Donald Trump macht vieles richtig, da würde ich ihm gern anerkennend auf die Schulter klopfen. Hinsichtlich der Ukraine bin ich aber maßlos erschüttert. Wie geht das zusammen?
Janus steht für die Dualität in den ewigen Gesetzen Schöpfung und Zerstörung, Leben und Tod, Licht und Dunkelheit, Links und Rechts, Gut und Böse, Zukunft und Vergangenheit, Anfang und Ende. So ähnlich steht es bei Wikipedia. Donald Jonathan Trump läßt mich sinnieren, ob das J wie Jonathan eigentlich das J wie der Janus des alten Roms bedeutet.
Donald Trump macht vieles richtig. Der woke Staat bedarf des Rückbaus ins Normale. Hierbei hilft ihm das US-amerikanische Beutesystem des obligatorischen Ämterraubzuges. Seine demokratischen und republikanischen Vorgänger machten es in unterschiedlichem Ausmaß ebenso. Für Democrats ist der Staat nur akzeptabel, wenn alle Posten durch Democrats besetzt sind. Für Republicans gilt derselbe heilige Grundsatz.
Ob dieses System schlechter als das deutsche System der nachhaltigen Postenbesetzung über die eigene Zeit von Regierungsgewalt hinaus ist, bezweifle ich nach meinen knapp 20 Jahren im Maschinensaal der deutschen Politik.
In den USA wird die Linie sofort geändert, in Deutschland kann es dem Apparat egal sein, wer über ihm meint, die Politik allein zu bestimmen. Tausende Beamte und Angestellte der jeweiligen Vorgängerregierung bestimmen noch lange Zeit nach dem Regierungswechsel indirekt die Richtlinien der Politik. Ist auch nicht wirklich schön.
Donald Trump macht aus meiner Sicht alles im Nahen Osten richtig. Die bisherige faktenfrei scheinende Politik der sogenannten Zweistaatenlösung, die Unterstützung der Terrororganisationen, das scheinheilige Spiel mit Israel seitens der Obama/Biden Administration und der diesbezüglich extrem unehrlichen EU sind katastrophal gescheitert. Donald Trump stellt die Weichen auf eine realere Politik. Frieden in Nahost kann es nur geben, wenn die Araber auf ihr Ziel der Vernichtung Israels glaubhaft verzichten. Gaza muss aufgebaut werden, aber nicht durch die Hamas-Gazaner. Die bauen zuerst wieder Tunnel und Raketenstellungen. Dann beginnt der Holocaust wieder.
Meinungsfreiheit und Entfremdung
Donald Trump und vor allem J. D. Vance haben die Meinungsfreiheit auf die Agenda gesetzt. Die Partnerschaft der USA gibt es nur noch, wenn die Meinungsfreiheit im Sinne des ersten Verfassungszusatzes der Verfassung der Vereinigten Staaten auch in den Partnerstaaten gewährt wird. Auf diese Ansage habe ich schon länger gewartet.
Donald Trump versteht die wirre, auf den eigenen wirtschaftlichen Untergang fixierte EU nicht. Was hiesige Politiker als Transformation bezeichnen, ist nichts anderes als der mit den Mitteln von Propaganda, Vergewaltigung der Meinungsfreiheit, Zensur und Brandmauern angestrebte Umbau der europäischen und vor allem der deutschen Gesellschaft. In keinem Wahlkampf der Bundesrepublik stand die Frage an die Bevölkerung „Seid ihr für die Transformation?“ Durchgezogen wird diese trotzdem, die Ampel nannte sich sogar Transformationsregierung. Mit Demokratie hat das überhaupt nichts zu tun.
Sinnbild der Totalentfremdung zwischen Donald Trump und der EU und hier besonders zu Deutschland ist das Foto in der UNO, auf dem Bundesaußenminister Maas und sein Adjutant Heusgen den US-Präsidenten weltöffentlich auslachen. Bonmot der Geschichte: US-Vizepräsident Vance nahm die vergewaltigte Meinungsfreiheit in good old germany im Beisein von Heusgen aufs Korn. Es war Heusgens letzter Arbeitseinsatz für die Münchner Sicherheitskonferenz. Wenn das mal nicht symbolisch war.
Bis hierher klopfe ich Donald Trump auf die Schulter. Hinsichtlich der Ukraine bin ich maßlos erschüttert. Statt an die Vorgeschichte von Putins Krieg zu erinnern, an die Unabhängigkeit der Ukraine 1991, dem US-Zwang zur Abgabe der Atomwaffen nach Russland und an das Budapester Memorandum 1994, rezipiert der die Lügen und Märchen des KGB-Mannes. Will Donald Trump den Friedensnobelpreis um jeden Preis? Den wird er als Republikaner sowieso nicht bekommen, doch die Kriegsgefahr wird er erhöhen. Das Raubtier Putin wird gefräßiger, nicht zahmer.
Garantieversprechen für 20 Jahre
Ob Donald Trump Putins Äußerungen tatsächlich glaubt oder ob ihm manche Weltsicht einfach in den Kram passt, um Frieden zu erreichen – einen mörderischen Scheinfrieden – spielt dabei keine Rolle. Hier aktuelle Äußerungen:
Trump: „Wir befinden uns in einer Situation, in der es in der Ukraine keine Wahlen gegeben hat, dort herrscht Kriegsrecht … und Selenskyj hat, ich muss das leider sagen, nur noch vier Prozent Zustimmung.“
Während Trumps Rede starteten die russischen Streitkräfte, die der US-Delegation zuvor versichert hatten, sie hätten niemals ukrainische Energieanlagen angegriffen, Angriffe auf Odessa und die dortigen Umspannwerke.
