Ulrike Stockmann / 21.04.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 38 / Seite ausdrucken

Der Corona-Salat

Patienten erkrankten an verunreinigtem Krankenhausessen, einer starb. Keiner hatte kontrolliert, ob sich der Gemüse-Lieferant an die Hygiene-Regeln hält. Die Kontrolleure waren zu sehr mit Corona-Nachverfolgungen beschäftigt.

In Südhessen ist gerade ein Lebensmittelskandal um verunreinigtes Krankenhausessen ans Licht gekommen. Bei der Firma Maus, einem Obst- und Gemüsehandel in Gernsheim, sind schwerwiegende Hygienemängel aufgedeckt worden. Wie die Welt am Sonntag berichtete, wirft die hessische Task-Force Lebensmittelsicherheit dem Unternehmen „gravierende Hygienemängel“ vor. „Sie dokumentierte stehende Pfützen, Rattenkot und Schimmel in der Produktion, kritisierte fehlende Reinigungspläne und unzureichende Eigenkontrollen.“

Die Firma lieferte verarbeitetes Gemüse an Krankenhäuser, unter anderem geschnittene Gurkenscheiben, die von Patienten als Salatbestandteil verzehrt wurden. Die keimbelasteten Lebensmittel des Betriebes haben dazu geführt, dass vier Menschen zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 an Listeriose erkrankt sind, einer bakteriellen Infektionskrankheit, die durch verunreinigte Speisen ausgelöst wird und vor allem für immungeschwächte Personen gefährlich ist. Die Erkrankten hatten sich ihre Infektion während eines Klinikaufenthaltes zugezogen, ein Patient des Offenbacher Sana-Klinikums ist Mitte November nach seiner Infektion gestorben. Wie die Frankfurter Rundschau nun berichtete, soll jedoch eine schwere Pneumokokken- sowie Corona-Erkrankung seine wahre Todesursache gewesen sein. Er wäre also „mit, aber nicht an Listeriose“ gestorben, folgert die FR. Man darf wohl trotzdem davon ausgehen, dass die Listeriose-Infektion nicht gerade zu seiner Genesung beigetragen hat.

Hessenschau.de meldet, dass außerdem das Markuskrankenhaus in Frankfurt betroffen gewesen sei. Die skandalöse Arbeitsweise des Gemüsehandels war den hessischen Behörden Mitte Februar aufgefallen und dem Betrieb daraufhin das weitere Verarbeiten von Lebensmitteln untersagt worden.

Dieser Videobeitrag in der Welt am Sonntag dokumentiert katastrophale hygienische Zustände, die man einem Lebensmittel verarbeitenden Betrieb in Deutschland nicht zugetraut hätte. Wie ist so etwas möglich? Es zeigte sich, dass das zuständige Veterinäramt in Groß-Gerau das Unternehmen zwei Jahre lang nicht kontrolliert hatte, obwohl laut Welt „ein bis zwei Betriebsprüfungen pro Jahr vorgeschrieben waren“. Auf Anfrage habe der Landkreis eingeräumt, den Betrieb nicht den rechtlichen Vorgaben entsprechend überwacht zu haben:

„Grundsätzlich habe das Amt während der Corona-Pandemie in Unternehmen, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos für Verbraucher häufiger kontrolliert werden müssen, ‚deutlich zu wenige‘ Betriebsprüfungen durchgeführt. Insgesamt konnten im Jahr 2021 nur rund 45 Prozent der vorgeschriebenen Kontrollen erfüllt werden.“

Kollateralschaden der Corona-Maßnahmen

Man habe „theoretisch“ genügend Personal. „Faktisch“ seien jedoch „mehrere Lebensmittelkontrolleure und eine Amtstierärztin in der Pandemie zeitweise für andere Aufgaben etwa in der Kontaktnachverfolgung bei Corona-Fällen eingesetzt worden“. Die Welt fügt hinzu, dass schon vor der Corona-Krise etwa jede dritte vorgeschriebene Betriebskontrolle ausgefallen sei. Corona habe die Lage jedoch weiter verschärft, sodass in Hessen die Ämter 2020 nur noch 53 Prozent ihrer Pflicht-Kontrollen erfüllt hätten. Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure schätzt laut Welt, dass aktuell bundesweit bis zu 1.500 Kontrolleure fehlen.

