Dushan Wegner, Gastautor / 21.01.2025 / 16:00 / Foto: Redlinux / 49 / Seite ausdrucken

Der Deutsche und sein Zeigefinger

Ausgerechnet der deutsche Botschafter warnt, in den USA sei die Medienfreiheit in Gefahr. Wie viel kognitive Dissonanz kann man ertragen? Das Problem am deutschen Zeigefinger in Sachen Demokratie und Freiheit ist nicht die deutsche Vergangenheit, sondern die deutsche Gegenwart.

Ach, würden wir doch nur die Weisheit bedenken, die in unseren Redensarten schlummert! Eine solche kluge Redeweise lautet: Wer mit dem Finger auf einen Anderen zeigt, auf den zeigen drei Finger zurück. An diese Redeweise denke ich jedes Mal, wenn ich wieder lese, wie die Deutschlanddarsteller auf der Weltbühne moralische Ratschläge vortragen.

Aktuell lesen wir von der neuesten Peinlichkeit aus dem Auswärtigen Amt, und es ist nicht einmal die Trampolinspringerin, die uns jene neue, typisch neudeutsche Art der doppelten Scham einflößt: das Fremd- plus Nationalschämen.

Der deutsche Botschafter in den USA (ein Herr Andreas Michaelis; siehe Wikipedia) diente als Diplomat unter anderem unter Joschka Fischer. Er arbeitete im Auswärtigen Amt, unter anderem unter Steinmeier (der Trump als "Hassprediger" verunglimpfte) und Maas (der Trump auslachte, als dieser vor der Abhängigkeit von russischem Gas warnte).

Während die gesamte Welt – oder zumindest ihr rationaler Teil – gerade bemüht ist, bei Donald Trump gut Wetter zu machen, trampelt Deutschland weiter als germanischer Ochse durch den diplomatischen Weltgarten.

Der Unabhägigkeit beraubt?

Herr Michaelis, der Botschafter Deutschlands in den USA, hat am 14. Januar 2025 ein Papier unterzeichnet (so die aktuelle Berichterstattung), in welchem denkbar düstere Prognosen für Amerika unter Trump formuliert werden, und dieses Papier wurde nun wohl "geleaked". Technologieunternehmen erhielten "Mitregierungsgewalt", so zitiert welt.de, 19.1.2025, daraus. Strafverfolgung werde zum Instrument der Politik. Es wird vor "Notstandsregelungen" unter Trump gewarnt, die dieser zum Sichern seiner Macht einsetzen könnte.

Diese Warnungen vor kommenden Zuständen in den USA schreiben nicht linke Aktivisten, also Menschen, die ganz natürlicherweise ohne jeglichen Sinn für Ironie und Selbstkritik ihr Leben bestreiten, sondern wohl Beamte im Außenministerium, mit Unterschrift des Botschafters. (Ich hoffe sehr, dass diese Kombination von "nicht" und "sondern" auch wirklich noch einen Unterschied und Gegensatz beschreibt.)

Extra schlimm finden die aber offenbar: "Legislative, Gesetzesvollzug und Medien würden ihrer Unabhängigkeit beraubt"! Wirklich? Unter Trump in den USA würden die Medien ihrer Unabhängigkeit beraubt?! Es zwingt sich geradezu auf, diese Schwurbelei durchzugehen, Punkt für Punkt. Die "drei Finger", die stets auf den Zeigenden zurückweisen, lassen uns ungläubig fragen: Sind deutsche Funktionäre, die solche Befürchtungen bezüglich der USA aufs digitale Papier bringen, wirklich für die Verhältnisse in Deutschland blind?

Besser seinen Bademantel zurechtlegen

In den USA regieren Unternehmer mit, schreibt die Diplomatie und meint natürlich Elon Musk. Deutsche Politiker und Diplomaten hatten wenig Skrupel, sich mit Milliardären wie dem berüchtigten George Soros zu beraten (@GermanyUN, 5.11.2018). Der US-Milliardär und Pharma-Kumpel Bill Gates „beriet“ sich nicht nur mit Politikern in Europa, er durfte sogar in den Tagesthemen im Orwell-Stil seine Panikmache ans deutsche Volk verkünden wie ein Super-Weltenlenker (Tagesthemen 12.4.2020, via YouTube, ab ca. 29:30).

Dass US-Milliardäre am wirtschaftlichen Suizid Deutschlands im Namen des Klimaschutzes mitschreiben, dass sie NGOs zur Beeinflussung der deutschen Politik finanzieren, dass sie die für Deutschland und Europa verheerende Schlepperhilfe unterstützen, all das ist eigentlich modernes Allgemeinwissen – außer man ist deutscher Botschafter in den USA, offenbar.

