Der Arbeitsmarkt im Mai: Zombieunternehmen und Zombiemitarbeiter

Zunächst möchte ich mich für die Zuschriften auf meinen letzten Beitrag zu diesem Thema bedanken. Es ist sehr wichtig für mich, auf diese Weise Feedback zu bekommen. Nur so kann ich immer besser werden. Ich schätze insbesondere die Kommentare auf Achgut.com, meist mit Klarnamen, die oft aufschlussreiche Ergänzungen zu bieten haben.

Eine Frage lautete, woher ich meine Daten beziehe So seien doch beispielsweise die Empfänger von Arbeitslosengeld 1 sehr wohl in der Statistik erhalten. Hierzu ein ganz klares: Ja, aber nein

Im Prinzip könnte sich jeder die echten Arbeitslosenzahlen näherungsweise selbst ausrechnen. Hierfür genügt der Monatsbericht der Arbeitsagentur der Arbeitsagentur. Hier werden alle Bezüge aus dem SGB II und SGB III, aber auch die Zahl der Menschen in Kurzarbeit aufgeführt. Soviel zum "ja". Die Statistik der Agentur für Arbeit ist korrekt.

Medien verbreiten weiterhin Fake News

Und dennoch sind die in der Pressemitteilung propagierten Zahlen, die gestern zuverlässig durch die Medien verbreitet wurden, irreführend, was auch der Grund ist, warum ich diese Kolumne verfasse. Für Medien wäre es kein Problem, eine Zahl zu veröffentlichen, die dem Arbeitsmarkt eher entspricht. Es ist im Prinzip nachvollziehbar, wenn auch nicht wünschenswert, wenn eine Bundesoberbehörde, die dem Arbeitsminister unterlegen ist, verzerrte Zahlen verbreitet.

Ich halte es jedoch für einen groben Fehler, wenn sogenannte Qualitätsmedien die Zahl aus der Pressemeldung der Agentur für Arbeit unreflektiert übernehmen. Propaganda braucht immer ein Sprachrohr. Nützlich machen sich hierbei hierbei ARD, ZDF, aber auch ZEIT, SZ und Focus. Die meisten etablierten Medien verbreiten auch für den Mai die Zahl von 2.687.191 und verkaufen diese als die Arbeitslosenzahl in Deutschland.

Es ist besonders erstaunlich, dass die Agentur für Arbeit eine Zahl in seine exakte Genauigkeit angibt, also bis auf den letzten Arbeitslosen, obwohl die Zahl selbst systematisch klein gerechnet wird. Schaue ich mir jedoch den Monatsbericht an und realisiere neben ALG I Empfänger auch (in Teilen) Kurzarbeiter, Arbeitslose über 58 Jahre, die aus rätselhaften Gründen nicht berücksichtigt werden und vieles mehr, komme ich auf eine Zahl die irgendwo um 6 Millionen und die Quote liegt, konservativ berechnet, irgendwo um 14 Prozent. 

Es ist jedoch gut möglich, dass die Zahlen um 20 Prozent liegt, wenn man nicht-registrierte Menschen hinzurechnet oder Beschäftigte von künstlich am Leben gehaltenen Betrieben, so genannte Zombieunternehmen hinzurechnet. Details zu meiner Schätzung finden Sie in der Kolumne vom letzten Monat.

Die Zombifizierung der Wirtschaft geht weiter

Neben der steten Niedrigzinspolitik, die ihren Anfang in Draghi nahm und mit Sicherheit auch Frau Lagarde überleben wird, ist Kurzarbeit ein wesentlicher Faktor, warum Zombieunternehmen existieren. Nun hat die Bundesregierung in Form der massivsten Fehlbesetzung des Arbeitsministers, Hubertus Heil, die Regeln für Kurzarbeitergeld (KUG) im Wesentlichen verlängert. So wird die Erhöhung des KUG auf 70/77 Prozent ab dem vierten Monat und auf 80/87 Prozent ab dem siebten Monat wird bis zum 31. Dezember 2021 verlängert für alle, die vor März 2021 in KUG waren. Bis Ende Juni werden die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstattet, anschließend zur Hälfte. 