Das Task-Force-Gutachten über den unhygienisch arbeitenden Gemüsebetrieb hatte zudem bauliche Mängel wie fehlende Hygieneschleusen und unzureichende Wasserabflüsse zutage gefördert, die mutmaßlich schon länger vorliegen. Pikanterweise gab der zuständige Landkreis an, von diesen Mängeln gewusst zu haben, jedoch irrtümlicherweise davon ausgegangen zu sein, dass die Sicherheit der Lebensmittel nicht gefährdet gewesen sei. Angesichts dieser Aussage fragt man sich automatisch, welche weiteren Schäden unter der Aufsicht dieses und anderer Landkreise nicht wahrgenommen wurden.

Wir haben es also mit Behördenversagen zu tun, das als Kollateralschaden der Corona-Maßnahmen gelten kann, wenn auch Schwächen im System schon vorher angelegt waren. Die hessische Verbraucherministerin Priska Hinz (Grüne) wird nun von SPD und FDP für den Skandal verantwortlich gemacht. Der SPD-Landtagsabgeordnete Knut John warf der Ministerin über Ostern „Tatenlosigkeit und das bewusste Inkaufnehmen von Menschenleben“ vor. SPD-Fraktionsvorsitzender Christoph Gehring fordert sogar ihren Rücktritt.

Bereits 2019 hatte es unter ihrer Ägide einen Lebensmittelskandal um den hessischen Wursthersteller Wilke gegeben. Im Zuge dessen waren 37 Fälle von Listeriose-Erkrankungen bekannt geworden und davon 25 Personen nach ihrer Krankheit gestorben. Da das Durchschnittsalter der Infizierten 74 Jahre betrug und viele bereits an Vorerkrankungen litten, gilt offiziell in nur drei Fällen die Listeriose-Erkrankung als Todesursache.

„Jede Menge Antworten erwartet“

René Rock, Fraktionsvorsitzender der FDP im hessischen Landtag, forderte die Verbraucherministerin angesichts des neuerlichen Skandals dazu auf, zu erläutern, „warum ihr System nicht gegriffen hat“. Er vermutet, dass sich in Sachen Lebensmittelkontrolle seit dem Wilke-Fall zu wenig geändert und Hessen hier „ein strukturelles Problem“ habe. Die FDP hat zum neuen Lebensmittelskandal einen dringlichen Berichtsantrag vorgelegt, den Ministerin Hinz laut Frankfurter Rundschau „bei der nächsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz am Mittwoch kommender Woche beantworten soll“.

Darin fragt die FDP, „wann die Landesregierung von den Hygienemängeln erfahren hat, ob es bereits vorab Hinweise auf mangelnde Sorgfalt in dem Unternehmen gab und wie oft es in den vergangenen Jahren kontrolliert wurde. Außerdem wollen die Liberalen wissen, was Hinz seit dem Wilke-Skandal unternommen hat, um die Zahl der Überprüfungen in Betrieben, die Lebensmittel herstellen und verarbeiten, zu erhöhen“.

Schon vor dem aktuellen Fall hatte die Linksfraktion einen Fragenkatalog an Ministerin Hinz vorgelegt, „der sich vor allem um eine Überprüfung der hessischen Lebensmittelkontrolle durch den Landesrechnungshof dreht“. Ein weiterer Punkt der Liste sei die Frage, warum sich seit dem Wilke-Skandal „nicht mehr getan hat und ob die zuständigen Ämter aus Hinz’ Sicht mehr Personal brauchen“.

