Henryk M. Broder / 13.03.2019 / 12:00 / Foto: achgut.com / 62 / Seite ausdrucken

Der Denunziant ist ein Meister aus Deutschland

Jedes totalitäre System ist auf Mitläufer angewiesen. Jede Diktatur braucht Mitläufer, die das System von unten stützen, die vielen kleinen Rädchen im Getriebe des kollektiven Wahnsinns. So war es im Dritten Reich, und so war es in der DDR. Die Mitläufer mussten nur von braun auf rot umschalten, und schon durften sie wieder mitmachen. Nachbarn verpfeifen, die unbotmäßige Witze erzählten, ausländische Radioprogramme hörten oder Fluchtpläne schmiedeten. Die Vollendung des Mitläufers ist der Denunziant. In der nach unten offenen Skala der menschlichen Niedertracht belegt er einen der letzten Plätze, vor Kindesmissbrauch und hinter Zuhälterei.

Nun ist die Bundesrepublik noch weit von einer Diktatur entfernt. Aber die Zeichen für einen Wandel stehen schon in Großbuchstaben an der Wand. Die Regierung bringt dem Volk Manieren bei („Demokratie leben"), indem sie hunderte von Organisationen, die sich NGOs nennen, für ihre Dienste als Hilfstruppen der Regierung belohnt. Der "Kampf gegen rechts" nimmt dabei eine zentrale Stellung ein. Prime Time für Denunzianten wie IM Victoria, ihre AAS und ein Heer von Freiwilligen, die sich selbstverwirklichen wollen.

Eben ist eine Art Handbuch über "Das Netzwerk der Neuen Rechten" erschienen, geschrieben von zwei "Investigativreportern der ZEIT", was so originell ist, als würden sich zwei Kampftrinker als Mitarbeiter der Heilsarmee vorstellen. Einer der beiden hat sogar den "Reporterpreis" bekommen, der nur an die Besten der Besten verliehen wird, Claas Relotius zum Beispiel. Was sie alles erlebt und überlebt haben, erinnert an die Abenteuer von Indiana Jones in "Jäger des verlorenen Schatzes"Wir hatten Zutritt zum Haus der Identitären Bewegung, waren auf einem Festival der Guerilla-Aktivist*innen und trafen den Chef von Deutschlands erfolgreichster Hetzseite zum Gespräch in dessen Küche. Während der Recherchen wurden wir bedroht, angelogen und gerieten in den Shitstorm einer rechten Trollarmee. 

Das alles, um jetzt die Leser zum "Mitmachen" aufzufordern. Dazu dient eine Deutschlandkarte, auf der "rechte" Aktivisten und Organisationen als Punkte eingetragen wurden. Für ein so großes, buntes und vielfältiges Land wie die Bundesrepublik ist die Bilanz recht mager, die Punkte schwimmen wie Fettaugen auf einer Wassersuppe, die "Verlagsgruppe Lesen & Schenken", die Firma "Konmo - Konservative Mode", die "Bielefelder Ideenwerkstatt" und, natürlich, die Achse, nur um die wichtigsten zu nennen.

Irgendwie müssen die Trüffelschweine von der Reeperbahn geahnt haben, dass sie nicht weit gekommen sind. Und deswegen bitten sie ihre Leser am Ende um NachsichtWir haben über drei Jahre für diese Karte recherchiert und alle Informationen sorgfältig und mehrmals geprüft. Trotzdem können sich Fehler eingeschlichen haben. Fehlt eine Verbindung? Haben wir eine Organisation vergessen? Oder finden Sie, ein Projekt taucht hier zu unrecht auf? Bitte rufen Sie nicht gleich Ihren Anwalt an, sondern schreiben Sie uns: netzwerkneuerechte[at]gmail.com

Ja, Jungs, auch Denunzieren will gelernt sein. Für Anfänger seid ihr nicht schlecht, aber beim RSHA wäret ihr nicht mal als Pförtner angenommen worden. 

