Gunnar Heinsohn / 18.04.2020 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 83 / Seite ausdrucken

Der bange Blick auf Schweden

67.000 tote Schweden hätte Corona bewirken müssen, wenn die Prognose des Londoner Imperial College vom 16. März 2020 über 2,2 Millionen tote US-Amerikaner (330 Millionen) auf das skandinavische Land (10,3 Millionen) umgerechnet wird. 

Da 20 Prozent aller Schweden über 65 Jahre alt sind, aber nur 16 Prozent der Amerikaner (Zahlen für 2018), darf man auf 70.000 Verschiedene aufrunden. Als dasselbe Imperial College seine fulminante Prognose auf ein Elftel oder maximal nur noch 200.000 tote Amerikaner herunterschraubt, ergibt das für Schweden eine Verringerung auf 6.300 Tote.

Tatsächlich sind bis zum 16. April 2020 eine sehr viel geringere Zahl von 1.330 Schweden verstorben, die zugleich auf einen Coronatest positiv reagiert haben. Davon erreichten 87 Prozent ein Alter von mehr als 70 und 62 Prozent sogar von mehr als 80 Jahren.

Im Jahr 2018 wurden insgesamt etwa 92.000 Schweden begraben. In den 97 Tagen vom 1. Januar bis zum 16. April 2018 sind das knapp 25.000 (realiter waren es jahreszeitlich bedingt mehr). Zu den 25.000 darf man die 1.330 Corona-Toten von 2020 ins Verhältnis setzen, weil man in China spätestens am 17. November 2019 erste Infizierte registriert und bald darauf auch gestorben wird. Der 1. Januar 2020 kommt als Stichtag für erstes europäisches Corona-Sterben also keineswegs zu früh. Ob die 1.330 den 25.000 desselben Zeitraums von 2018 tatsächlich hinzugeschlagen werden müssen oder in dieser Summe ohnehin enthalten gewesen wären, wird für die Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus eine bedeutende Rolle spielen. 

Da Schweden eine Demokratie ist, protestieren auch dort Gelehrte – dreiundzwanzig ausgewiesene Kenner davon am 14. April – gegen Stockholms vermeintlich unverantwortlichen Verzicht auf einen Lockdown. Das Land meldet gleichwohl nur gut 1.200 Corona-Träger auf eine Million Einwohner. Hingegen werden bei den Ökonomie-Blockierern in Berlin und Washington die sie ermutigenden Virologen zu Fernsehstars. Dennoch müssen sie 1.600 bzw. 2.000 Infizierte pro Million einräumen.

Man wird eines Tages analysieren, warum Schweden bei den 2015er Grenzöffnungen noch abenteuerlicher handelte als die deutsche Führung, ein halbes Jahrzehnt später aber zur Vernunft zurückgefunden hat.

Siehe zum gleichen Thema auch dieses aktuelle Fundstück: Liegt Schweden am Ende doch richtig?

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Juliane Mertz / 18.04.2020

Vielen Dank, ihre geschätzte Meinung bestärkt mich in dem, was ich auch sehe. Die Todeszahlen entwickeln sich laut Wikipedia derzeit in Schweden sogar günstiger als in Deutschland, weil es bei uns keinen eindeutigen Abwärtstrend gibt. Der Abwärtstrend ist bei einer Epidemie das Erlösungssignal, es sei denn, dass er durch Lockdown-Maßnahmen erzwungen wurde, dann nämlich besteht die Gefahr, dass die Epidemie von neuem beginnt.

Emma W. in Broakulla / 18.04.2020

Als in Schweden lebend danke ich Ihnen Herr Heinsohn. Ich hoffe natürlich auch sehr das die Schweden es richtig machen. Es gibt auch hier in Schweden inzwichen sehr viele Einschränkungen, auch wenn es sich in deutschen Medien meisten so liest als ob hier alles so weiterliefe wie vor Corona. Das ist absolut nicht der Fall. Die Schweden sind überwiegend vernünftig ( Ausnahmen bestätigen die Regel) und richten sich nach den Vorgaben der Regierung und der Vireologen A.Tegnell

Gudrun Meyer / 18.04.2020

Vermutlich kommt demnächst jemand im deutschen politischen oder Medienbetrieb auf die Idee, in Schweden gebe es nur deshalb wenig Corona-Infizierte, -Erkrankte und -Tote sowie genug Intensivbetten, weil der Lockdown in den mittel- und südeuropäischen Ländern Schweden gegenüber dem Virus abgeschirmt habe. Dümmer als Karl Lauterbachs Behauptung, Obama hätte das Virus in den USA gestoppt, aber jetzt sorgte die Regierung Trump für einen weit überproportionalen Anteil schwarzer Corona-Toter (einen Anteil, der statistisch nicht besteht), wäre so eine “Erklärung” für die Fakten in Schweden doch auch nicht.

