Der Corona-Effekt: Geht es Kindern zu Hause am besten?

Ein Rückfall in die feministische Steinzeit droht, mindestens, weil gerade sichtbar wird: Mütter werden derzeit in ihrer Rolle als Hüterin von Heim und Herd unerwartet wieder sichtbar, weil sie massiv gebraucht werden. Wenn Vater Staat nicht mehr die Kinder hütet, dann muss Mutti wieder ran. So manchem schwant bereits leise, dass dies vielleicht gar nicht so eine schlechte Option ist. Im Magazin „Der Spiegel“ erzählt eine überzeugte berufstätige Redakteurin zaghaft von ihren Erfahrungen im Homeoffice und kommt zu der erstaunten Erkenntnis: Nie ging es ihrem Sohn besser, als jetzt, da sie ihn nicht mehr jeden Morgen aus dem Bett zerren muss, um ihn in die Kita zu bringen. Selbst der Logopäde des Jungen, der seine Therapie via Bildschirm weiterführt, ist ebenfalls erstaunt, der Junge macht in der zwangsweise geschaffenen, häuslichen Quarantäne erstaunliche, sprachliche Fortschritte. Mutti ist zu Hause und dem Kind geht es besser denn je. Ein echtes Emanzipations-Dilemma.

Nachdem der Staat nahezu wie ein Mantra seit Jahren vorbetet, dass Kinder angeblich nur unter Obhut einer staatlich geprüften Erzieherin nicht Gefahr laufen, komplett zu verblöden, und dass Bildung nur außerhalb des Elternhauses möglich sei, beweist ein ganzes Land gerade, dass Homeschooling sogar flächendeckend organisierbar ist, wenn es sein muss und dadurch das Abendland erstaunlicherweise nicht untergeht, obwohl wir sonst gerne die wenigen Eltern auf die Anklagebank setzen und ihnen die Kinder wegnehmen, die sich auch ohne Corona-Krise zutrauen, ihre Kinder selbst zu unterrichten. Erinnern wir uns nur einmal an die unsäglichen Herdprämien-Debatten, als es um das Betreuungsgeld in Deutschland ging.

Eine Verdummungsprämie sei das, ließ uns damals die Bertelsmann-Stiftung wissen. Von einer „Fernhalteprämie“ spricht bis heute die SPD, um die fahrlässige Haltung selbsterziehender Eltern an den Pranger zu stellen. Und gerade wird erzogen, gearbeitet und gebildet unter einem Dach und der Staat erklärt es gar zur Tugend, weil er es gerade so braucht. Nichts zeigt deutlicher, wie die Frage nach der Mutter, und ob sie sich zu Hause bei den Kindern oder im Büro aufhält, in Wahrheit ein Spielball der Politik ist, der immer dorthin geworfen wird, wo Frau gerade nützlich erscheint.

Mutterschaft: Das größte Problem der Frauenbewegung

Gerade die Mutter ist und bleibt das größte Problem einer Frauenbewegung, die weibliche Emanzipation ja bis heute erst dann als Erfolg verbucht, wenn Frauen sich im Lebensweg nicht mehr von Männern unterscheiden. Diese Gleichheit in allen Lebenslagen lässt sich oft als Illusion leben, solange eine Frau kinderlos ist. Erst mit der Mutterschaft wird zumindest in freien westlichen Gesellschaften das Leben von Frauen auf den Kopf gestellt, weil sich elementar etwas verändert. Dies Kind, das man selbst auf die Welt bringt, kann nicht wie ein Haushaltsgegenstand in den Keller gepackt werden, wenn er im Weg ist, oder man keine Zeit hat. Kinder kommen, um zu bleiben und sie binden unsere Aufmerksamkeit, unsere Zeit, unser Geld, unsere Emotionen. Und nun möchte ich nicht Vätern ihre Vatergefühle erklären, naturgemäß kann jeder Mensch nur seine eigene Perspektive wirklich nachvollziehen, aber es ist für Mütter doch gerade im Kleinkindalter eine viel engere Bindung an das Kind vorhanden, ganz egal, ob man das nun wahr haben will, oder als Feministin empört von sich weist.

