Dem einen oder anderen imponiert der „Soft-Rocker der CDU“ mit dem fluffigen Quereinsteiger-Lebenslauf („Krawatten kennt er gar nicht“), der äußert respektable unternehmerische Erfolge vorzuweisen hat. Carsten Meyer-Heder, Spitzenkandidat der Union für die Bremer Bürgerschaftswahl am 26. Mai, ist jedoch zugleich ein typisches Symptom für das fortschreitende Ende der beiden großen, die gute alte Bundesrepublik dominierenden Parteien. Der Niedergang zeichnet sich gerade überdeutlich vor aller Augen ab.
Während die SPD sich entschlossen hat, sichtbar prozentual zu schrumpfen und es schon mal Umfragewerte gibt, die besagen, dass sie in einem Bundesland gerade noch bei sechs Prozent liegt, so hat sich die CDU, deren Werte im Vergleich zu den Vorjahren ebenfalls gesunken sind, wenn auch nicht so drastisch, eher zur inhaltlichen Entleerung/Wandlung entschlossen. Einige Mitglieder hielten Anfang 2017 innerhalb der eigenen Reihen die Schaffung der „Werte-Union“ für angezeigt – was die Aussage über die inhaltliche Entleerung/Wandlung unterstreicht. Deren wahrnehmbare Einflussnahme auf die Linie der Partei ist selbst dem geneigten Beobachter bislang auch eher verborgen geblieben.
In Bremen besetzt seit Wilhelm Kaisen – und der kam 1945 ins Amt – ununterbrochen ein Sozialdemokrat das Amt des Bürgermeisters. Dem nunmehrigen CDU-Kandidaten Meyer-Heder werden gute Chancen zugesprochen, diese Ära zu beenden. Die „Welt“ gab ihm via Interview eine Selbstpräsentationsplattform. An „welchem Typ Landesvater“ sich Meyer-Heder als eventueller Ministerpräsident, der er als Bremer Bürgermeister wäre, orientieren wolle?
Er nennt als Vorbild Daniel Günther, der in Schleswig-Holstein regiert. O-Ton Günther vor einigen Monaten: „Wir werden Angela Merkel noch vermissen, wenn sie aus der Politik ausscheidet.“ Das gelte „für die Deutschen insgesamt und erst recht für die CDU.“ Damit kein Zweifel aufkommt, orientiert sich Meyer-Heder schon heute an Günther. Auf die Frage nach der derzeitigen Kanzlerin hat er soeben geantwortet: „Für meine Begriffe sollten wir ihr jeden Tag dankbar sein, wie sie das Land in den vergangenen mehr als 13 Jahren geführt hat.“ Der erste Merkel-Altar hat offenbar gute Chancen, im deutschen Norden/Nordwesten errichtet zu werden.
Ein Rest-Anschein des Leistungsgedankens?
Andrea Nahles, die Meyer-Heder leid tut, ist samt ihrer Partei bereits abgeschrieben, sie ist dem Wahlkämpfer kaum einen wirklichen Angriff wert, denn der sieht „im Grunde die Grünen als die neue zweite Volkspartei neben der CDU.“ Dazu passt die aktuelle Meldung, dass die „Volkspartei“ Grüne einen Mitgliederrekord verzeichnen kann.
Meyer-Heders politisches Vorbild ist Gerhard Schröder. Nein, nicht der von der CDU, sondern der von der SPD. Traditionen sind Meyer-Heder unwichtig, da hat er „für beide Seiten Verständnis“. Für Bildung nimmt er gern Unterstützung vom Bund. Und für ein drittes verpflichtendes Kita-Jahr ist er, für „Chancengerechtigkeit“. Unterstellte Privatisierungsabsichten – „unseriöse Angstdebatte“ der SPD – weist er zurück.
Einen der (seit geraumer Zeit an der Bremer Regierung beteiligten) Wunschkoalitionspartner, die Grünen, greift er vorsichtshalber nur mäßig an. Tja, da sind nun mal „fünf Milliarden zusätzliche Schulden“ in zwölf Jahren, trotz Bundeszuschüssen von jährlich 300 Millionen. Nicht gut, aber irgendwie wird Finanzsenatorin Karoline Linnert schon wissen, was sie gemacht hat, schließlich will Meyer-Heder zusammen mit ihrer Partei regieren.
Die FDP soll dann auch dabei sein, Jamaika eben. Hier ist einmal mehr die Orientierung am Günther sichtbar, der macht das nämlich schon und kommt zudem „mit einer jugendlichen Frische daher“. Ganz so frisch ist Meyer-Heder noch nicht, als potenzieller Koalitionspartner wird die AfD ausgeschlossen, das versteht sich für einen CDU-Mann von selbst, aber auch die Linkspartei. Da ist Günther schon weiter, zumindest (oder zunächst?) „im Osten“ fände der nämlich CDU-Linke-Koalitionen gar nicht so schlecht
Die beginnende Sakralisierung der Kanzlerin lassen wir einmal außen vor, das sind nun wirklich schon andere Sphären. Das einzige, was bei Meyer-Heder irgendwie leise nach CDU klingt, ist das revolutionäre Vorhaben, man wolle den „Leistungsgedanken wieder an die Schulen bringen.“ Damit hat es sein Bewenden, zu sehr will man die „zweite Volkspartei“ schließlich nicht verprellen.
Als Bürgermeister würde Meyer-Heder in eines der schönsten Rathäuser Deutschlands einziehen. Als Repräsentant der CDU im Range eines Ministerpräsidenten würde er die weitere, wohl ohnehin unaufhaltsame Entfernung der Union von ihren ursprünglichen Ideen beschleunigen. Das Schlimme, oder, je nach Sichtweise, Gute: Einen Unterschied würde es wahrscheinlich ohnehin nicht mehr machen.