Zu den repräsentativen Aufgaben des Bundespräsidenten gehört auch das Verschicken von „Telegrammen" aus besonderen Anlass. Das Ableben einer bekannten Persönlichkeit, der Geburtstag eines Künstlers oder einer Künstlerin oder auch der Jahrestag einer Revolution. Nichts einfacher als das, sollte man meinen, es gibt genug Mustertexte, die man per Copy&Paste nutzen kann. Aber – ganz so ist es nicht.
Die ganze Republik konnte sich vor Lachen nicht einkriegen, nachdem bekannt wurde, dass Heinrich Lübke nach dem Tode von Jean Cocteau ein Kondolenzschreiben an die „Witwe" des Junggesellen und Männerfreundes geschickt hatte.
Das war allerdings eher ein Versehen, dem Umstand geschuldet, dass zu Lübkes Zeiten es nur zwei Geschlechter (Mann oder Frau) gab und Homosexualität keine Option war.
Kein Versehen dagegen war, dass fast alle deutschen Präsidenten seit 1980 dem Brauch huldigten, dem iranischen Blut- und Terror-Regime zum Jahrestag der iranischen Revolution zu gratulieren. Das wiederum wurde zufällig aktenkundig, nachdem Präsident Steinmeier dem iranischen Präsidenten zum iranischen Nationalfeiertag und 40. Jahrestag der islamischen Revolution gratuliert hatte. Hier steht der ganze Vorgang.
Man kann nicht behaupten, das Büro des Präsidenten wäre lernfähig und in der Lage, aus Schäden klug zu werden, wirklich nicht. Hier der Beweis, ein Notenwechsel mit der Pressestelle des Bundespräsidenten.
guten morgen, sehr geehrte frau uleer,
ich hoffe, es geht ihnen gut in diesen unruhigen tagen. es ist jetzt genau drei jahre her, dass wir miteinander korrespondiert haben. heute wende ich mich noch einmal an sie mit der bitte um eine klarstellung. es geht um folgendes:
der bundespräsident hat am 18. februar der filmemacherin margarethe von trotta zu ihrem 80. geburtstag gratuliert. in seiner glückwunschadresse schrieb er u.a.:
Mit der Ihnen eigenen Handschrift ermöglichen Sie neue Sichtweisen, insbesondere auf große Frauen der Weltgeschichte, die sich den Brüchen und Zumutungen ihrer jeweiligen Zeit mit großer Intelligenz, persönlicher Stärke und einem ausgeprägten Willen zur Veränderung der gesellschaftlichen als auch politischen Verhältnisse stellen. Sei es das Leben von Gudrun Ensslin, Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen oder Hannah Arendt – allen diesen Frauen und vielen anderen haben Sie unvergessliche filmische Porträts gewidmet.
dazu würde ich gerne folgendes wissen: ist dem bundespräsidenten bekannt, dass die von ihm den großen frauen der weltgeschichte zugeschriebene gudrun ensslin als mitbegründerin und führendes mitglied der Roten Armee Fraktion an fünf bombenanschlägen mit vier todesopfern beteiligt war und wegen vierfachen mordes 1977 zu lebenslanger freiheitsstrafe verurteilt wurde? https://de.wikipedia.org/wiki/Gudrun_Ensslin
sind seit dem freitod von gudrun ensslin tatsachen bekannt geworden, die eine neubewertung ihrer rolle innerhalb der RAF rechtfertigen würden?
für eine zeitnahe antwort wäre ich ihnen sehr verbunden.
Die Antwort von Frau Uleer:
Sehr geehrter Herr Broda,
vielen Dank für Ihre Mail mit Bezug zum Glückwunschschreiben an Frau von Trotta, das wir auf unserer Homepage veröffentlicht hatten.
Die darin erfolgte Einordnung von Gudrun Ensslin ist ganz klar ein Fehler. Eine verurteilte Mörderin gehört nicht in diese Reihe. Wir entschuldigen uns und werden das Glückwunschschreiben korrigieren.
Mit besten Grüßen
Esther Uleer
Inzwischen ist das Glückwunschschreiben an Frau von Trotta von der Homepage des Bundespräsidenten verschwunden. Wisch und weg.