Die Frankfurter Rundschau folgert: „Von Priska Hinz dürften in der nächsten Woche also jede Menge Antworten erwartet werden.“

Diese scheint jedoch mit der Kritik wenig anfangen zu können. Wie es in diesem Bericht der Hessenschau heißt, geht sie auf die Rücktrittforderungen „gar nicht ein, betont stattdessen vermeintliche Erfolge“. Im Beitrag wird Hinz zitiert mit: „Die Task-Force Lebensmittelsicherheit ist gestärkt worden, die Regierungspräsidien sind gestärkt worden, wir haben das Kontroll-Konzept erweitert, wir haben zusätzliche Schulungen für die örtlichen Veterinäre gemacht.“

Das alles war offensichtlich nicht genug, um einen weiteren Lebensmittelskandal zu verhindern. Umso verblüffender ist das mangelnde Unrechtsbewusstsein der Ministerin Hinz. Ein bisschen erinnert das Ganze an den Fall Anne Spiegel, die als rheinland-pfälzische Umweltministerin ebenfalls nicht ausreichend ihren Pflichten nachkam und somit Schaden über die Bevölkerung brachte. Es bleibt abzuwarten, inwiefern Hessens Verbraucherministerin Priska Hinz für ihr Scheitern zur Verantwortung gezogen werden wird. Doch möglicherweise stehen die Sterne gerade günstig für die Aufarbeitung von Politikversagen.

 

Mehr von Ulrike Stockmann finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dr.B.Große-Lordemann / 21.04.2022

Nicht nur die absurde Fixierung auf Corona, mit einer sinnlosen, kräftebindenden Maßnahmenflut, die übrigens während der Yamagata-B Influenza-Epidemie 2018 mit großer Übersterblichkeit, keiner für nötig hielt, sondern vor allem das “Outsourcing” der der Salatvorbereitung ist das Problem! Denn dann kontrolliert nicht mehr der Hygienebeauftragte des Krankenhauses die eigene Küche, sondern eine externe Behörde, wenn überhaupt irgendwann, den Lieferanten und Dienstleister.

Dr Stefan Lehnhoff / 21.04.2022

Pneumokoggen, Corona oder Listerien? Klinkt so oder so nach Todesursache Krankenhaus. Nirgendwo sonst in Deutschland ist Ihr Leben so in Gefahr- auch wenn Sie sich nur was gebrochen haben.

Claudius Pappe / 21.04.2022

Verbraucherministerin Priska Hinz : ” Nach der Mittleren Reife an der Comenius-Schule Herborn 1974 besuchte Priska Hinz die Fachschule für Sozialpädagogik in Limburg an der Lahn, die sie 1977 als Erzieherin abschloss. Anschließend war sie in einem Kinderheim in Herborn tätig und übernahm 1979 die Leitung einer Kindertagesstätte in Frankfurt am Main. 1982 wechselte sie als Mitarbeiterin zur Landtagsfraktion der Grünen im Hessischen Landtag ” Quelle : Wikipedia Ist die zufällig auch bei der AWO gewesen ? Wie kann man nur Priska heißen ? Frau Kuhn , was sagen sie zu dieser ( Un ) Person ?

Günter Schaumburg / 21.04.2022

Wenn 1500 Kontrolleure fehlen, dann den Krampf gegen rrrechts beenden, und freiwerdendes Personal einmal richtig arbeiten lassen. Aber keine Stiftungs- und NGO-Gehälter.

Rolf Menzen / 21.04.2022

Derlei Verhalten scheint bei Ministerinnen der Grünen endemisch zu sein.

Felix O'Neill / 21.04.2022

Wichtiger als die fälligen Rücktritte wäre die strafrechtliche Aufarbeitung. Die Behördenmitarbeitenden haben mindestens fahrlässige Körperverletzung begangen. Wenn Bürger auch nur ansatzweise derart schlampig wären würden diese faulen “Staatsdiener” allerdings sofort zur Stelle sein und erfindungsreich das Arsenal staatlichen Zwangs zelebrieren.

Ulla Schneider / 21.04.2022

Es heißt ja schließlich Krankenhaus und nicht Gesundheitshaus.  Vielleicht war deren Denkansatz “abgekocht hat noch jedes Bazillchen und Virchen getötet” . - Ich denke dabei nur an die berühmten Keime dieser Häuser in Todesfällen gezählte 30 000 jährlich oder waren es sogar mehr? Die sog. Spätfolgen? -  Ich schlage vor, daß ein Betten- und Zimmerbonus erteilt, wenn in den Zimmern und Baderäumen auch geschrubbt wird. Selbstverständlich mit Reinlichkeitsplakette. Ein Reinlichkeits- Wettbewerb auf allen Ebenen. Deutschland räumt auf, Deutschland wird sauber. Einfach wunderbar, dank Corona.

