, Kamera-, Computer- oder Telefonindustrien ja nicht für Höheres aufgegeben, sondern an die Konkurrenz verloren und mangels entsprechender Könner niemals zurückholen können. Wenn die Agenturen all das einmal herausfinden, entziehen sie aber nicht allein den Schuldpapieren Berlins, sondern der Gesamt-EU das Zertifikat der Mündelsicherheit. Wer in solche bisher „todsicheren“ Titel investiert hat, sie gar im Eigenkapital hält, muss sie dann abstoßen und so den EU-Finanzkollaps vollenden.

Mit der Ausnahme Österreich können die beizeiten abgesprungenen Triple-A-Länder problemlos einer längst konzipierten Nordallianz von Island über das United Kingdom bis nach Finnland und Estland beitreten. Sie gewönnen den britischen Nuklearschirm und entzögen Brüssel das Erpressungspotential gegenüber Boris Johnson. Umgehend würde die Rumpf-EU dem kläglich verweigerten Freihandelsabkommen mit London zustimmen, ja dieses erbitten, weil sie sonst auch noch die skandinavischen Märkte verlöre.

Innerhalb Großbritanniens wiederum würden die Schotten ihren Separatismus dämpfen, um nicht plötzlich als einziges zahlendes Nordlicht für den Süden übrig zu bleiben. Nicht allen, aber vielen wäre geholfen. Auch für den kontinentalen Rumpf gäbe es Trost, weil seine noch verbliebenen Talente nahe gelegene Auswanderungsgebiete gewönnen und von dort doch auch einmal etwas nach Hause schicken würden.

Foto: Pixabay

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Richard Loewe / 21.07.2020

wir (Professorenehepaar) sind ausgewandert. In Europa werden die Lichter ausgemacht. Im Grunde stimme dem Autor ja zu, aber wenn ich chinesische Studenten sehe, sehe ich meistens hirnlose Auswendiglerner, die so gar nichts Eigenes auf die Reihe bringen. Es reicht halt nicht, Mathematik zu koennen.

A. Ostrovsky / 20.07.2020

Ich erinnere mich an den Niedergang der Handyproduktion bei Siemens. Da hatte ein Adliger in der Führung eine fixe Idee. Man hatte zwar den anstehenden Schwenk zu den Smartphones verpennt, aber die EU veröffentlichte zum Glück eine Aufstellung über die Höhe des Durchschnittslohnes in den einzelnen Ländern der EU. Da war Rumänien mit 1,83 Euro pro Stunde der niedrigste Wert. Da kam ein Herr P. auf die Idee, man könnte doch die Software für die neue S60 Generation in Rumänien entwickeln lassen. Die weiteren Schritte erspare ich uns hier. Dieser Herr von P., der einfach ein Jahrzehnt zu spät in die Remte gegangen ist, wie die anderen Querköpfe seines Jahrganges, hat noch nicht einmal begriffen, dass man Software-Profis nicht für den Durchschnittslohn bekommt. Der Durchschnitt in den heruntergekommenen Agrarstaaten des Ostblocks war nicht zuletzt deshalb so niedrig, weil es dort nahezu gar keine Software-Profis gab, von ein paar hochstapelnden Dilettanten abgesehen, die von einem windigen Sozialpädagogen aus DE promotet werden. Das geht parallel mit dem Wahn der IT-Inder oder der puren Beleidigung für Deutsche, denen man keinen Job gibt, denen man aber erzählt, in Afrika und Afghanistan warten die jungen Ärzte. Auf die Idee, vielleicht Softwarentwickler aus Deutschland zu beauftragen, kam der Herr von P. schon aus Prinzip nicht. Er wollte den Deutschen zeigen, dass er auf die überhaupt nicht angewiesen ist. Die Handysparte von Siemens wurde aus purer Hybris einer ganz kleinen Kaste von BWL-Versagern geschrotet, die es geschafft hatten, an die Spitze eines Konzerns zu gelangen, und die sich dort viel zu lange festgehalten haben. Das war Methode Merkel: Alle wegloben, die einem nicht gnadenlos unterlegen sind, als Ersatz für das Lernen mit der Zeit. Machtdünkel statt Kompetenz, einsame Blödsinnsentscheidungen, aber am Ende die Anderen verantwortlich machen, wenn es schief geht. Bis dahin jeden Kritiker mundtot machen. Ich könnte noch andere Namen nennen.