Strafverfolgung werde zum Instrument der Politik. Aha. In Deutschland ist es ein neues geflügeltes Wort, dass, wer sich kritisch über die Regierung äußert, besser seinen Bademantel zurechtlegt. Das ist eine sarkastisch-bittere Dokumentation der Tatsache, dass in Deutschland die „strafende Hausdurchsuchung“ am frühen Morgen längst ein Mittel der außer-rechtsstaatlichen Verfolgung kritischer Meinung ist.

Warnt die deutsche Diplomatie also davor, dass es in den Trump-USA bald so wenig demokratisch zugehen könnte wie in Deutschland? Hmm. Es wird vor "Notstandsregelungen" gewarnt. Was genau meinen die Diplomaten damit? Meinen sie so etwas wie eine Ermächtigung des Parlaments an sich selbst, Grundrechte auszuhebeln?

Anführungszeichen des Ekels

Und dann … Medien würden ihrer Unabhängigkeit beraubt. Wer genau aber würde seiner Unabhängig beraubt? CNN gehört WarnerMedia und die wiederum AT&T. ABC gehört Disney. MSNBC gehört Comcast. Die Washington Post gehört dem Amazon-Gründer Jeff Bezos, und die New York Times ist ein börsennotiertes Unternehmen, in welchem die Ochs-Sulzberger-Dynastie durch eine spezielle Aktienstruktur die Mehrheit der Stimmrechte hält.

Welches dieser Medien ist „unabhängig“ zu nennen? Und: Sollte man als Deutschland mit seinen ARDs und ZDFs und Correctivs und den „Kooperationen“ und all den Journalisten mit Staatshonoraren wirklich die Unabhängigkeit von Medien in anderen Staaten einfordern?

Ausgerechnet Deutschland, wo der durch Skandale watende und doch von seinen Jüngern als Sonnengott verehrte Wirtschaftsminister den Journalisten vorschreibt, was sie fragen dürfen und was nicht – und die Journalisten halten sich daran (welt.de, 20.01.2025)?

Ausgerechnet Deutschland, wo unliebsame Magazine einfach so mal von der Regierung verboten und vorübergehend enteignet werden können (um später dann doch wieder erlaubt zu werden)?! Ausgerechnet Deutschland, wo Meinungsfreiheit inzwischen in den Anführungszeichen des Ekels geschrieben wird, hält moralische Belehrungen in Sachen "Freiheit" gen USA?

Dem deutschen "Elfenbeinturm" (wie ein Ulf Poschardt gern seine Kollegen und soziale Schichtgenossen bewertet) gelingt es tatsächlich, Elon Musk verbieten zu wollen, wegen zu viel Meinungsfreiheit auf X – und zugleich vor Trump zu warnen, weil dieser angeblich die Meinungs- und Medienfreiheit einschränken wird. (In dieser aggressiv ausgelebten kognitiven Dissonanz verraten die aber, was sie wirklich wollen: Freiheit für ihre Meinung – und Freiheit von der abweichenden Meinung.)

Das Problem ist nicht die deutsche Vergangenheit, sondern die deutsche Gegenwart

Natürlich sollten Menschen einander in moralischen Angelegenheiten korrigieren, die Rechtfertigung ihrer Handlungen vorlegen können, zumindest vor sich selbst. Moral ist anstrengend, aber ganz ohne Moral geht all das kaputt, was uns wichtig ist.

Ich las dieser Tage, dass es die deutschen Eliten geradezu rasend macht, wenn ein Elon Musk sich in internationale Debatten um Moral und Politik einmischt, denn Einmischung in internationale Debatten und Politik ist laut deutschen Eliten ausschließlich deutschen Eliten gestattet.

Natürlich sollen auch Völker mit "problematischer" Geschichte einander grundsätzlich bei der Besserung unterstützen. Wenn jeder, der je Dummes oder sogar Schlimmes unternahm, sein prinzipielles Grundrecht auf den moralischen Zeigefinger verlieren würde, dann dürfte niemand mehr irgendetwas zur Moral sagen, denn für jeden von uns findet sich ein Sand, in den sich sein Name schreiben ließe. Das Problem am deutschen Zeigefinger in Sachen Demokratie und Freiheit ist nicht die deutsche Vergangenheit, sondern die deutsche Gegenwart.

Das große Problem am deutschen Moralzeigefinger bleiben also die drei Finger, die zurück aufs heutige Deutschland und die heutige deutsche Postdemokratie weisen. Wenn man schon andere Staaten moralisch kritisiert, sollte man darauf achten, nicht zugleich und immer mehr selbst auf laute und aggressive Weise genau das zu praktizieren, was man dem Gegenüber vorwirft.

