Von Jesko Matthes.
Kaum äußert sich der US-Präsident, er heißt Donald Trump, nach dem jüngsten Anschlag des IS in New York zu Änderungen in dem Teil des US-Einwanderungsrechts, der hier „Green-Card-Lotterie“ und dort „Diversity Lottery“ heißt, bricht der übliche Sturm der Entrüstung los.
So nutzt Donald Trump den Terror für seine politischen Ziele, titelt der Kölner Stadtanzeiger. Donald Trump hat eine (zu) einfache Antwort, weiß die Augsburger Allgemeine zu berichten, denn auch Menschen mit Wurzeln im Westen radikalisieren sich, bleibt aber entsprechende Beispiele schuldig. Der NDR sieht ein gefundenes Fressen für Trump, als wäre Trump auf den Terror angewiesen, ja, würde ihn sogar im Sinne seiner Politik begrüßen und sogleich mit inszenieren. Das klingt bekannt, à la: Terror ist Wasser auf die Mühlen der AfD – warum kapieren die Terroristen das bloß nicht?
Das fragt sich dann auch die FAZ., allerdings im tiefen Vertrauen auf westliche Werte und weise Worte: Ja, es ist richtig, dass jetzt, etwa von der Bundeskanzlerin, bekräftigt wird, wir, der Westen also, vertrauen auf die Stärke der demokratischen Gesellschaft und die Überzeugungskraft freiheitlicher Werte. Aber die Terroristen von heute kennen diese Werte – und werden zu mordenden Nihilisten. Warum? - Tja, vielleicht, weil sie diese Werte verachten? Macht nichts! Denn die FAZ. hat bereits vorausgeschickt, der Täter war ein Einzelgänger, von der Sorte, die sich selbst radikalisiert. Mit dem Ruf „Allahu akbar!“ und dem Wunsch nach einer IS-Fahne als Dekoration seines Krankenzimmers durch den Attentäter von New York kann das nicht in irgendwie relevanter Weise zusammenhängen: So denken Einzelgänger und Sichselbstradikalisierer nun einmal, ob in Nizza, auf dem Breitscheidplatz, in Barcelona oder New York.
„Washington Post“ anstelle deutscher „Leitmedien“
Die Kommentare der sogenannten Leitmedien kommen gedanklich nicht hinaus über Wilhelm Busch: Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen! Diese Notizen aus der Provinz namens Deutschland sind, freundlich formuliert, vor allem durch zwei Dinge gekennzeichnet: Voreingenommenheit und (absichtliches?) Defizit an Information. Man könnte nämlich auch die "Washington Post" lesen. Dort erfährt man es ausführlich – dass auch der von Trump angegriffene Senator Charles E. Schumer, der 1990 die „Diversitäts-Lotterie“ (so der US-Fachbegriff) einführen half, sie bereits seit 2013 und verstärkt seit 2016 kritisiert und einer Initative beider Kongressparteien zu deren Abschaffung angehört.
Schumers Antwort auf Trumps jüngste Tweets in dieser Richtung lautete: “I guess it’s not too soon to politicize a tragedy” – was man allenfalls, Ironie mitlesend, als „ein bisschen früh, eine Tragödie zu politisieren“ übersetzen kann, aber eben auch „nicht zu früh“. Schumers Antwort ist ungefähr die weichste Formulierung der Kritik an Trump, die sprachlich möglich ist. Deutlich schärfer fällt dagegen Schumers Kritik an der Kürzung des Antiterror-Budgets durch die Trump-Administration aus.
Das alles gibt es in Deutschland eben nicht zu hören und nicht zu lesen. – Wilhelm Busch reicht als Vergleich also nicht aus. Wolfgang Neuss wusste:
Man muss die Leute belügen, damit sie die Wahrheit herausfinden.
Dieses Herausfinden ist dann - bedauerlich für die deutschen Kommentatoren, die sich vor der Information wegducken, sich um die Wirklichkeit drücken und lieber Platitüden verbreiten – möglicherweise erst recht „Wasser auf die Mühlen von Donald Trump“.
Jesko Matthes ist Arzt und lebt in Deutsch Evern