Wolfgang Richter / 20.07.2020

@ Hartwig Hübner - Und Rotchina ist ganz vorne mit dabei, “uns” mit der neuen “Technologie” von sog. Impfstoffen gegen die von der WHO ausgerufene Corona-Pandemie (möglich nachdem die Pandemie- Bewertungen entsprechend geändert wurden) zu beglücken. Die werden im “Schnellwaschgang” hergestellt und genauso getestet, wie heute zu lesen war, im besonders belasteten Brasilien (sicher nicht bei den Geldbürgern), aber auch beim eigenen Militär. Und wer aus China ausreisen will, “dem werde angeraten” (schöne Formulierung in einer alles kontrollierenden Diktatur) , sich mit der neuen “Saft” der Nano-Technik “impfen” zu lassen. Aber ich vermute mal, daß sich auch hierzulande eine Mehrheit vertrauensvoll nach einer Schwurbelrede der Merkelin den “Saft” einspritzen lassen wird, so wie man vertrauenvoll die Kontroll-App aufs Handy lädt. Es besteht ja auch keinerlei Risiko, weil ja die im Schnellgang produzierenden Konzerne von der Haftung freigestellt sind und bei unangenehmen Nebenwirkungen, die Gesundheit belastenden Langzeitfolgen “unsere” tolle Regierung für eine Schadensregulierung garantiert, so wei weiland für die Sparkonten garantiert wurde. Den Hintergrund des Tollhauses, in dem wir gut und gerne leben dürfen, sogar ein paar Freiheiten zurück bekommen, wenn wir brav sind, will offenbar kaum jemand erkennen.

Frances Johnson / 20.07.2020

@ S.Barthel: Ja gut, mit dem Abi mögen Sie Recht haben. Sagen wir, das, das wir bereits haben, das duale System, kann weiterführend sein. Fakt ist, wenn wir als Land bestehen möchten, müssen wir schützen, was wir haben, und das war und ist in Teilen immer noch exzellentes Handwerk. So gesehen, müssten wir auch zurück zu einem mechanischen Auto, wenn es auch ein Nischenprodukt wäre. Was geht an meinem Mercedes, auf dem Weg zum Youngtimer, am häufigsten kaputt?: Die Elektronik. Sonst ist der 1a. Dazu kommt: Wenn ich daran denke, was an den in China produzierten Geräten alles schnell defekt ist, pfeife ich auf die von Professor Heinsohn ständig in Endlosschleife beschworene Mathemathikperformance. Es gibt noch andere Dinge im Leben als Mathematik, Digitalisierung und IT, und es muss darum gekämpft werden. Mit Respekt für alle meine Handwerker, die ich je hatte.

Klaus Matschke / 20.07.2020

@Hartwig Hübner: “Wer finanziert heimlich die Zerstörung unserer Lebensqualität? Rotchina bspw..”. Nöö, dazu wird nicht Rotchina oder sonst wer gebraucht. Das machen wir selber. Über die Nullzinspolitik sind Sparer und Rentner voll dabei. Über immer mehr Abgaben auf Energie, Bürokratiegebühren, und unnötige Kosten durch die Panikindustrie sowie Sozialindustrie auch alle anderen. Also wählen 87% nicht nur die Astsäger, sondern sie bezahlen es auch noch.

Rupert Reiger / 20.07.2020

Die Milliarden werden als Strohfeuer sinnlos verpuffen. Gibt es einen Grund, warum es anders als mit Draghis Milliarden sein sollte? Die Mutter aller Krisen oder das Ende des Großversuchs Demokratie: Ausgangspunkt ist der Machtgewinn von profilneurotischen Politikern durch Wahlversprechen auf Pump! ALLES WEITERE FOLGT DARAUS!!! So ist die Folge eine maximale Staatsverschuldung. Die Folge sind Minuszinsen „alleine“ zum Verhindern des Staatsbankrotts! Negativzinsen führen zu Vertrauensverlust, dem schlimmsten Verhinderer von Investitionen! Erwartet jemand 20% Gewinn, dann nimmt er dafür auch einen Kredit von 10% auf. Aber niemand investiert ohne Gewinnerwartung, nur weil die Zinsen negativ sind, das ist Schwachsinn!!! Zehn erfolglose Jahre von Draghis QE sind der Beweis! Und jetzt Corona: Man verschuldet die Demokratien maximal, damit Corona schuld ist und nicht die Politik. Mein Gott, wie schlau ist das denn? Und das alles sinnlos ohne einen positiven Effekt für die Wirtschaft. Die Demokratien werden im Staatsbankrott enden oder im Sozialismus verarmen. Denn es sind immer die großen Zyklen oder warum es keine Schreibmaschinenfirmen mehr gibt: Deutschland und Europa haben den Mega-Innovationszyklus Software verpasst. Der Zyklus Software wird alles durchdringen, weltweit und schneller kommen als die industrielle Revolution des 18./19. Jahrhunderts und folgende Zyklen (Elektrizität/Auto, Computer). Aktuell hat die KI-Firma Alphabet 117 Milliarden US-Dollar cash (!!!) und Apple hatte 225 Milliarden. Die finanziellen Möglichkeiten chinesischer Firmen sind noch größer. Zum Vergleich: Der Wert von BMW beträgt 41,8 Milliarden Euro. Unter den 10 wertvollsten Firmen der Welt sind 6 Softwarefirmen, nur noch ein deutsches Unternehmen ist unter den Top 100: SAP und, Toyota als einziger (!!!) Autohersteller. So wird der Innovationszyklus Software unser Leben weltweit und schnell durchdringen. Europa hat/ist verloren. Das mathematische-asiatische Jahrhundert hat begonnen.

Arthur Duszynski / 20.07.2020

Es bleibt noch, den Segen des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, welches zu allem Übel die Verfassungsmäßigkeit dieser “Schuldenunion” staatstragend abnicken wird. Oder auch nicht. Aber bis das BerfG entschieden hat, wird das Geld eh längst ausgegeben worden sein.

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