Foto: achgut.com

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Steffen Lindner / 13.03.2019

Die ZEIT- Journalisten befinden sich doch in „bester“Gesellschaft: Nach dem Stauffenberg -Attentat im Juli 1944 erklärte Hitler, er habe nach der Ausschaltung der Kommunisten leider versäumt, auch den Kampf gegen Rechts(!) zu führen…

Rex Schneider / 13.03.2019

Das vermeintlich schöne daran ist ja, dass wir Ossis mit Denunziaten aufgewachsen sind und wohl wissen wie man damit umgehen muss bzw. den Spieß umdrehen kann. Zum abregen würde ich den Wilhelm Busch empfehlen, da gibt’s so viele Charaktere, da passt einer immer….

Richard Kaufmann / 13.03.2019

@Detlef Dieckmann: Fühlten Sie sich persönlich angesprochen? Deutschland hat viele Meister, und leider Gottes ist der Deutsche darin meisterhaft.

Martin Lederer / 13.03.2019

Es ist nicht nur der Denunziant. Es ist dieser “Oberstreber” (Mitläufer ist zu schwach). Es ist der, der bei einer “Sache” mitmacht und zeigen will, wie gut er das macht, damit er Pluspunkte (wie Preise etc.) bekommt. Und deshalb den Plan übererfüllt. Wie irgendein Prominenter mal sagte: Am gefährlichsten sind die Menschen, die dumm und fleißig (bzw. strebsam) sind.

Werner Arning / 13.03.2019

Ja, ich glaube, das liegt daran, dass die Deutschen ungemein eifrig sind. Es gibt kein eifrigeres Volk als das deutsche. Und es liegt auch an einer stark ausgeprägten Gewissenhaftigkeit und an einer naiven Begeisterungsfähigkeit. Und dann an einer fürchterlichen Konsequenz im Handeln. Wenn sie etwas für als richtig erachten, oder erachten sollen, dann handeln sie danach mit aller erdenklichen Konsequenz, unnachgiebig und präzise. Und dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Denunziantentum. Der Deutsche denkt kollektiv. Individualität kommt ihm verdächtig vor. Ganz oder gar nicht, alle oder keiner. Ausscheren gilt nicht.

Bechlenberg Archi W. / 13.03.2019

Sie (die Denunzianten) haben nicht die geringsten Skrupel und Zweifel bei dem, was sie tun. Gerade gestern erlebte ich ein typisches Beispiel. Ich hatte bei FB eine Karikatur hochgeladen, die dann von jemand Anderem geteilt wurde. Darauf hin kritisierte einer seiner Kontakte, diese Grafik käme aus trüber Quelle, der Urheber, also ich, hätte etwas von der AfD und dem Vlaamse Block geliked. Nun like ich vieles, das mir gefällt, darunter sind auch Beiträge von Medien wie Welt, Zeit, Bild, ja sogar SpOn. Auch Seiten, in denen es um Essen und Trinken, Autos, Filme, Bücher etc. etc. etc. geht, like ich. Das aber interessiert den Spitzel nicht. Darauf von anderen angesprochen meinte er, er habe damit nicht denunziert, sondern “nur darauf hingewiesen”.

Gert Köppe / 13.03.2019

Da ich DDR-Diktatur “erfahren“ durfte und jahrelang auf mich zwei Stasi-IM’s angesetzt waren, graut es mir bereits, wenn ich die Entwicklung hier sehe. Vor der Wende habe ich die Deutschen hier im Westen ganz anders eingeschätzt. Aber bereits Mitte der 90er sagte ich schon: “Ich glaube, wenn es anders herum gekommen wäre, hätten wir wohl doppelt so viele freiwillige Informanten und Denunzianten gehabt. Sieht ganz so aus als geht es tatsächlich in diese Richtung. Große Teile des Volkes hier sind wohl unbelehrbar und blind für die Geschichte. Langsam schämt man sich für seine eigenen Landsleute in Grund und Boden. Ist das nicht erbärmlich?! Billige Werkzeuge, ganz ohne Not und triftigen Grund. Wenigstens haben billige Werkzeuge keinen dauerhaften Wert. Das werden diese Vollpfosten irgendwann noch lernen.

Michael Scheffler / 13.03.2019

Frau Horn, vor ein paar Jahren hätte ich die BILD in der Rolle als erfolgreichste Hetzseite gesehen…

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