Der Dichter und sein Richter

Der Amtsrichter, der im Februar den Schriftsteller Akif Pirinçci zu Haft verurteilte, schrieb unwahre Behauptungen über die Vorstrafen des Angeklagten in sein Urteil. Heute geht es in die nächste Instanz.

„AfDler töten“ kann man unterschiedlich verstehen, so die Staatsanwaltschaft Aachen. Deshalb sieht sie ein entsprechendes Antifa-Transparent nicht als strafbar an. Ein anderer Maßstab gilt jedoch für Schriftsteller Akif Pirinçci. Wenn er davon spricht, dass „Schmarotzer sich in staatlichen Versorgungsanstalten mikrobenartig immer weiter vermehren“, müsse sich das wohl zwangsläufig auf „Moslems oder Afros“ beziehen, die er vorher in einem langen Satz seines inkriminierten Blogbeitrags genannt hat bzw. auf „Migranten“. So alternativlos wirkt das jedenfalls auf den Bonner Amtsrichter Christian Schneider, der Pirinçci im Februar – noch nicht rechtskräftig – zu neun Monaten Gefängnis wegen Volksverhetzung verurteilt hat (wie berichtet).

In der schriftlichen Urteilsbegründung musste der Richter etwas konkreter werden als in der mündlichen und hängt sich daher an den „Mikroben“ auf, die in einer Aufzählung diverser Missstände auftauchen, bei denen es ­entgegen Schneiders Lesart keineswegs nur um Probleme mit Migrationsbezug geht (mehr dazu hier). Der türkischstämmige Vorbestrafte „reduziert Einwanderer auf das Bild von triebgesteuerten, gierigen Schädlingen“, auf das von „Vergewaltigern und Schlächtern“, behauptet Schneider weiter. „Herr Pirinçci, wo bleibt das Positive?", hätte er ihn im Gerichtssaal fragen können, so wie es dessen Schriftstellerkollege Erich Kästner einst zu hören bekam. „Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt“, antwortete der Sachse damals. Des differenzierten Bildes über Einwanderer wegen hätte Pirinçci – ein größerer Frauenkenner als sein Richter – wohl von hübschen ukrainischen Damen schwärmen sollen, die in Scharen hierhin migriert sind. 

Die „Rohheit der Sprache“ des durch Felidae-Katzenkrimis berühmt gewordenen Autors findet ebenso wenig Schneiders Plazet. Aber die ist nun wirklich nicht neu. „Vielmehr hat Pirinçci den Stil der enthemmten Invektive seit Beginn seiner Schriftstellerlaufbahn gepflegt“, schreibt Literaturwissenschaftler Magnus Klaue. Der aus der ideologiekritischen Linken stammende Publizist Klaue erkennt etwas, das unser Justizsystem regelmäßig übersieht. Nämlich dass auch in politischen Essays des Bonner Literaten der Schriftsteller, der Künstler steckt. Und nicht etwa ein Journalist, der einen Kommentar in die Tasten haut. Das mag im Übrigen die Interpretation verkomplizieren, so etwa bei einem Absatz, der neben vielen anderen Punkten auch „Mikroben“ enthält.

Unwahres im Urteil

Als weiteres Indiz, dass man einschlägige Textpassagen des Migranten Pirinçci nur migrantenfeindlich verstehen dürfe, führt Richter Schneider aus, dass „vorangegangene Verurteilungen des Angeklagten […] überwiegend ausländerfeindliche Äußerungsdelikte zum Gegenstand haben“. Hier hat Justitias Augenbinde wohl den Blick in die Akten versperrt. Überwiegend wurde der Schriftsteller nämlich nicht wegen Volksverhetzung (gegen Flüchtlinge bzw. Moslems) verurteilt, sondern wegen Beleidigung in anderen Kontexten. Seine Opfer hießen z.B. Heinz-Jürgen, Elisabeth, Henning, Till und Jana. Gut, da war mal eine Eva aus dem Ausland dabei – ihres Zeichens Österreicherin.