Peter Holschke / 21.04.2022

Waren die alle geimpft? Dann hat die Impfung ja geholfen, diese Leute sind nicht an Corona gestorben. Und ohne den heldenhaften Einsatz der Helden, wären die Leute höchstwahrscheinlich sowie so an Corona verstorben. Es handelt sich somit um höhere Gewalt und für die Leutchen um ein Nullsummenspiel. Gurken, Gurken, war da nicht was? Was ist eigentlich aus der EHEC-Gurken-Epidemie geworden? Oder aus der BSE-Krise? Vermutlich haben das alle vergessen, so wie die Gefahren von Eiern, das Cholesterin in der Butter, das Salz, welches zum Herztod führt usw. Man kann den Leuten alles einreden. Sicher ist nur Solyent mit den vier wichtigen Vitaminen, B, A, S und F.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulrike Stockmann / 21.03.2024 / 06:15 / 68

Abschied von der Gruberin

Monika Gruber beendete vorläufig ihre Bühnenkarriere, weil sie den Diskurs in Deutschland für „vergiftet“ hält. In der Coronazeit gehörte sie zu den ganz wenigen kritischen…/ mehr

Ulrike Stockmann / 15.03.2024 / 12:00 / 121

Radikales Klima beim Ethikrat

Unter der Führung von Alena Buyx empfiehlt der Ethikrat eine Umverteilung für den „Klimaschutz“. Drei Mitglieder distanzieren sich von den radikalen Vorschlägen. Auf der Pressekonferenz…/ mehr

Ulrike Stockmann / 08.03.2024 / 06:00 / 70

Der rosa Elefant am Frauentag

Am Frauentag wird medial die strukturelle Benachteiligung der Frau betont. Frauenfeindliche Zuwanderung darf hingegen nicht thematisiert werden. Die Berichterstattung im Vorfeld des heutigen Frauentages ist…/ mehr

Ulrike Stockmann / 10.02.2024 / 10:00 / 96

Aufstand der Gratismutigen

Wenn die Politik Wellness-Veranstaltungen als Widerstand vermarktet, muss man sich nicht wundern, wenn Unternehmen und Medien das Gleiche versuchen. Mit teils bizarrem Ergebnis. Aktuell tummeln…/ mehr

Ulrike Stockmann / 20.01.2024 / 10:00 / 11

Kleinkrieg um Gender-Regeln im Südwesten?

Derzeit können Bürgerinitiativen gegen die Gendersprache Erfolge verbuchen, auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Das CDU-geführte Innenministerium bremst dort eine solche Initiative eines CDU-Mitglieds aus, welche…/ mehr

Ulrike Stockmann / 16.01.2024 / 11:30 / 22

Presserat missbilligt Migrationslügen

Ein ungewöhnlich anmutender Vorgang wurde am Montag von der Süddeutschen Zeitung in eigener Sache veröffentlicht. Der Presserat sieht bei zwei Artikeln des Blattes, die die…/ mehr

Ulrike Stockmann / 05.01.2024 / 15:30 / 75

Was will die neue Maaßen-Krall-Partei?

Gestern gab Hans-Georg Maaßen bekannt, gemeinsam mit der Werteunion eine neue Partei unter demselben Namen gründen zu wollen. Mit von der Partie ist auch Markus…/ mehr

Ulrike Stockmann / 23.12.2023 / 14:00 / 16

Der Hessische Rundfunk entdeckt die Pressefreiheit

Laut neuem Koalitionsvertrag soll dem Hessischen Rundfunk das Gendern verboten werden. Der Rundfunkratsvorsitzende ist entsetzt – wo bleibt denn da die Rundfunkfreiheit? Ausgerechnet bei einer…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com