Thilo Schneider / 01.07.2019 / 06:10 / Foto: Timo Raab / 162 / Seite ausdrucken

Der AfD-Benimmkurs

Die Vogel- und Fliegenschiss-Spezialisten haben wieder zugeschlagen. Und ich weiß, dass das wieder Mecker geben wird, weil doch viele AfD-Mitglieder, -Sympathisanten und -Freunde die Achse – weil sie das journalistisch Selbstverständlichte tut, nämlich fair berichtet – irrtümlich für so eine Art „Bayernkurier“ der AfD halten. Aber es nutzt ja alles nichts. Ich habe Gedeon nicht gewählt und ganz viele andere auch nicht, aber wenn er nicht gerade über Gedenksteine stolpert, dann fällt er eben vor und hinter den Kulissen des Baden-Württembergischen Landtags herum und erzählt da lustige Schwänke. Und er ist beileibe nicht der Einzige!

So hat erst letzte Woche der allseits beliebte Scherzkeks Udo Hemmelgarn (MdB) den Absturz zweier Eurofighter hämisch kommentiert (ja, ich weiß, er hat seinen doofen Tweet vor Bekanntwerden des Todes eines der Piloten abgesetzt, trotzdem hätte er vielleicht auch mal warten können – ich mache das ja auch) und sich schön Kritik eingefangen. Sein aufrechter Kamerad und Mitwitzbold Ralph Müller wollte da natürlich nicht nachsitzen und ist bei einer Gedenkminute im Maximilianeum für den ermordeten Walter Lübcke ganz unaufrecht einfach wie in der U-Bahn hocken geblieben und hat auf seinem wichtigen Handy herumgedaddelt. Und als wäre das nicht genug, hat jetzt Politprofi Gedeon im Stuttgarter Landtag verkündet„Aber wenn wir die Sache politisch sehen, dann müssen wir ganz klar sagen: Im Vergleich zum islamistischen Terror und auch im Vergleich zum linksextremistischen Terror ist politisch gesehen in Deutschland der rechtsextremistische Terror ein Vogelschiss.“

Tja, da hat der Vogelschissexperte wohl extrem Rechts. Allerdings: Im Vergleich zu dem Nazi-Terror der 30er und 40er Jahre (oder, damit Ihr nicht weinen müsst: zu Stalins und Maos Toten) sind die paar „islamistischen Terrortote“ und die paar „linksextremistischen Terrortote (mit oder ohne RAF?) ebenfalls ein „Vogelschiss“. Na, immer noch „cool“, die Bemerkung?

Mal unter uns Rechtsgelehrten: Liebe AfD – habt Ihr ein Loch im Stahlhelm? Die gleichen Leute, die bei Linken und Grünen „Anstand“ anmahnen und sich auf den selbstverständlich nur bei ihnen vorhandenen „gesunden Menschenverstand“ berufen, benehmen sich in den genannten Fällen wie die sprichwörtliche Axt im Wald. Und dann werden die Augen groß, wenn eine Union lieber mit der Linken als mit der AfD koalieren möchte. Völlig unverständlich, woran das liegen könnte, gell? Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe keinesfalls etwas gegen gekonnte und coole Provokation, ganz im Gegenteil – aber in allen drei geschilderten Fällen reden wir nicht über Provokationen, sondern schlicht und ergreifend über mangelnden menschlichen Respekt und über Anstand. Aber genau das sollte einen bürgerlichen Konservativen oder Liberalen von linken Pöblern und Haltungsvorzeigern unterscheiden.  

Wie behämmert kann man eigentlich sein?

Ich verstehe auch, dass bei den AfD-Migliedern und Abgeordneten aufgrund der definitiv vorhandenen Anfeindungen und ungerechten Behandlung durch politische Mitbewerber und Medien die Nerven blank liegen – nur genau so liefert die AfD die Munition, die die Gegenseite so dringend braucht. Und es ärgert mich, dass ich diese Fairness bei On- und Offline-Diskussionen im Bezug auf die AfD immer wieder einfordern muss, wenn im Umkehrschluss die Spaßkanonen in den Parlamenten wirklich auch alles tun, um wie „Fliegenschiss“ behandelt zu werden. Ein weiteres Problem, vor allem auch anscheinend bei der Basis ist: Ihr hört nicht zu. Sowohl der Kollege Ulli Kulke als auch andere Autoren und ich haben es mehr als einmal geschrieben: Ihr könnt Euch so nicht benehmen. Das macht keinen guten Eindruck. Das tut man nicht. Das ist nicht schön anzusehen. Da bekomme ich von meiner Hand Abdrücke auf der Stirn!

