Gerd Habermann, Gastautor / 14.02.2020 / 16:00 / Foto: GH / 14 / Seite ausdrucken

Der Baum und das Efeu

Von Gerd Habermann.

Im Park steht ein stattlicher Baum. Nicht nur, dass er uns durch sein Aussehen, seine Früchte vielleicht, seinen Schatten, seine Kühlung im Sommer erfreut und was er sonst an für uns nützlichen Funktionen bereithält. Überdies ist er spendabler Gastgeber für Vögel und allerlei Kleintiere, und an niemanden schickt er eine Rechnung. Es macht ihm auch nicht viel aus, wenn sich eines Tages eine Efeupflanze hochranken mag, die Halt aus ihm zieht und seinen kahlen Stamm sogar mit ihren Blättern schmücken kann.

Man lebt lange in Koexistenz zusammen, aber eines Tages hat der Efeu den Baum bis in die Krone hinauf überwachsen, und was im Winter noch wie ein grüner Schmuck aussehen mag, wird ihm zum Verderben. Der Efeu nimmt ihm Luft und Licht. Eines Tages beginnt er an seinen Ästen zu verkümmern, und es kommt der Morgen, vielleicht nach einer Sturmnacht, da sehen wir ihn umgestürzt mitsamt seiner noch grünenden Gastpflanze. Sie gehen nun gemeinsam zugrunde.

Dies ist ein Bild vom Kapitalismus (der Marktwirtschaft) und dem Wohlfahrtsstaat. Der Baum ist der Wirt, der Efeu der Gast, der nicht gefragt hat und der nicht zahlt. Der Baum wie der Wohlfahrtsstaat ist wie eine Allmende mit freiem Zugang für alle, er hat keinen Preis und stellt keine individuelle Rechnung aus. Er folgt einer Ethik des Teilens, der „Solidarität“, der „sozialen Gerechtigkeit“ – auf Kosten des Wirtes. Er kann ja nur an die einen „umverteilen“, was er anderen genommen hat: Jenen, die er die „Besserverdienenden“ nennt.

Sie bringen ja vorsätzlich Ihre Kunden um!

Sein Geschenke sind die „öffentlichen Güter“, die er auch da bereitstellt, wo sie ökonomisch-technisch als private Güter angeboten werden könnten: staatlich organisierte soziale Sicherheit zum Beispiel, der garantierte staatliche Beistand in allen Risiken und Lebenslagen, auch, wo Selbsthilfe das nächstliegende wäre. Erziehung, Betreuung und Bildung gehören dazu, auch Verkehr oder die sogenannte Daseinsvorsorge insgesamt, aus welchem unbestimmten Begriff man ohne weiteres eine Vollsozialisierung der Wirtschaft ableiten könnte. Gehören die Lebensmittel-, Textil- oder Wohnungsversorgung etwa nicht zur Vorsorge dieser Art – und vielleicht demnächst die Luft, gar das Klima?

Und was er nicht direkt als öffentliches Gut auch selber produziert, wird er es nicht wenigstens als „nützlich“ („meritorisch“) fördern und anderes dagegen, wo nicht verbieten, so doch wenigstens als gefährlich (zum Beispiel Tabak- oder Alkoholgenuß, dickmachende Lebensmittel und womöglich zu viel Sex im Alter?) hinstellen („demeritorisch“)? Dies sucht er durch propagandistisches Nudging, zu deutsch wohlmeinende Bevormundung, zu erreichen. So wird auch der harmlose Genussraucher mit der Warnung „Rauchen ist tödlich“ und entsprechenden scheußlichen Bildern auf der Zigaretten- oder Zigarrenschachtel, ja selbst auf der Tüte oder Dose mit Pfeifentabak schockiert. Ich fragte einmal eine Tabakverkäuferin: Was denken Sie sich eigentlich dabei, dass Sie uns so tödliche Kost verkaufen? Wo bleibt denn Ihr Gewissen? Sie bringen ja vorsätzlich Ihre Kunden um!

Der aktuelle Wohlfahrtsstaat ist noch nicht Staatsozialismus in seiner vollen Durchführung, noch gibt es private Güter, private Produktionsmittel mit Unternehmern  und keinen zentralen staatichen Wirtschaftsplan. Noch hat der Efeu den Baum nicht erstickt, aber der Zeitpunkt könnte bald kommen. Der Wohlfahrtsstaat kann nur leben, solange der Kapitalismus lebt, das heißt, solange es noch Unternehmerlust und Gewinnchancen gibt und die individuelle Freiheit in Konsum und Produktion noch nicht totreguliert wurde. Auch gibt es grundsätzlich eine Beschränkung der öffentlichen Güter auf die Bevölkerung einer Nation, die sie hervorbringt. Wird Deutschland jedoch zur sozialen Allmende für die ganze Welt, wie es die dominierende universalistische Ethik suggeriert, da könnte der kapitalistische Wirt bald sein übernutztes Gasthaus schließen: die „Tragödie der Allmende“ wäre herbeigekommen.