Solange wir Deutschen nicht klüger geworden sind, solange unsere Debatte auf dem knöchelhohen Niveau von Philosophie-Erstsemestern, Staatsfunkmoderatoren und Grünenfunktionären geführt wird, solange sollte von Deutschland kein moralischer Zeigefinger erhoben werden.

 

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. Seine Website und das Blog-Magazin, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien finden Sie hier.  

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Leserpost

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B. Endres / 21.01.2025

Ist dieser untragbare Botschafter immer noch im Amt? Ist er ein zweiter Bernstorff? Finanziert das Auswärtige Amt amerikanische Antifa-SA? Trump sollte diese Gestalt umgehend des Landes verweisen.

F. Michael / 21.01.2025

Wer hat Lust mal eine Anzeige gegen die SPD Palästinenserin im Bundestag Sawsan Chebli wegen Volksverhetzung und Aufruf zum Bevölkerungsaustausch zu machen? Für Ihre Drohungen und Anstachelungen gegen Biodeutsche und Juden, Sie verkündet, über Instagram an Menschen mit Migrationshintergrund gerichtet; > ...die Demographie würde Fakten schaffen und sie sollten für ihr Land Deutschland kämpfen. < , sie will einen Geburten-Dschihad der dritten und vierten Generation der Einwanderer.

Petra Wilhelmi / 21.01.2025

Nun, es ist nicht das Bärbockchen, aber er kommt aus ihrem Haus und diese Person hat ihn nicht zurechtgewiesen. Also würde ich sagen: Es ist der Geist dieser Person, die nichts anderes kennt, als Politiker und Führer anderer Staaten zu beleidigen. Wie der Herre, so das Gescherre, sagt man doch. Sie hat aus dem Auswärtigen Amt einen Misthaufen gemacht.

Bernd Froehlich / 21.01.2025

Während das kaputte und totalitäre Deutschland dem Rest der Welt ständig den erhobenen Zeigefinger zeigt, antwortet der Rest der demokratischen Welt mit einem erhobenen Mittelfinger.

F. Michael / 21.01.2025

Wenn ich Trump wäre würde dieser Herr die USA verlassen müssen und sich Deutschland entschuldigen müssen für diese Hetze.

Klara Altmann / 21.01.2025

Sie wollten uns zwingen, ihre kruden Gedanken zu teilen und ihre Ideologien nachzubeten und uns demütig vor ihnen zu beugen. Sie wollten uns mit brutaler medialer Einschüchterung dazu bringen, zu schweigen oder gar ihre weltfremde Propaganda nachzubeten. Sie wissen aber jetzt, dass sie verloren haben und umso umfassender, als dass in allen möglichen Ländern ein anderer Kurs zurück zur Vernunft eingeschlagen wird. Kickl in Österreich, der Fall Trudeaus in Kanada, das Ende von Macron in Frankreich, Meloni in Italien, Trump in den USA. Die woken zynischen Globalisten, sie haben verloren, sie sind am Ende. Sie wollten uns alles nehmen, was unsere Identität ausmacht und aus uns gesichtslose Nummern der Weltbevölkerung machen, über die man nach Belieben verfügen kann. Jedes Mittel war dafür recht. Und sie haben verloren und vielleicht haben sie jetzt auch Angst vor der Gegenreaktion. Die Totalitären fürchten grundsätzlich, dass die Unterdrückten aufstehen und je größer diese Angst, desto brutaler die Mittel. Deshalb schreien sie jetzt auch nach einem AfD-Verbotsverfahren. Denn sie wissen, was sie alles getan haben und wofür sie verantwortlich sind. Welches unendliche Leid sie den Menschen in Deutschland zufügten, allein deshalb, weil sie es können. Während sie sich die Taschen füllten mit unserem Steuergeld. Sie fürchten, dass Demokratie, Recht und Gesetz in Deutschland wiederhergestellt werden. Sie werden schon wissen, warum sie sich fürchten.

Thomin Weller / 21.01.2025

Noch nie hat sich ein Verbrechersyndikat so offen gezeigt wie in den USA, kurz vor Trump. Biden hat noch kurzfristig 8000 Personen ohne Anklage, auch seine Familienmitglieder, begnadigt. So groß deren Angst. Aber warum in die Ferne schweifen wenn das Bessere so nahe? Der Bunsenpräsident Steinspalter kann nach dem Urteil ebenso 8000 Personen begnadigen ohne das er jemals darüber Rechenschaft ablegen muss oder dieses bekannt wird. Die Liste der 8000 will ich haben und mit dem Raubrittern wie z.B. Lügenbaron Guttenberg, Leyen etc. abgleichen. Das ist der mit Soffin und mehr Staatsschulden. Der Steinspalter wird ganz hässlich in die Annalen Deutschlands eingehen. Es geht nicht nur um Novischok in ukrainischen Biolaboren über die ein Jan van Aken Bescheid wissen müsste.

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