Trump sagt, dass Selenskyj den Krieg mit Russland "niemals hätte beginnen dürfen". Und was ist mit Russland? Was ist mit den Garantien, die die USA der Ukraine einst gaben?
In den 90er Jahren opferte die Clinton-Administration ihrer Russlandgefälligkeit wegen die Ukraine auf dem Altar einseitiger nuklearer Abrüstung. Bill Clinton und Joe Biden zwangen den sowjetischen Nachfolgestaat zur Abgabe seiner Atomwaffen nach Russland. Im Gegenzug garantierten die USA, Russland und Großbritannien die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen.
Das Garantieversprechen währte zwanzig Jahre. 2014 besetzte Russland die Krim und Teile der Ostukraine. Mit diesem Bruch des Budapester Memorandums zerriss Wladimir Putin gleichzeitig den Korb 3 (Grenzänderungen nur im Einverständnis der Betroffenen und ihrer Nachbarn) der KSZE-Vereinbarungen von 1975. Seit 2014 sind gewaltsame Grenzänderungen in Europa durch Russland wieder salonfähig.
Donald Trump interessiert sich zehn Jahre später nach Putins Garantiebruch ebenfalls nicht für das Budapester Memorandum und die US-Garantien. Auch spricht er von gemeinsamen Opfern von US-Amerikanern und der Sowjetunion im zweiten Weltkrieg, was an Zynismus gegenüber der Ukraine nicht zu überbieten ist.
Schnee von gestern?
Unter den sowjetischen Opfern des Krieges waren auch Millionen ukrainische Soldaten und Zivilisten. Donald Trump macht alle Opfer, egal welcher Nationalität, quasi zu russischen Opfern des Zweiten Weltkriegs. Die Sowjetunion war ein großrussischer Kolonialstaat. Putin führt gerade einen russisch-koreanischen Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine. Mich schüttelt es.
Nach 2014 hätten die USA als Garantiemacht des Budapester Memorandums der Ukraine umfassend Waffensysteme zur Verfügung stellen müssen. Was weder Obama noch Trump noch Biden bis 2022 taten. Es war eine Einladung an Putin. Ich denke zwar auch, dass Trump den 2022er Überfall verhindert hätte, doch ändert das nichts an meiner Feststellung zu den ausgebliebenen wirksamen Waffenlieferungen.
2022 hätte die Ukraine den Krieg tatsächlich noch gewinnen können. Russland erwies sich als überraschend schwach. Leider hatte Biden Angst vor Putins Drohungen und gab der Ukraine genug gegen das Verhungern und zu wenig zum Rauswerfen des Invasoren.
Das alles ist Schnee von gestern. Donald Trump beurteilt alles nur noch aus Sicht der Interessen der USA. Er will einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine, aber um welchen Preis? Erhält Russland dauerhaft seine Eroberungen? Sollen die Europäer allein weitere russische Eroberungen in Osteuropa verhindern, was die aber nicht real leisten können? Da käme die Frage auf, wie sich das auf die US-Interessen auswirken würde, wenn mit Russland auch Nordkorea, Iran und China in Osteuropa indirekt militärischen Einfluss haben werden? Ist das wirklich für die USA unwichtig oder ergeben sich daraus für die NATO-Mitglieder Druckmittel den USA gegenüber?
Ein Eigentor
Zudem ist Russland mit Putin kein seriöser Verhandlungspartner. Erhebliche Komplikationen zwischen der Trump-Administration und Putins KGB-Mannschaft sind vorgezeichnet. Aus willigem Vertrauen wird sehr schnell großes Misstrauen. Ein beleidigter Cowboy und ein hinterhältiger KGB-Mann haben nicht das Zeug zum Traumduo.
Die Chance, dass Donald Trump Wladimir Putin im Lauf der weiteren Entwicklung anders sehen wird, ist sehr groß. Dann braucht Trump die alten Freunde wieder. Die müssen nur endlich aus eigener Kraft zu beachtenswerten weltpolitisch erwachsenen Figuren werden. Schaffen die das?
Mir werden noch mehr Fragen einfallen, für den Moment soll es genug sein. Dass die USA neben dem Nahen Osten ihr Hauptaugenmerk auf den Pazifikraum richten müssen, ist auch mir klar. Eine Gefährdung Osteuropas wäre für die USA dennoch ein Eigentor.
Gunter Weißgerber (Jahrgang 1955) trat am 8. Oktober 1989 in das Neue Forum ein und war am 7. November 1989 Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Für die SDP/SPD sprach er regelmäßige als Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90. Er war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005). Den Deutschen Bundestag verließ er 2009 aus freier Entscheidung. 2019 trat er aus der SPD aus. Die Gründe dafür erläutert er hier. Er sieht sich, wie schon mal bis 1989, wieder als “Sozialdemokrat ohne Parteibuch”. Weißgerber ist studierter Ingenieur für Tiefbohr-Technologie. Er ist derzeit Unternehmensberater und Publizist.