Dirk Maxeiner / 05.01.2019 / 06:19 / Foto: Elvert Barnes / 65 / Seite ausdrucken

Der Anti-Amerikanismus der Spiegel-Provinzler

Während die Berichterstattung über Spiegelgate in Deutschland allmählich versiegt wie ein Brunnen im Sahel, greift der Skandal in den USA erst richtig um sich. Nachdem sich zunächst zwei Bürger aus der Stadt Fergus Falls in einem Internet-Beitrag Luft gemacht und die Fälschungen des Claas Relotius akribisch nachgewiesen hatte, griffen auch überregionale Medien wie die Washington Post den Fall auf. US-Botschafter Richard Grenell intervenierte mit einem Brief bei den Verantwortlichen des Spiegel. Er schrieb unter anderem:

  • „Die anti-amerikanische Berichterstattung des Spiegel hat in den vergangenen Jahren zugenommen; seitdem Präsident Trump im Amt ist, stieg die Tendenz ins Uferlose“. 
  • „Wir sind besorgt, dass die Leitung des Spiegel diese Art der Berichterstattung forciert und dass die Reporter offenkundig das liefern, was die Unternehmensleitung verlangt."

Der Spiegel antwortete: „Es gibt beim SPIEGEL keine institutionelle Voreingenommenheit gegenüber den USA.“ Die Titelbilder des Spiegel zu den USA und US-Präsident Trump sagen etwas anderes. Und diese Ansicht wird nun auch in The Atlantic, einem angesehenen Magazin für Politik und Außenpolitik in den USA geteilt. James Kirchick, ein bekannter amerikanischer Journalist und Kommentator, schreibt:

„Als Trump zum Präsidenten gewählt wurde, schien das jeden negativen Eindruck zu bestätigen, den die Europäer von den Amerikanern haben. Hier, in Gestalt unseres Reality-TV-Führers, war der Ur-Amerikaner: vulgär, krass, ignorant, kriegerisch. Trump mag all das sein, aber seine Anhänger mit einem so groben Pinsel zu zeichnen, ist gleichbedeutend mit der Beschreibung halb Deutschlands als einem Haufen von im Stechschritt marschierenden Möchtegern-Faschisten."

Affektierte, selbstgerechte, latte-schlagende Europäer

Das Werk von Relotius lese sich so, "wie man es von einem rotzfrechen, affektierten, selbstgerechten, moralisch überlegenen, latte-schlagenden Europäer erwartet, der über Amerika spricht“.

Kirchick zitiert zur Veranschaulichung den Soziologen Andrei Markovits und sein Buch Uncouth Nation (Amerika, dich haßt sich's besser: Antiamerikanismus und Antisemitismus in Westeuropa). Dort heißt es zu den negativen Merkmalen, die die Europäer seit langem mit Amerika in Verbindung bringen, gehörten "Käuflichkeit, Vulgarität, Mittelmäßigkeit, Unwahrhaftigkeit" sowie die Wahrnehmung, dass das Land ein "bedrohlicher Parvenu" sei. Also genau jene Stereotypen, die auch Claas Relotius bediente. Ein Interview mit Andrei Markovits kann man hier auf Youtube ansehen.

James Kirchick, der im Rahmen eines Stipendiums selbst einige Monate in einer für den englischsprachigen Raum arbeitenden Abteilung des Spiegel absolvierte, wirft dem Magazin einen latenten Anti-Amerikanismus vor, der als „hochtrabende Kritik" maskiert sei und reiht mühelos haarsträubende Beispiele aus den vergangenen Jahrzehnten aneinander. Im übrigen sei es für eine ernsthafte Dokumentationsabteilung ein Leichtes gewesen, die Relotius-Fakes mit gesundem Menschenverstand und einem schlichten Anruf bei dem ein oder anderen Akteur zu enttarnen. Zu seinem Atlantic-Beitrag gehts hier. Eine umfangreiche Deskonstruktion des Spiegel-Antiamerikanismus (und auch anderer deutscher Medien) findet sich auf derm englischsprachigen Blog "Davids Medienkritik", der die deutsche Berichterstattung seit Jahren dokumentiert (Danke an Leser Olaf Thiel für den Hinweis). 

Eher von der humorigen Seite nimmt es indes James Lileks von StarTribune aus Minnesota in einer Satire:

„Im Namen aller in Fergus Falls, die sich wegen einer gefälschten Spiegel-Geschichte über ihre geliebte Stadt schämen müssen, dachte ich, es wäre fair, die Büros des Spiegel zu besuchen und zu sehen, wie es da so ist.

Die Büros befinden sich hoch in den Alpen, in einem Schloss. Ein Schild mit der Aufschrift "Wer keine Lederhose trägt, kehrt jetzt um" stand am Straßenrand, aber mein Fahrer, ein dummer Junge namens Horst, erklärte, dass man da nichts drauf geben sollte.

„Es ist nicht so, dass wir Menschen mit Stereotypen beurteilen, die auf ihrem Aussehen basieren", sagte er. Dann bot er mir an, mir seinen Alpenhut zu verkaufen, damit ich mich anpassen könnte.