Und noch eine unwahre Tatsachenbehauptung zu Pirinçcis Vorstrafenregister findet sich in Schneiders Urteilsbegründung: Er habe seine verurteilungswürdigen Zeilen geschrieben, als er „sich unter laufender Bewährung für ein Äußerungsdelikt mit fremdenfeindlichen [sic!] Hintergrund“ befand. Pirinçci steht vielmehr unter Bewährung, weil er auf Facebook seine Bereitschaft erklärt hatte, Langstrecken-Luisa Neubauer zu „ficken“.

Am heutigen Montag verhandelt die nächste Instanz. Ob auch das Bonner Landgericht zu dem Schluss gelangt, dass der Angeklagte – wie Schneider schreibt – „Angriffe in Form von Hetzjagden gegen Migranten“ [Präpositionsfehler i.O.] provozieren könnte? Dazu beizeiten mehr.

Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. 

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Leserpost

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Johann Joachim Lindner / 19.08.2024

Man muss Pirincci wegen seiner ordinären Ausdrucksweise nicht mögen, aber Buckowski war auch nicht anders. Es ist auch keine Pflichtlektüre an deutschen Gymnasien. So deftig Ordinäres lassen wir den Künstlern durchgehen. Und eine Zensur hat laut GG nicht stattzufinden. Was diesen Richter geritten hat solch ein Urteil auszusprechen verstehe wer will.  Friedrich der Große hatte eine dezidierte Meinung zur Juristerei und den Anwälten seiner Zeit. Hat sich da etwas geändert?

Christoph Lövenich / 19.08.2024

@ Michael Lorenz @Thomas Schmied: “Das Schlachten hat begonnen” wurde anderswo nachgerduckt, u.a. bei Compact. Der Beitrag findet auch Erwähnung in Fancy Nancys Verbotsverfügung - als einer von vielen Belegen dafür, wie böse Compact sei.

Sam Lowry / 19.08.2024

p.s.: So wie ein Böhmermännche, das seinen Hass und Hetze unbescholten verbreiten darf, da ÖRR… nur noch zum K@tzen das alles…

Sam Lowry / 19.08.2024

@Ralf Ross: Eben. So läuft das heute. Habe gerade selbst 150 Tagessätze zu bezahlen… bin ja kein “Künstler”, sondern “Otto-Normal”...

Klara Altmann / 19.08.2024

@ Holger Chavez: Sie haben alle Angst und wohl zu Recht. Wir sind nicht in China oder Nordkorea dachte ich neulich noch. Aber inzwischen bin ich mir dessen nicht mehr so ganz sicher. Die Unterschiede werden täglich kleiner.

Klara Altmann / 19.08.2024

Sie sind in den Ergebnissen ihres Tuns so betont menschenfeindlich - man liest es täglich in den Berichten über neuste Messer- oder Vergewaltigungsopfer. Man sieht es ständig am Elend auf der Straße. Man nimmt es in den Gesichtern der Menschen wahr, die so hoffnungslos und grau sind wie weiland in der DDR. Und dann nehmen sie ernsthaft an einer Sprache Anstoß, die vielleicht besser gewählt sein könnte, die aber niemandem wirklich schadet? Während sie selbst derartig viel Schlimmes tun oder zulassen, wie ich es in diesem Land noch nie erlebt habe. Das ist ganz offenbar Tyrannei und nichts anderes. Tyrannei eines linksextremen und menschenfeindlichen Systems, das keinen Widerspruch duldet. Das ist nicht mehr mein Deutschland, mein Land ist verloren.

Lutz Herrmann / 19.08.2024

Rechtsbeugung isses immer dann, wenn das Gericht das Recht falsch anwendet oder einen Sachverhalt gezielt falsch wiedergibt. Das ist hier offenbar bei der Strafbemessung erfolgt (vorangegangene Verurteilungen). Der Richter gehört angezeigt, verurteilt und aus dem Dienst entfernt.

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