Von Petra Baum.
Mit einem islamistischen Massaker bei einer Kultur-Soirée in der deutschen Hauptstadt beginnt der Ich-Erzähler in Giuseppe Gracias Roman: "Wenigstens kann ich sagen, dass ich nicht feige gewesen bin, als man uns an dem Abend in Berlin, mit den hohen Gästen aus Politik und Kultur, hingerichtet hat", sagt er uns im ersten Satz. Und dann geht es erst so richtig los.
Der Ich-Erzähler bringt, seine Leser immer weiter hinein in das verzweifelte Ringen eines Mannes, der wütend die Verlogenheit von Politik und Medien, von Kunst und Kultur-Betrieb angreift. Und der gleichzeitig mit dem drohenden Scheitern seiner Ehe und schließlich dem Selbstmord seiner Frau ringt, der auch im leeren Relativismus der postmodernen Einsamkeit verortet wird - die auch die Bühnen längst erreicht hat, meint der Protagonist:
"Um heute anzuecken, muss man die Leute wütend machen, so dass sie nach draußen stürmen und die Absetzung des Stücks fordern! Aber wie wäre das heute zu erreichen? Vielleicht mit der Inszenierung einer jungen hübschen Frau, die sich auf der Bühne in keiner einzigen Szene auszieht und sich die ganze Zeit anständig benimmt? Eine Frau, die in gebildeter Sprache verkündet, dass sie Politikwissenschaften studiert hat und sowohl Seitensprünge wie auch die gesamte Arbeitswelt banal findet und lieber eine glückliche Vollzeitmutter und Ehegattin ist".
Giuseppe Gracias Roman ist nicht nur starker Stoff in provozierenden Farben sondern ein insgesamt starkes Stück. Dabei liegt es kompakt in der Hand, mit seinen gut 100 Seiten, und liest sich leicht. Der Schweizer Schriftsteller (Satinis Frau, Kippzustand) und Medien-Berater – unter anderem des Bischofs von Chur – weiß, wie groß und schwer so ein Kunstwerk sein muss, damit es durch Establishment-Fensterscheiben fliegen kann, statt abzuprallen. Kein Pflasterstein, wohlgemerkt, sondern einer, über den man leicht stolpert, wenn man meint, ihn einfach ignorieren zu können.
Um diese kompakte Handlichkeit zu erreichen, und dabei nichts an intellektueller Gravitas einzubüßen, bedient sich Gracia geschickt seiner Werkzeuge, inhaltlicher wie stilistischer. Er verwebt die rauen Themen von Islamismus und der neuen Spießigkeit, vom Kulturkampf der Gegenwart und der Rolle des Glaubens darin so dicht und tief, dass daraus ein steinharter Stoff wird, der sich glatt und geschmeidig liest. Auch und gerade, wenn die Szenen so blutig werden wie ein Tarantino-Film. Dabei ist das Buch keine brutale Abrechnung oder ressentiments-beladene Litanei reaktionärer Befindlichkeiten: Verdichtet und potenziert ist das Anliegen des Autors - und deshalb ist die Gattung des Romans auch die richtige - in der modernen Figur des tragischen, kultur-pessimistischen Ich-Erzählers als Anti-Helden, der starke biographische Züge trägt. Oder?
Ich bin nicht diese Figur, weil ich glücklich verheiratet bin und Kinder habe, die mich zusätzlich glücklich machen. Aber ich habe der Figur einiges Biographisches gegeben: dass unter der politischen Korrektheit des medialen Establishments leidet, dass er vom Kulturbetrieb geschnitten wird, weil er öffentlich katholische Positionen vertritt und schliesslich: vor 10 Jahren hat sich mein jüngerer Bruder Fredi, dem das Buch gewidmet ist, das Leben genommen, indem er sich vor den Zug gelegt hat, wie Veronika im Roman.
Dies ist die geürzte Fassung eines Beitarges der zuerst auf CNA hier erschien.
Weitere Medien-Reaktionen auf den Roman:
"Islam und Terror auseinanderzuhalten ist absurd"
Das Massaker des Bischofssprechers
„Die Politik in Europa ist sehr moralinsauer“
Giuseppe Gracias "Der Abschied", ist im Bucher Verlag erschienen.