Christian Weber ist Sozialdemokrat und Präsident der Bremischen Bürgerschaft. Darf er offiziell vor Islamisten auftreten? Eigentlich eine unnötige, ja ungehörige Frage, denn ein so honoriger Mann wie der Bürgerschaftspräsident würde doch niemals Extremisten seine Aufwartung machen, sondern nur den friedlichen muslimischen Bewohnern seiner Stadt. Wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann gehört er auch zu Bremen. Und wenn Bremer Muslime den Geburtstag Mohammeds in der ÖVB-Arena feiern, dann muss der Bürgerschaftspräsident ein Grußwort sprechen, selbst dann, wenn die Feier zum Ehrentag des Propheten ausgerechnet auf den Ostersonntag fällt. Der Prophet und seine Religion brauchen schließlich Hilfe. Zitat:
Der Islam hat es in der öffentlichen Meinung in unseren Breiten nicht leicht. Der selbsternannte „Islamische Staat“ in Form von erodierenden Terrorbanden sorgte dafür, dass zwischen Religion und Radikalisierung häufig nicht mehr getrennt und differenziert wird. Das finde ich unzulässig und fatal. In diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, genau hinzuschauen und klar Position zu beziehen: gegen Terror und Krieg, gegen ISIS oder Daesch, aber eben auch gegen die Stigmatisierung von Muslimen.
Eine Geburtstagsparty mit ganz besonderen Gastgebern
Also ohne den „Islamischen Staat“ würden alle noch glauben, dass all die mörderischen Anschläge im Namen des Propheten „nichts mit dem Islam“ zu tun hatten? Lassen wir die unproduktive Suche nach einer Antwort auf diese Frage und folgen lieber dem Appell des Genossen Weber, genau hinzuschauen. Beispielsweise auf die Gastgeber von Mohammeds Bremer Geburtstagsfeier. Das ist die Islamische Föderation Bremen mit der ihr zugehörigen Millî Görüş. Oder wenn Sie es etwas persönlicher haben wollen: der Präsident der Islamischen Förderation Bremen, Ekrem Kömürcü, der gleichzeitig der Regionalvorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) ist.
Millî Görüş? Kommt Ihnen der Name bekannt vor? Falls Sie regelmäßig Verfassungsschutzberichte lesen, dann mit Sicherheit. Dort wird die islamistische Organisation alljährlich aufgeführt, auch wenn die Schlapphüte in den letzten Jahren plötzlich erkannt haben, dass die IGMG-Aktivisten ihre Ziele offenbar mehr und mehr im Rahmen des Gesetzes zu erreichen trachten und das deutsche Recht immer seltener ignorieren.
Kein Wunder, denn Millî Görüş sitzt inzwischen ja mit dem Segen des Bundesinnenministers am Tisch der Deutschen Islamkonferenz und kann dort direkt mit der Bundesregierung um eigene Privilegien feilschen. Frühere Innenminister wollten Islamisten, die den Verfassungsschutzämtern doch in verdächtiger Entfernung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen schienen, nicht am Tisch der Islamkonferenz haben und luden anfänglich stattdessen lieber ein paar liberale Muslime und Kritiker der Islamverbände ein. Diese Zeiten haben sich spätestens mit Innenminister de Maiziere geändert. Als der zur Islamkonferenz einlud, waren die Liberalen draußen und ein paar Verbände mit einst mangelhafter Verfassungstreue bekamen ihren Platz am Verhandlungstisch.
Ein innenpolitisches Resozialisierungsprogramm
Offenbar scheint auf diese Weise eine Art innenpolitisches Resozialisierungsprogramm geglückt zu sein, denn spätestens seit auch Millî Görüş-Vertreter ihre ministerielle Anerkennung erfahren, werden erstaunlicherweise auch die Verfassungsschutzbeurteilungen der IGMG milder. Bei der letztjährigen Vorstellung des Jahresberichts des Bundesamts für Verfassungsschutz im Sommer 2015 hatte Amtschef Hans-Georg Maaßen sogar in Aussicht gestellt, dass die IGMG vielleicht in einigen Jahren ganz aus der Beobachtung durch seine Behörde verschwinden könnte: „Wir nehmen den Wandel bei einigen Organisationen des legalistischen Islamismus wahr“, sagte Maaßen. „Ohne Prophet sein zu wollen: Es könnte sein, dass wir in ein paar Jahren feststellen, dass die IGMG auf dem Boden der Verfassung steht.“ Im Bericht der Kölner Behörde vom Jahr zuvor hatte es zur IGMG – der Verfassungsschutz setzt ihre Mitgliedschaft seit Jahren unverändert mit etwa 31.000 an – noch geheißen: Ihre „weiterhin bestehende Einbindung in die „Millî Görüs“-Bewegung“ in der Türkei stelle „die verbalen Bekenntnisse der IGMG zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] unverändert infrage. Die nach wie vor bestehende generelle Prägung durch die ‚Millî Görüş‘-Ideologie ist geeignet, eine ablehnende Haltung gegenüber westlichen Werten zu verstärken und Demokratiedistanz zu fördern.“ Im letztjährigen hieß es nun, dass die IGMG sich „mittlerweile überwiegend als rein religiöser Dienstleister“ verstehe und „anhaltende Bemühungen“ zeigte, sich aus der Beziehung zu Millî Görüş in der Türkei zu lösen.