Das heißt: 2,61 Millionen Menschen beziehen, Stand März, KUG. Das sind im Gegensatz zu Februar mit 2,73 Millionen Menschen zwar signifikant weniger; dennoch sind Effekte, wie die beschlossene Verlängerung von KUG, noch nicht enthalten. Unternehmen bestehen aus Menschen und Menschen reagieren auf Anreize. Die Aussicht auf ein verlängertes KUG bis Juni bzw in Teilen bis Ende des Jahres weckt Begehrlichkeiten. Nach meiner subjektiven Wahrnehmung prüfen die Agenturen für Arbeit zwar inzwischen – im vergangenen Jahr gab es de facto keine Prüfung – aber immer noch stiefmütterlich die Unternehmen auf Berechtigung dieser Subventionen. Florierende Unternehmen nehmen KUG immer noch zu oft mit und Zombieunternehmen werden damit am Leben gehalten. 

Das Problem an Zombieunternehmen ist, dass sie den Markt verzerren. Untersuchungen der OECD machen deutlich, dass Zombiebetriebe seit 20 Jahren immer mehr werden. Sie hemmen die Produktivität ganzer Branchen, da sie den Markt verstopfen und somit das Wachstum von gesunden Unternehmen behindern. Ferner sorgen diese Firmen für wenig Lohnzuwächse und geringere, teilweise gar kein Steueraufkommen. Innovative Produkte, die eine Gesellschaft besser und lebenswerter machen, sind hier nicht zu erwarten. Oftmals trägt das Kurzarbeitergeld dazu bei, dass diese Unternehmungen ohne gesellschaftliche Legitimation exisitieren.

Auch die Beschäftigten werden zombifiziert

Was nicht heißt, dass ich für die Zahlung von KUG kein Verständnis aufbringe. Auch hier möchte ich mich für einen Leserbrief von einem Mitarbeiter einer Fluglinie bedanken. Wenn der Staat durch Befehl und Gehorsam ganze Branchen lahm legt, steht er eigentlich in der Verantwortung, den Beschäftigten zu helfen. Das Problem ist: Der Staat kann von sich aus gar nicht helfen, da der Staat über kaum eigene Einnahmen verfügt. 

Im Fall von Corona Maßnahmen bringt er Unternehmen um ihren Umsatz und Mitarbeiter um ihre Jobs, rettet aber gleichzeitig die Unternehmen und die Jobs durch Steuergeld. Steuergeld hängt, entgegen der Annahme vieler Linker, nicht an Ästen von Bäumen, sondern muss erarbeitet werden. Kurz gesagt evoziert der Staat eine Not, die er mit dem geringer werdenden Nutzen, also mangelnde Steueraufnahmen aufgrund der selbst erzeugten Not kompensieren will. Man bekämpft ein Medikament, das die Erkrankung erst hervorruft. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

Eine kurze Bemerkung an die Beschäftigten, die aktuell die Berufsverbote finanzieren müssen. Während der Staat ganze Unternehmen abschließt und auf die Kultur keinerlei wert legt, die Bars veröden lässt und das Feiern verbietet, arbeiten Millionen Menschen an ihrer Belastungsgrenze und darüber hinaus. Sie halten den Laufen am Laden, ohne einen Ausgleich zu haben. Kein Kino, keine Kneipe, kein Club. Urlaub stellt sich als höchst komplizierte Angelegenheit dar und kann unter Umständen nur aufgrund von Erpressung, sprich mit einer Impfung, statt finden. 

Die Maßnahmen sind auf so vielen Ebenen eine Zumutung und Achgut.com hat dies in vielerlei Hinsicht dokumentiert. Was den Arbeitsmarkt angeht, kann man von keiner Entwarnung sprechen. Und was den mentalen Haushalt vieler Mitarbeiter betrifft, die fast 50 Prozent ihres Lohn an den Staat pfänden müssen, fehlt weite Teile kompensativer Tätigkeiten. Doch diese Art von Gesundheitsschutz, der beim Thema Arbeitssicherheit jeden Milimeter durchreglementiert, scheint dem Staat nicht zu interessieren.

Dem Virus hat sich jede andere Art von gesundheitliche Gefährdung unterzuordnen. Arbeitnehmer werden gerade verheizt und zu Zombiebeschäftigten. Das werden die Politiker von heute morgen verantworten müssen. 

Julian Marius Plutz arbeitet hauptberuflich im Personalbereich. Alle Zahlen, die nicht via Link belegt wurden, bezog der Autor aus dem Monatsbericht der Agentur für Arbeit Mai. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog neomarius.blog

Foto: Ecureuil CC BY 3.0 via Wikimedia

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Ralf.Michael / 02.06.2021

Ein vollgetanktes Flucht-Auto, beladen mit komplettem Survival-Equipment (ich empfehle 3,5 Tonner / Diesel) und 8 Wochen Langzeit-Campingurlaub in der Pampa. Ja, genau dort wo es keinen Mobilphone-Empfang gibt und auch kein Briefträger hinkommt…....Alles Geld abheben, Wohnung/Haus massiv verrammeln und dann mal so “Richtig Wegtauchen”. Nach dem Urlaubsende haben wir dann ein “Neues Deutschland”....Wetten ??

