“Wir werden trotz bunter Einwanderung ... wieder deutscher. Also ordentlicher. Strammer. Durchregierbarer. Funktionierender.” Nein, wir werden es *wegen* der Einwanderung. Denn diese, das fühlen im Unterbewusstsein alle, ist bedrohlich. Und gegen Bedrohung wappnet man sich mit Disziplin, Ordnung, Strammstehen und Stechschritt.
Dem Autor kann ich nur aus vollstem Herzen zustimmen.Es gibt in Deutschland nicht nur den Ordnungsfanatismus,sondern auch den unheimlichen Perfektionismus-im Guten wie im Bösen.Ferner die Kultur der Verherrlichung des Sterbens für Deutschland,die Todessehn- sucht.Der konservative Historiker Arnulf Baring erklärte einmal sinngemäss,er fände es gut, wenn Menschen wieder bereit wären,für Deutschland zu sterben.Einfach nur gruselig! Die lebenslustigen Italiener übrigens waren im Zweiten Weltkrieg nicht bereit,den Deutschen bis zum bitteren Untergang zu folgen.Als sich nach der Landung der Westalliierten auf Sizilien 1943 die Niederlage abzeichnete,stimmte selbst der faschistische Grossrat für die Absetzung Mussolinis.Und ratzfatz- war der Faschismus in Italien Geschichte! Realitätssinn für das Machbare und Vernünftige hatte in Deutschland noch nie Tradition.
Wenn man die Regierungsformen in Europa anschaut, dann waren Diktaturen nicht die Ausnahme. Nicht nur bei uns Deutschen. Vielleicht sind die Ursprünge überall anders. In D - da stimme ich Ihnen zu - liegt es an unserem Ordnungssinn verbunden mit unserer Effektivität. Was uns in der Wirtschaft nutzt, ist der Tod für jegliche Freiheit.
Zur tragischen Geschichte des Liberalismus in Deutschland empfehle ich Udo Leuschner, “Zur Geschichte des deutschen Liberalismus” und “Die Geschichte der FDP”, online. — Im letzten Abschnitt der FDP-Geschichte, “Noch eine Chance für die Liberalen?” von letzterer zitiert er Karl-Hermann Flach: “Liberalismus heißt Einsatz für größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen und Wahrung der menschlichen Würde in jeder gegebenen oder sich verändernden gesellschaftlichen Situation. Der Liberalismus ist nicht auf ein Gesellschaftsmodell festgelegt. Liberalismus bedeutet demnach nicht Freiheit und Würde einer Schicht, sondern persönliche Freiheit und Menschenwürde der größtmöglichen Zahl. Freiheit und Gleichheit sind nicht Gegensätze, sondern bedingen einander. Die Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenze in der Freiheit des anderen Einzelnen, des Nächsten. Insoweit ist Liberalismus nicht Anarchismus, sondern auch eine politische Ordnungslehre.” — Das bleibt eine Dauerbaustelle.
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