Arbeitszeugnis: Er hat sich immer sehr bemüht
Wir wollen hier nicht darüber sinnieren, ob „anhaltende Bemühungen“ so zu verstehen sind wie „Er hat sich sehr bemüht“ in einem Arbeitszeugnis. Viel schöner klingen die „Organisationen des legalistischen Islamismus“. Mit denen kann man offenbar reden, verhandeln und Abkommen schließen. Bremen war da Vorreiter, worauf Bürgerschaftspräsident Weber auch in seinem Grußwort zu Mohammeds Geburtstagsfeier stolz verweist: Wir im Land Bremen haben schon vor einiger Zeit einen Staatsvertrag mit den Vertretern der muslimischen Gemeinden geschlossen, in dem ihre Rechte in unserer Städtegesellschaft ergänzend zum Grundgesetz, das die Religionsfreiheit garantiert, festgeschrieben sind. Dieser Staatsvertrag war aus meiner Sicht fällig und ist gleichzeitig fortschrittlich; die meisten anderen Länder zaudern und zögern noch. Ich sage, ein solcher Staatsvertrag setzt Zeichen: von Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit.
Was zaudern die anderen Länder da noch? Mit „Organisationen des legalistischen Islamismus“ kann man doch getrost Verträge schließen, die beispielsweise auch das Mitspracherecht der Verbände bei den Inhalten eines Islamunterrichts an staatlichen Schulen regeln. Die legalistischen Islamisten sind schließlich immer weniger verfassungsfeindlich. Die Landes-Verfassungsschutzämter von Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und dem Saarland haben deshalb die Beobachtung von Milli Görüs mittlerweile schon eingestellt.
Aber wie können andere Religionen friedlich mit „Organisationen des legalistischen Islamismus“ koexistieren, die – so legal sie auch sein mögen – ja dennoch dem Islam zum Durchbruch und zur Herrschaft verhelfen wollen? Der Bürgerschaftspräsident hat in der altehrwürdigen Hansestadt Bremen einen Weg entdeckt. Zitat: Wie Interreligiösität schon im 13. Jahrhundert funktionierte, offenbart ein Prunkstück in unserem Dommuseum. Ein dort ausgestelltes Bischofsgewand wurde offensichtlich aus muslimischem Gewand recycelt. In Teilen trägt es eingestickte arabische Schriftzüge.
Ein verkraftbarer Kollateralschaden
Wie versteht man diesen Sätze richtig? Wenn demnächst also die Muslime im Gegenzug ein paar christliche oder jüdische Devotionalien – vielleicht auch Bauten – zum eigenen kultischen Gebrauch so recyceln, dass man von ihrer früheren Nutzung noch etwas ahnt, dann haben wir doch eine Art von Interreligiösität? Immerhin eine solche, die sogar nichtlegalistische Islamisten kaum überfordern dürfte.
Bei solchen Aussichten auf das Zusammenleben muss ein deutscher Politiker den „Organisationen des legalistischen Islamismus“ auch wenigstens einmal dafür danken, dass sie sich um die vielen Zuwanderer bemühen: Gerade für Flüchtlinge aus arabischen Ländern sind Ihre Vereine und Verbände in Bremen ein wertvolle Stütze, weiß Christian Weber. Ist es denn keine Integration, wenn potentiell gewaltbereite Islamisten an den friedlichen „legalistischen Islamismus“ herangeführt werden? Dass auf gleiche Weise auch aus nicht-islamistischen Zuwanderern neue Islamisten geformt werden könnten, ist da offenbar ein verkraftbarer Kollateralschaden. Hauptsache ist das friedliche Zusammenleben. Mit legalistischen Islamisten auf dem Boden des Grundgesetzes schaffen wir das. Ein Satz, den sich vielleicht ein Mitglied der Bundesregierung für einen Auftritt bei Mohammeds nächstem Geburtstag merken könnte.
Zuerst erschienen hier auf sichtplatz.de