Die Empfangsdame, Ilsa Shewolff, 32, eine ehemalige Frauengefängniswärterin, starrte mich furchterregend an, wischte einen Tabakfleck von ihren roten Lippen und führte mich dann eine Halle entlang, die von Büsten ehemaliger Redakteure gesäumt war, die an verschiedenen Stellen andere europäische Zeitschriften erobert hatten. Sie öffnete die Tür der Redaktion und lächelte spöttisch.

„Er wird dich jetzt sehen", sagte sie und hauchte leise „Schwein".

Der Herausgeber, Adolph B. Beethoven.... 

Sie können die herrliche Satire hier (auf Englisch) zu Ende lesen. Für den Spiegel aber scheint die Geschichte noch nicht zu Ende zu sein. Zumindest nicht in den USA.

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Dirk Kern / 05.01.2019

“Spiegel-Gate” erregt so geringes Aufsehen, weil wir es alle immer schon irgendwie geahnt haben, dass von der Haltungs- und Qualitätspresse systematisch Nachrichten verdreht, tendenziös dargestellt und teilweise erfunden werden. Siehe Chemnitz, aber das war nur ein Beispiel von vielen. Wie üblich in totalitären Systemen, hat der Volksmund dafür einen sehr treffende Bezeichnung geprägt und wie üblich, regieren die sich der Macht und der herrschenden Lehre verkaufenden Journalisten mit geheuchelter Empörung. Obwohl sie natürlich wissen, dass “Lügenpresse” den Nagel aufs Hirn trifft.

klaus Blankenhagel / 05.01.2019

@ Michael Jensen, gibt es BREITBART, man muss sich nur anmelden….

Henning Brandt / 05.01.2019

Stimmt schon. Leider fallen aber auch die Klugen hin und wieder auf Betrüger rein, wie z.B. Roger Köppel mit seiner Weltwoche (28 Artikel von Relotius!).

klaus Blankenhagel / 05.01.2019

Der “Spiegel”: Der Nachteil der Dummheit besteht darin, dass man sich klug geben will. Das Gegenteil ist erheblich schwieriger. Ruhe sanft und dornig, Spiegel.

B.Klingemann / 05.01.2019

Ich gönne es dem Spiegel, dass man sich nun gebührend mit ihm beschäftigt.

Frank Bauman / 05.01.2019

James Kirchick, ein bekannter amerikanischer Journalist und Kommentator, schreibt: “... ist gleichbedeutend mit der Beschreibung halb Deutschlands als einem Haufen von im Stechschritt marschierenden Möchtegern-Faschisten.” Vielleicht könnte jemand dem Herrn zum Verständnis der Situation in Deutschland mitteilen, daß genau dies bereits seit Jahren von der medialen Presseeinheitsfront genauso gehandhabt wird. Das nennt sich heute “Haltung”, ist ausdrücklich erwünscht und wird staatlich gefördert.

C. Wendler / 05.01.2019

Nun ja, bei “Alice im Wunderland” verbirgt sich hinter dem Spiegel eine seltsame, bizarre Märchenwelt.

HaJo Wolf / 05.01.2019

Ich würde mich jetzt nicht unbedingt als USA—freundlich oder USA—Fan bezeichnen, ich habe einige sachliche Kritikpunkte, wie die Tatsache, dass es nur wenige Jahre in der Geschichte der USA gibt, in denen sie keinen Krieg führten. Die USA mischen sich unter dem Mäntelchen des Demokratieverteidigers überall ein, als Rechtfertigung konstruieren sie oder lügen, dass sich die Balken biegen. Der Staat basiert auf Landraub und Völkermord, hilf-und wehrlose Zivilisten wurden völkerrechtswidrig bombardiert ( in D und schlimmer in Japan, später in Korea und Vietnam…)... eine Liste, die sich um einiges ergänzen lässt. Aber, ein Trunp, mag er auch ein kleiner Prolet sein, tut diesem Land besser als ein Obama, die Devise „America first“ ist gut und richtig, ebenso wie sich aus der schwachsinnigen „Klimapolitik“ zu verabschieden. Trump tut den USA gut, und damit ist we der richtige Mann am richtige Platz. Wer von den weltweiten Großmäulern hat denn vorher mit Kim Jong-un an einem Tach gesessen? Wer von denen hat den Mut, sich offen auf die Seite Israels zu stellen und nicht vor dem Islam zu Kreuze (sic!) zu kriechen? Nein, das pauschale USA- und Trump-Bashing ist nur peinlich und eines ernsthaften Journalisten unwürdig, genau wie das AfD- Bashing, das leider auch aud der Achse gelegentlich zu lesen ist. Gegen die Schmierfinken des Spiegel sind die BILD-Schreiber ein laues Lüftchen. Mit dem Spiegel würde ich mir nicht mal den A… wischen, dann hätte ich womöglich mehr Sche….ße dran als vorher…

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