Bemutterung, Mutter Erde, Puffmutter, Mutter Oberin, Mutter Teresa. Keine Frage, die Mutter und ihre Art zu sein ist tief verwurzelt mit der Schöpfung und Bewahrung von Leben. Und man muss nicht einmal ein Kind geboren haben, um Teil dieses Lebenskreislaufes zu sein. Jede Frau trägt das Potenzial in sich, selbst dann, wenn sie es nicht entfaltet oder nicht entfalten will. Die Hausmutter hält den Laden zusammen. Mutter Erde ernährt uns, der mütterliche Schoß ist die Quelle neuen Lebens und selbst im kinderlosen Kloster führt eine „Mutter“ die Ordnung an. Werden wir nicht gar von einer kinderlosen Landes-„Mutti“ Angela Merkel regiert? Sprechen wir nicht alle unsere Muttersprache? Was für eine riesige Kulturtat der Mütter weltweit, dass sie die nächste Generation sprachfähig und Logopäden arbeitslos machen, wenn man ihnen nur die Zeit und die Möglichkeit gibt, diese Aufgabe auch weiterhin wahrzunehmen. Während also instinktiv und sprachlich sichtbar die Mutter im Leben der Menschen ständig präsent ist, wird ihre Leistung und ihr Beitrag zum gesellschaftlichen und familiären Gelingen parallel und konstant kleingeredet und ignoriert.

Wenn der Staat ausfällt: Zurück zur Normalität der Mutterrolle

Krisenzeiten zwingen Gesellschaften immer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und zu reduzieren, weil für etwas anderes schlicht die Zeit, das Geld und die Energie fehlt. Millionen von Familien stellen gerade fest, dass dann, wenn der Staat als Nanny ausfällt, die Familie und ja, die Mutter, wieder in den Mittelpunkt des Haushaltes rückt.

Es gehört zu einem feministischen Mythos, dass Mütter ersetzbar seien. Es ist eine ideologische Hypothese, die noch nie an der Realität gemessen wurde, sondern immer nur dem Wunschtraum entsprang, die Mutter so schnell wie möglich komplett vom Kind zu „entbinden“. Dass in diesen Krisenzeiten, in denen Familien plötzlich gezwungen sind, den ganzen Tag miteinander zu verbringen, alte Rollenschemata wieder neu aufblühen, kann man entsprechend unterschiedlich deuten: Während die einen den Rückfall in veraltete Rollen beklagen und davon sprechen, die Frauen würden wieder zurück gedrängt, könnte man auch die These vertreten, dass in dem Augenblick, in dem die staatliche Ordnung und ihr künstlich erzeugter Druck auf Mütter zusammenbricht, sie mit großer Normalität in eine Rolle zurück rutschen, die manche nie freiwillig verlassen haben, sondern aus der sie massiv hinaus gedrängt wurden. 

Kein Grund zur Entwarnung: Der Mythos lebt weiter

Der Mythos der „Ersetzbaren Mutter“ ist gerade für eine Weile außer Kraft gesetzt. Das sollte leider dennoch kein Anlass zur Entwarnung sein, denn das Loblied auf die sich aufopferungsvoll kümmernde Mutter wird genau in jener Sekunde wieder verstummen, in der die Frau auf dem Arbeitsmarkt wieder gebraucht wird. Es ist nur eine Atempause, denn der ständig neu befütterte Mythos der entbehrlichen Mutter besitzt bereits eine gefährliche Dynamik.  

Es ist ja schon nahezu paradox, dass eine ganze Gleichstellungsbewegung politisch für die Einführung einer 50:50 Frauenquote kämpft, aber ausgerechnet bei Ehe, Familie und selbst bei der Frage der „Bemutterung“ von Kindern eine große Ausnahme macht. Während also die Leistung der Frau in der Politik, in einem Dax-Vorstand, in einer Partei und an jeder Universität niemals als verzichtbar, austauschbar und ersetzbar gilt, darf eine Ehe auch nur aus zwei Männern bestehen. Frauenanteil Null. Darf Elternschaft neuerdings aus einem Mann alleine oder auch zwei Männern gemacht sein und darf und soll eine Frau gar als Dienstleisterin in Form eines „Brutkastens“ von Männern ausgenutzt werden, um jenen eine künstliche Mutterschaft zu verschaffen, die dies auf natürlichem Wege niemals könnten.

Mutterschaft ist keine Rolle

Sprache schafft Bewusstsein, das hat die feministische Bewegung durchaus erkannt. So wie man sprachlich nahtlos still und leise von der Gleichberechtigung zur Gleichstellung übergegangen ist, ist auch die Mutterschaft zur Mutterrolle umdeklariert worden. So als sei das Leben an sich nur ein großes Schauspiel, das in verteilten und austauschbaren Rollen gelebt wird. Machst du heute die Mutter und ich den Vater und morgen tauschen wir wieder? Und ist die Erzieherin in der Kita inzwischen die Erstbesetzung und die Mutter noch auf der Reserveliste für Notfälle?

