Gestern wurde Paul Biya, Staatschef von Kamerun, 93 Jahre alt. Der Autokrat ist seit 1982 im Amt, seine Nachfolge nicht geregelt. Im Falle seines Todes drohen Kämpfe um seine Nachfolge.
Am 13. Februar 2025 wird Paul Biya, Staatschef von Kamerun, 93 Jahre alt (Oben im Foto mit seiner Frau und dem Präsidentenpaar Obama). Er ist seit über 41 Jahren Präsident – nur der 82-jährige Teodoro Obiang Nguema Mbasogo im benachbarten Äquatorialguinea ist länger als er – seit 45 Jahren – an der Macht. Trotzdem gibt des Anzeichen, dass Biya bei den voraussichtlich im Oktober 2025 anstehenden Wahlen nochmals antreten will. Die Amtszeit würde 2032 enden, wenige Monate vor Biyas 100. Geburtstag. Die meisten Kameruner habe nie einen anderen Präsidenten ihres Landes gesehen: Paul Biya regiert seit 1982 das Land mit eisener Hand. Er war bereits seit 1975 Premierminister seines Vorgängers Ahmadou Ahidjo.
Die Opposition lässt der Autokrat einschüchtern und ins Gefängnis werfen. Der Herausforderer bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2018 saß neun Monate ohne Anklage im Gefängnis. Seit Jahrzehnten geht der zentralistische Regierungsapparat systematisch gegen Regimegegner vor. Im Korruptionsindex 2023 (2024 steht noch aus) von Transparancy International liegt Kamerun auf Rang 140 von 180 ausgewerteten Staaten.
Biya steht vor allem wegen der Beschränkung der Meinungsfreiheit und wegen staatlicher Gewalt in der Kritik. Die ehemalige deutsche Kolonie Kamerun (1884 – 1919) galt in den vergangenen Jahrzehnten als „Stabilitätsanker Zentralafrikas“. Das Land ist reich an Öl und Gas sowie an Mineralien, speziell Eisenerz, Bauxit, Mangan, Kobalt und Nickel, verfügt jedoch – auch wegen der schlechten Infrastruktur – über keine verarbeitende Industrie in diesen Sektoren, was das Land abhängig macht von den Preisentwicklungen an den internationalen Rohstoffmärkten. Die Wirtschaft entspricht bei weitem nicht ihrem Potenzial. Von den Bodenschätzen profitierten nur wenige Kameruner um die Familie Biya. Fast alle kamerunischen Regierungspolitiker haben ein Sonderbudget, das jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Die oberste Schicht – so mein Eindruck in Kamerun – schwelgt in Luxus und Verschwendungssucht.
Wenn Biya – mit einer 50-köpfigen Entourage – seine Amtsgeschäfte nicht vom Luxushotel „Intercontinental" in Genf aus führt, verbringt er seine Zeit in einem Anbau des Präsidentenpalais Etoudi in Kameruns Hauptstadt Jaunde oder in seinem Heimatdorf Mvomeka’a, rund 180 km südlich von Jaunde. Der oft abwesende Präsident Biya hat sich vom Volk entfremdet. Er sieht in der Regel keinen Handlungsbedarf, sich an seine Bevölkerung zu wenden. Nur selten äußert er sich öffentlich, reist fast nie zu Treffen seiner Amtskollegen.
Machtkämpfe um die Nachfolge
Die befremdliche Regierungsführung des gebrechlichen Präsidenten ist durch die Inexistenz des Ministerrats gekennzeichnet. Er gab zu meiner Zeit jeden Freitag Weisungen an seinen Regierungschef, den er allerdings seit Februar 2023 nicht mehr empfangen hat. Heutzutage – wie in der neuesten Ausgabe von Jeune Afrique (Nr. 3145 Février 2025) zu lesen ist, gehen die mündlichen Unterweisungen über den Generalsekretär des Palastes mit der Formel „Der Chef hat gesagt…“ ( „Le Chef a dit …“ ) direkt an die Minister. Seit 5 Jahren gab es keine Regierungsumbildung mehr, obwohl mehrere Minister verstorben sind. Sie wurden nicht ersetzt. Die Frage ist, wer hat die Zügel wirklich in der Hand? Es kursieren immer wieder Gerüchte über die Gesundheit des bald 93-Jährigen. Er wirkt seit Jahren gesundheitlich angeschlagen, oft schläfrig und konfus.
Es ist ein Tabu, auch nur über die Nachfolge nachzudenken. Die Regierung verbietet den lokalen Medien, darüber zu berichten. Im Falle seines Todes ist seine Nachfolge nicht geregelt. Nach der Verfassung wäre der Nachfolger im Todesfall der Senatspräsident Marcel Nita Njifenji. Er ist 90 Jahre alt.
Wenn Biya im Amt stirbt, wird es Machtkämpfe um die Nachfolge in seiner Partei RDPC, die seit den 1960er Jahren durchgängig regiert, geben. Aufgrund der politischen Repression drohen Kamerun auch gewaltsame Konflikte. Auch die Konflikte mit den Separatistengruppen in den englischsprachigen Regionen North-West und South-West sowie in der Region Extreme-Nord (Terrorangriffe der Islamisten Boko Haram) gefährden die Stabilität. Politische Lösungen der Konflikte sind derzeit nicht absehbar.
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Afrikas alte Männer
Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird arm regiert“, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage) Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.
Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.
Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.