Die AfD hat bis heute ihr Potenzial gar nicht begriffen. Statt sich wirklich als Partei der bürgerlichen Mitte (und halbrechts davon) zu etablieren und kreativ und konstruktiv Politik zu gestalten, gefallen sich die Herren (und paar Damen) darin, ihre Liberalen wegzuekeln und in regelrechten Schlammschlachten besonders gärige Haufen zu machen. Wie behämmert kann man eigentlich sein? Ich (und viele Bürger) verzeihen gerne mal Fehler im Gefecht, wenn Kanthölzer erfunden werden, wer aber dann „dem politischen Gegner“ eine „Mitschuld“ an einem Anschlag gibt, der muss sich dann nicht wundern, wenn der „politische Gegner“ das umgekehrt ebenfalls macht. Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall. Und die hört man dann eben trapsen.

Es ist wirklich problematisch mit Euch. Ich glaube nicht, dass ein irgendwann einmal denkbarer AfD-Kanzler stante pede mit Fackelmärschen und der Re-Industrialisierung von Konzentrationslagern loslegt, und ich halte die teilweise schon in Hass umschlagende Abneigung gegen die AfD für übertrieben und ziemlich „drüber“. Ich habe aber den Eindruck, in den diversen Parlamenten finden sich jede Menge pöbelnde Clowns, die weder von parlamentarischen Gepflogenheiten noch von parlamentarischen Abläufen auch nur ansatzweise Ahnung haben. Wie sonst lässt es sich erklären, dass die AfD gegen sich selbst stimmt? Ja „uppsi“, gell?

Kommt verdammt noch einmal endlich zu Euch! Haltet gelegentlich mal die Finger still, bis Sachverhalte geklärt sind. Benehmt Euch. Wascht Euch nach dem Toilettengang die Hände. Steht auf, wenn eines Toten gedacht wird. Nehmt den Helm ab zum Gebet und macht noch Älteren und Schwangeren in der U-Bahn und im Bus den Platz frei. Ganz unabhängig von deren Hautfarbe. Lebt gefälligst vor, was Ihr von Anderen verlangt. Seid Vor-Bild und nicht Nach-Bildung.

Nicht mehr und nicht weniger verlangen wir alle hier von den Grün*Innen und Klimazombies doch auch, oder? Bitte: Hört auf, peinlich zu sein. Die Rolle der Politkasper ist schon an die SPD vergeben.

Foto: Timo Raab

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Thomas Weidner / 01.07.2019

Ich finde es sehr befremdlich, dass sich hier bei AchGut noch jemand über das Handeln von Altparteien oder Regierung beschwert bzw. es kritisiert. Jeder, die nicht AfD gewählt hat, hat sämtlichen Rechts- und Verfassungsbruch in Parlament und Regierung mit seiner Stimme abgesegnet.  Das, was hier in Deutschland abläuft, ist ja nicht neu, sondern seit der Eurorettung Staatsdoktrin: “Not kennt kein Gebot” - und erlaubt jeden Rechts- und Verfassungsbruch…___ Und “Not” ist seit der Griechenlandpleite Dauerzustand…

Stefan Leikert / 01.07.2019

Und wenn der Herr Schneider und die Vielen dreimal recht haben und Gründe ihnen in den Schoß fallen, die AfD nicht zu wählen, die Gründe, dennoch die AfD zu wählen, wiegen 10 x mehr. ( allein die Menge der Kommentare nicht nur hier zeigen auf etwas Bewegendes, Bedeutendes)

Dragan Isakovic / 01.07.2019

Ich fasse mich kurz: Es wird schlimmer kommen, weil es kein besseres Personal mehr gibt. Menschen mit Sachverstand gehen in die Privatwirtschaft, der Journalismus hat daran eine erhebliche Mitverantwortung. Also kritisieren Sie weiter, ändern wird das nichts mehr am Abstieg und Zerfall des Liberalismus in Deutschland. Zumindest hat man einen sicheren Job, den Verwesungsprozess zu kommentieren, bis auch die Reste des Liberalismus beseitigt wurden.