Mutterschaft ist keine Rolle. Wir spielen hier nicht Theater, wir sind Mütter. Wir sind es schon dann, wenn das Kind noch nicht auf der Welt und noch in unserem Bauch schwebt und wir bleiben es, bis wir begraben werden. Mutterschaft ist eine Statusmeldung. Sie ist systemimmanent, etwas, das einem keiner nehmen kann, selbst wenn einem das Kind genommen wird. Nie wird man sogar mehr zum Muttertier, als in dem Moment, wenn das einer versucht!

Das Existenzielle einer Krisenzeit zeigt sich auch in der Geschlechterdebatte gerade deutlich: Die Diskussionen um Gendergerechtigkeit sind nahezu verstummt. Erstaunlicherweise hat auch noch niemand gefordert, dass die Todesstatistik mit mehr als zwei Geschlechtern geführt wird, oder besitzen all die „dritten“ Geschlechter eine ominöse Unsterblichkeit und Corona-Resistenz, dass sie nirgendwo auftauchen? Die Frage, ob man mich auf der Intensivstation als selbsternannte „genderqueere Person“ auch mit dem richtigen Personalpronomen anspricht verliert an Relevanz, wenn ich mit dem Leben ringe. Existenziell ist im Moment für viele Familien der Zusammenhalt in schwierigen Zeiten. Für manche ist es ein ungewohnter Alltag, dass Kinder und Familie 24 Stunden am Tag zusammen verbringen und es auch müssen. Einfach ist das sicher nicht. Wir hören auch von jenen Familien, in denen die Enge des erzwungenen Zusammenrückens zu Schwierigkeiten, Aggression und gar Gewalt führt. Wir wollen also nicht pauschal schönreden, was für manche gerade das Gegenteil darstellt.

Corona-Krise schafft neues Selbstbewusstsein der Mütter

Aber es gibt eine positive Bilanz der Corona-Krise: In der Not lernt man sich neu kennen. Manche Familien tun das gerade überrascht das erste Mal in dieser Intensität und gewinnen Freude daran. Manche erfahren jetzt gerade erst, was sie vielleicht seit Jahren nicht wahrgenommen haben, lernen ihre Kinder neu kennen. Oder „sehen“ sie das erste Mal.

Man darf mit Spannung erwarten, wie viele der Mütter nach der Krise immer noch denken, die Fremdbetreuung bereits von Babys sei alternativlos. Die Entschleunigung dieser Zeit schafft Spielraum für neue Erfahrungen und Emotionen, die man sich vorher als Mutter eventuell selbst verboten hat. Wie viele Mütter hören bereits seit Jahren nur, was sie alles angeblich nicht können? Gerade beweisen Millionen von ihnen, dass sie zu Erstaunlichem fähig sind, wenn es sein muss. Mögen sie sich das niemals wieder ausreden lassen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des fontis-Verlages. Dort ist auch das aktuelle BuchMuttertiervon Birgit Kelle erhältlich.

Foto: Kerstin Pukall

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Leserpost

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Sommer E. / 26.06.2020

Keine Angst, es wird sich nichts ändern in linksgrünen Kreisen. Über die wirtschaftliche Notwendigkeit Arbeiten gehen müssen, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, werden die Mütter schon wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf gezwungen, weg vom Heim und der Familie, hin zu einer Überbelastung. Auch das ist eine Möglichkeit jungen Frauen zu zeigen, welche Vorteile es hätte, nur ein Arbeitnehmer zu sein, wie vorteilhaft es wäre, auf Kinder zu verzichten. Mit ein Teil dieses Zwanges ist die horrende Abgabenlast, die es einem durchschnittlichen Familienvater verunmöglicht, seiner Familie ein adäquates Auskommen zur Verfügung zu stellen.

M. Friedland / 26.06.2020

Sehr geehrte Frau Kelle, hätten Sie doch bloß diesen Satz, der mit “Und nun möchte ich nicht Vätern ihre Vatergefühle erklären, naturgemäß kann jeder Mensch nur seine eigene Perspektive wirklich nachvollziehen, aber…”  beginnt, weggelassen! Die Gefühle von Vätern sind Ihnen offensichtlich in Gänze unbekannt - haben Sie den Vater Ihrer Kinder eigentlich mal dazu gefragt? Und falls Sie jemals das Bedürfnis bekommen sollten, Vätern Vatergefühle zu erklären (oder ähnliches), oder auch nur glauben, Sie könnten dies - lassen Sie es. Bleiben Sie bei Ihren eigenen Erkenntnissen, diese sind aufschlußreich genug.

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