S. Marek / 02.06.2021

@ Herr Plutz, ich vermute, daß auch Sie unter Zeitdruck stehen, trotzdem wurde ich vorschlagen, daß Sie Ihr Artikel vor der Veröffentlichung nochmal durchlesen um Wortwiederhollungen und Vertauschung zu eliminieren. Beste Grüße S.M.

Michael Hinz / 02.06.2021

Sehr geehrter Herr Plutz, Politiker verantworten hier gar nichts. Güldene Zeiten, als der Chef vom Arbeitsamt zurück treten mußte: Warum? Die Arbeitslosenzahl war dreist gefälscht und die tollen Maßnahmen hatten immer ! 85 % der Umgeschulten in Arbeit gebracht. Den Namen hab ich vergessen.

Claudius Pappe / 02.06.2021

Trotzdem brauchen wir die Zuwanderung von jährlich 200 000 Facharbeitern…..................................hat das Politbüro gesagt

Werner Grebe / 02.06.2021

Ich schließe mich Harry Hirsch an. Ergängzend dazu noch: Die Politiker von Morgen werden das mit Leichtigkeit verantworten, denn sie werden auf die Politiker von gestern verweisen. Problematisch wird es nur für diejenigen, die den Spaß werden bezahlen müssen.

Bernhard Freiling / 02.06.2021

Grundsätzlich einverstanden. Abgesehen von den Statements zu Zombieunternehmen. ++ Was verstehe ich darunter? Unternehmen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind überleben zu können. Weil sie technisch oder kaufmännisch schlecht geführt werden, weil sie Gewinn mit Umsatz gleich setzen (warum muß ich da “Altmaier” denken?), weil sie darum mit den erzielbaren Erlösen ihre Kosten nicht decken können. ++ 30 Jahre war ich in erfolgreichen Bauunternehmen tätig. An fast jeder Ausschreibung beteiligten sich Zombieunternehmen. Die 2 oder 3 Jahre lang das Preisgefüge “durcheinander brachten” und dann vom Markt verschwanden um durch andere, neue, ersetzt zu werden. Was bewirkten diese Zombieunternehmen? Daß gesunde, gut geführte Unternehmen sich ständig etwas einfallen lassen mußten um, dem von den Zombies ausgelösten Preisdruck, widerstehen zu können. Neue Arbeitsweisen, verbesserte Baustellenversorgung, besseres Baustellenmanagement, bessere kaufmännische Hilfestellung für die Bauleitung und, natürlich, Einsatz von Zombieunternehmen als Nachunternehmer. All das wäre nicht geschehen, hätte nicht geschehen müssen, gäbe es keine Zombieunternehmen. Auch wenn das Viele anders sehen mögen: Zombieunternehmen sind ein ganz wichtiges (neben anderen) Regulativ “im Kapitalismus” um Preise nicht in den Himmel wachsen zu lassen.  Zombieunternehmen sind die Zecke im Fell des gewinnoptimierenden Unternehmers. ++ Zombieunternehmen sind m.E. unverzichtbar. Wenn es sie nicht gäbe, müßte man sie erfinden. Zombieunternehmen machen alle anderen Unternehmen kreativ. Sie mögen ärgerlich sein, aber sie fördern letztendlich die Produktivität. Nicht die eigene, aber die der anderen Unternehmen. ++ Eigentlich sind Zombieunternehmen für die Wirtschaft das, was Baerbock für die Politik ist. Sie sind nun mal da, man schimpft über und vermeidet so zu werden wie sie.

Armin Reichert / 02.06.2021

Quatsch. Die angesprochenen “verheizten” Arbeitnehmer finden das alles absolut in Ordnung und wählen im Herbst wieder “ihre CDU”. Denen muss es noch härter besorgt werden.

Klaus Müller / 02.06.2021

Alles Tricks, die Unabhängig von der Pandemie sind. Die Zahlen dürten also einigermaßen vergleichbar sein. Die Annahme, dass alle Unternehmen, die - wie Sie schreiben - künstlich am Leben erhalten werden Zomieunternehmen sind und alle Kurzarbeiter Zombiearbeitsplätze ist nicht realistisch. Da sind sehr viele gesunde Unternehmen darunter, die nach der Pandemie wieder normal arbeiten können.

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