Gerd Habermann ist geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft

Foto: GH

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Leserpost

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Gerald Krüger / 14.02.2020

Eine beeindruckende, aber auch sehr nachdenlich machende, melancholische Darstellung der Realität. Danke.

Margit Broetz / 14.02.2020

Friedrich A. Hayek war weniger radikal als die meisten seiner Anhänger. In seinem “Weg zur Knechtschaft” tritt er sogar für eine Grundsicherung ein. Und wenn die Gesellschaft in Familie, Erziehung und Schule, Gemeinsinn und Solidarität lernt, was möglicherweise ein “Volk” voraussetzt, jedenfalls keine Multi-Kulti-Bevölkerung verträgt, dann klappt auch Sozialstaat, wie Jahrzehnte die Schweden bewiesen. Aber die haben ihn eben nur in echten Notlagen in Anspruch genommen. Mit offenen Landesgrenzen und grenzenloser Aufnahme von Migranten ist das aber nicht möglich, in diesem Punkte hatte sogar Milton Friedman recht.

Dr. Wolf-Dieter Schleuning / 14.02.2020

Lieber Herr Habermann, vielen Dank für diesen anschaulichen und klarsichtigen Beitrag!

Claudius Pappe / 14.02.2020

„Nichts ist in der Regel unsozialer als der so genannte Wohlfahrtsstaat, der die menschliche Verantwortung und die individuelle Leistung absinken lässt.“ “Ich habe diese Flucht vor der Eigenverantwortung drastisch genug gekennzeichnet, wenn ich sagte, daß, falls diese Sucht weiter um sich greift, wir in eine gesellschaftliche Ordnung schlittern, in der jeder die Hand in der Tasche des anderen hat Das Prinzip heißt dann: Ich sorge für die anderen und die anderen sorgen für mich! Die Blindheit und intellektuelle Fahrlässigkeit, mit der wir dem Versorgungs- und Wohlfahrtsstaat zusteuern, kann nur zu unserem Unheil ausschlagen.” Ludwig Erhard

F. Auerbacher / 14.02.2020

Der großartige Michael Klonovsky spricht von einem parasitären Verhältnis zwischen (vereinfacht gesagt) Sozialismus und Marktwirtschaft. Ob Seerosen, Efeu oder Parasit: alle diese genotypischen Analogien treffen meines Erachtens im Kern zu.

Waltraud Köhler / 14.02.2020

Der Artikel ist alles, aber nicht rund. Der Wohlfahrtstaat wird mit dem Baum verglichen, aber es ist der Efeu, der den Baum erstickt, wie es auch am Ende richtig heißt. Der Baum ist eher noch die Marktwirtschaft, umso mehr Nahrung allerdings der Efeu (Sozialstaat) dem Baum (der Marktwirtschaft) entzieht, umso früher wird beides stürzen. Kümmert sich auch nach dem Sturz niemand drum, so “frisst” der Efeu auch alle Nahrung aus dem umgestürzten Baum und dehnt sich auf der Fläche so aus, dass kein neuer Baum als den Samen des alten, wachsen kann. Mit anderen Worten, der Sozialstaat funktioniert dann nur noch auf niedrigstem Niveau, alle sind gleich arm.

beat schaller / 14.02.2020

Einfach, wohltuend, treffsicher und grossartig verständlich. Leider nur auf der Achse, anstatt in ganz Eutschland oder in den Öffis. Danke für diesen ruhigen Beitrag, Herr Habermann. b.schaller

A. Ostrovsky / 14.02.2020

Schade, in diesem schwerverständlichen Stil erreicht man nicht die Sonderschüler. Es muss doch einen Grund geben, dass die es noch nicht verstanden haben, wahrscheinlich können sie der Komplexität der Zusammenhänge nicht folgen. Wenn man da etwas erreichen will, braucht es einfache Sätze, Sobjekt-Prädikat-Objekt, keine Fremdwörter, die selbst der durchschnittliche Bildungsbürger erst googeln muß. Beim dritten Schachtelsatz wird es selbst der Gutwilligen zu verworren.

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