Magdalena Hofmeister / 18.04.2020

Nur zum Vergleich: Schweden heuer 1400 Tote vs. Ungarn 172 (gemäß worldometer), beide Länder haben ca. 10 Mio. Einwohner, aber vollkommen entgegengesetzte Strategien. Die harte Strategie Ungarns zeigt in diesem Lichte durchaus Erfolg. Eine andere Frage ist, was noch verhältnismäßig ist u. was das ursprüngliche Ziel des wirtschaftl. Lockdowns war und ab wann die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung mehr Schaden verursachen (a. humanen Schaden durch z.B.: verschobene dringende Operationen; Menschen, die aus Angst vor Ansteckung sich beim vermuteten Herzinfarkt nicht zum Arzt trauen; langfristige Massenarbeitslosigkeit u. vermehrte Suizide etc.), als ohne o. nur eingeschränkte Maßnahmen. Mir scheinen inzwischen Viele das eigentl. Ziel aus dem Auge verloren zu haben: Die Fallzahlen so in Schach zu halten, dass sie nicht rasant in die Höhe steigen u. das Versorgungssystem zusammenbrechen lassen, so dass Coronakranke nicht mehr adäquat behandelt werden können, aber a. andere Krankheitsfälle dadurch tödlich betroffen werden. Und da haben sich m.E. zwei Dinge herauskristallisiert (neben den Unterschieden im Sozialleben, die durchaus eine Rolle spielen - kult. Distanzverhalten u. Familienstrukturen - u. d. unterschiedl. Ausstattung d. Gesundheitssysteme): 1. Massenveranstaltungen (int. Messen, volle Fussballstadien, Karneval, Weltkirchentage etc.) haben zu rasanten Anstiegszahlen geführt und sollten in diesem Jahr wohl tatsächlich ausfallen (was aber, da wirtschaftl. begrenzt, wohl noch aufzufangen wäre); 2. der Virus muss dringend aus Pflege- u. Krankheitseinrichtungen gehalten werden, durch Separierung, besondere Schutzausrüstung, permanente Testung u. Sofortisolierung von betroffenem Personal u. Bewohnern.

Anton Weigl / 18.04.2020

Was mich an Schweden irritiert, ist die Tatsache, daß in kalten Zeiten die Sterberate in den Skandinavischen Ländern massiv steigt. In wärmeren Dekaden fällt und eine Schwedin demonstriert gegen Klimaerwärmung. Ein Großteil der europäischen Eliten huldigt der sogenannten Klimaretterin und schließt sich ihr an.

RMPetersen / 18.04.2020

Über die Todesziffern zu Corona gibt es zwischen den Landern kaum wirkliche Vergleichbarkeit. Deutschland hat ja vom Beginn an auffällig wenige Corona-Tote gemeldet, das Fehlen obligatorischer Autopsien mag ein Grund sein. Auch ist die Angabe der “Zahl der Infizierten”, welche in Wirklichkeit ja die “Zahl der positiven Tests” ist, mit einer unbekannten Dunkelziffer (- man suche sich Faktoren zwsichen 2 und 20 aus), nich für trnsnationale Vergleiche geignet. Eine gewisse Vergleichbarkeit besteht mE in der Zahl der “Serious Cases / Critical”: Deutschland meldet jetzt 5.013 Fälle, Schweden 523. Berücksichtigt man die Einwahnerzahlen (84 Mio., 10 Mio.), dann sieht es in Schweden nicht schlecht aus.

Johannes Schuster / 18.04.2020

Corona ist kein Killervirus, es kommt als Komorbidität vor. Es wird in wenigen Monaten der Zank losgehen, und die abenteuerlichsten Narrative, warum es bei dem Ausmaß einer Grippe doch sooo viel gefährlicher war, es war so gefährlich, daß es sich in der Ungefährlichkeit gefährlich versteckte… usw. etc. pp. Warum man solange am “Lockdown” herumbastelt und an den Zahlen ? Je schneller es normal wird, desto größer die politische Lawine. Es geht schon längst nicht mehr um Corona, sondern um den Umgang mit den eigenen hysterischen Fehlern. Die Krematorien haben nicht mehr oder weniger Arbeit als bei einer Influenza, der städtische Friedhof hier hat keine zusätzlichen Bestattungstätigkeiten, die Toten mögen sein wo sie wollen, auf dem Friedhof sind sie mal nicht mehr zugezogen, als sonst auch, man kann die Katastrophe suchen, die ist in den Köpfen. Das ist kein Feuersturm, das ist auch nicht Dachau, Corona hat nicht einmal die Anfangseigenschaft einer Katastrophe. Es ist eine narrative solche, weil keiner mehr eine Katastrophe wirklich kennt. Nein, und es war auch nicht Tschernobyl, und nein, Corona hinterließ keine menschenleeren Gegenden. Es ist wohl eine Katastrophe, wie die des Klimawandels aus rein suggestiven Anteilen, die auch nur in einem dekadenten Wohlstand so derart psychotisch verfangen können. Die Leute können sich nicht mehr fühlen und lechzen nach der Grenzerfahrung sich wieder fühlen zu können um das by proxy los zu werden. Und dieses Krankheit ist global das Ergebnis des Wohlstandes. Schweden wird nicht besser oder schlechter wegkommen, nur der Rest muß sich später ggf. durch die Flucht in die nächste Krise erklären. Das ist schon ein Ding jenseits von Kategorien und ohne Ja und Nein, es ist ein Zustand, ein wahnwitziger, den man sowenig bewerten kann, wie er unabänderlich ist.

Tobias Kramer / 18.04.2020

Schweden ist insgesamt so linksversifft wie unser Berlin und den Zahlen messe ich keine große Bedeutung bei. Auch bei uns wird da getrickst, was das Zeug hält. Insofern sollte man erstmal abwarten, was in Schweden weiter passieren wird. Eine Bekannte von mir wohnt im nördlichen Schweden und die erzählt jetzt schon ganz andere Dinge, als uns hier verkauft werden.

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