Markus Mertens / 01.07.2019

Es beeindruckt wenig, was da geschrieben steht. Denn die AfD mit Frontmann Lucke wurde schon 2013 - 2014 ausgegrenzt und Lucke als “Nazi” tituliert. Deshalb, weil er “rechts” war, aber nicht für die CDU stand. Für die CDU ist die AfD der Todfeind: die nimmt der CDU Posten weg (zumindest Abgeordnetenmandate).  Man hofft bei der CDU, dass die Partei wieder verschwindet. Die CDU hat sich aber irreversibel gewandelt. Sie ist eine fundamental halbgrüne Partei geworden. Das geht auch dann nicht vorbei, wenn Merkel abgeht. Die AfD wird also bleiben und irgendwann wird sich die CDU damit abfinden. Mit der Frage, ob sich AfD-Abgeordnete “benehmen”, hat das nicht das Geringste zu tun.

Chris Hofer / 01.07.2019

Sehr gut. Ich staune schon lange darüber, dass die AfD es einfach nicht begreift, wie sie sich benehmen sollte und wie sie es potenziellen Wähler/innen mit ihren törichten Ansichten und Einstellungen verunmöglicht, sie zu wählen. Dümmer geht’s nümmer.

Michael Stoll / 01.07.2019

Und nun? Sollen wir auf Godot warten? Sollen wir, wie die meisten, Nichts tun und zuschauen, wie das Land an die Wand gefahren wird? Also ich nicht!

Thorsten Helbing / 01.07.2019

Ach, der Herr Schneider. Immer auf der Jagd nach den meistkommentierten Artikeln eines Monats. Und bereits am 1. schon weit in Führung. Aber wissen Sie was, lieber Herr Schneider? Ihr Artikel ist ausgewogen und ich stimme ihm zu. Auch wenn Sie natürlich niemals als Mitglied der FDP die AfD wählen würden, und das auch noch öffentlich kundtun täten falls doch, schließlich käme es einem Verrat gleich, so trennen „Liberale“ und ein großer Teil der AfD gar nicht so viel. Zum Beispiel bin ich mit sehr sicher das Sie darin mit mir übereinstimmen das eine Mauermörderpartei, mehrfach umbenannt, genauso wenig wählbar erscheint wie eine SPD in der heutigen Verfassung, sowie eine Grüne, welche in jedem dritten Satz das Wort „Verbot“ oder „verbieten“ unterzubringen schafft. Ja, selbst eine CDU ist nur dann überhaupt eine Überlegung wert sollte ein Maaßen als der nächste Kanzlerkandidat auf der Bühne erscheinen. Einem Merz traue ich viel zu, nur nicht das er demnächst seine Eier wiederfindet, denn viele Aussagen widersprechen sich einfach und hinterlassen den Geschmack von Beliebigkeit. Ja, die AfD hat Potential und ja, in schöner Regelmäßigkeit werfen manche, wie zum Beispiel Gedeon, einen Tennisball in das immer wieder mühsam aufgebaute Kartenhaus. Ein Kartenhaus ist fragil, aber ein immer weiter und stärkeres Fundament, Stichwort Basisdemokratie, macht es widerstandsfähiger gegen überführte Leute wie Konstantin, bei denen ein Engagement zu hinterfragen ist und Konsequenzen zu ziehen sind. Ein Herr Dr. Berger zieht gerade Konsequenzen daraus. Nur weil ich ungeregelte Migration ablehne heißt das nicht, das ich auch Einwanderung nach kanadischem Vorbild ablehne. Illegalen dagegen noch Zucker in den Allerwertesten blasen und die arbeitende Bevölkerung dafür bluten lassen, das lehne ich ganz klar ab. Ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Soo liberal kann wiederum kein Staat funktionieren. Jedenfalls nicht mit einem Sozialstaat welcher finanziert werden muss.

Bernhard Freiling / 01.07.2019

@Getraude Wenz: Bravo Frau Wenz. Mit Ihrer kurzen, treffenden Bemerkung wird der Artikel, werden alle 130 bisherigen Kommentare, ad absurdum geführt. Zutreffender ist die Misere, in der sich alle Regierungskritiker befinden, die die AfD nicht wählen, kaum zu beschreiben.

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