Seit dem 4. April rückt die „Libysche Nationalarmee“ (LNA) auf die libysche Hauptstadt Tripolis vor. Kommandiert wird die Miliz von General Chalifa Haftar. Wer ist dieser Mann, der die „Regierung der nationalen Übereinkunft“ unter Fayiz as-Sarradsch stürzen und die Macht in dem ehemals reichsten afrikanischen Land übernehmen könnte?
Während der Herrschaft des Diktators Muammar al-Gaddafi war General Haftar in den 1980er Jahren militärischer Befehlshaber im libysch-tschadischen Grenzkrieg. 2011 beteiligte er sich am Sturz Gaddafis. Seitdem versucht er, sich als starker Mann und Gegner des politischen Islams, insbesondere der einflussreichen Muslimbrüder, zu inszenieren. International wird Haftar unter anderem von den Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens, Russlands und Frankreichs unterstützt. Sie kaufen ihm seine Selbstdarstellung als Islamistenbezwinger ab. Doch stimmt das überhaupt?
Laut einem aktuellen Bericht des französischen Auslandsfernsehens „France 24“ pflegt der Militärkommandant enge Beziehungen zur obskuren Bewegung der Madchalisten. Der Madchalismus wurde vom saudi-arabischen Kleriker Rabīʿ ibn Hādī al-Madchalī (* 1931) gegründet und gilt als islamistische Strömung innerhalb des Salafismus. Im Gegensatz zu anderen Gruppierungen des Islamismus wie den Muslimbrüdern fordert der Madchalismus seine Anhänger nicht zum Kampf gegen diktatorische oder absolutistisch-monarchische Regime im Nahen Osten auf. Gemäß ihrer Ideologie sollen sich Madchalisten politisch passiv verhalten und weltliche Autoritäten nicht in Frage stellen. Wohl vor allem deshalb wurde die sektenartige Bewegung zeitweise durch die saudi-arabische und die ägyptische Regierung als Gegengewicht zu noch extremeren Strömungen unterstützt. Später fiel sie jedoch bei den Herrschenden in Ungnade.
Nach Angaben von „France 24“ hat General Haftar viele madchalistische Kämpfer in seine Armee aufgenommen. In den von ihm kontrollierten Gebieten setze er konsequent deren erzkonservative Ideologie um. Unter anderem dürften Frauen nur noch in Begleitung eines männlichen Vormunds das Haus verlassen. Im Gegenzug habe Rabīʿ ibn Hādī al-Madchalī General Haftar in mehreren Fatwas die Unterstützung ausgesprochen. Kann der abtrünnige Militärkommandant das kriegsgebeutelte Libyen in eine bessere Zukunft führen? Angesichts der Tatsachen, die über seine Verbündeten bekannt sind, erscheint das zweifelhaft.