Rainer Bonhorst / 22.06.2020 / 17:00 / 15 / Seite ausdrucken

Denkmal nach: Standbild-Absurdistan

Offen gestanden: Ich habe Zeit meines Lebens keine große Begeisterung für die Denkmäler entwickeln können, die unsere Städte und Plätze mehr oder weniger schmücken. Der Rassismus hat dabei keine Rolle gespielt. Mich hat mehr das dreidimensional abgebildete Waffengeklirr und der Heldenkult gestört. Mir wäre van Gogh mit oder ohne Ohr lieber als Napoleon und Dürer lieber als Bismarck, auch wenn der zum Ärger der Linken (und gegen sie) den Startschuss für unsere Sozialgesetzgebung abgefeuert hat. Aber es sind nun mal die politischen Großkopferten, die sich gegenseitig in Stein oder Bronze ehren. Der Gedanke, so einen Helden vom Sockel zu stoßen, ist mir allenfalls im übertragenen Sinne gekommen.

Da das aber jetzt ganz real in Mode gekommen ist, möchte ich noch ein paar Worte über zwei Denkmal-Attacken verlieren, die – leider nicht bei uns – das gelegentlich Absurde an solchen Umstürzen bestens verkörpern. Die beiden sind Christoph Kolumbus und Winston Churchill. Der eine wurde in Boston geköpft, der andere in London als „Rassist“ beschmiert. Tatsächlich hat sich Churchill rassistisch geäußert und in Südafrika für die weiße, britische Herrenrasse gekämpft. Nicht nett, aber seinerzeit Mainstream. Die Europäer, die sich nicht für besser als die Afrikaner hielten, hätte man damals mit der Lupe suchen müssen. Aber das nur nebenbei.

Winston Churchill ist ein Prachtexemplar dafür, dass sich unappetitliche Überzeugungen und große historische Verdienste in einer Person vereinen können. Er war es, der die zögerliche britische Regierung in den Kampf gegen Hitler getrieben hat. Und er war es, der die Amerikaner nimmermüde dazu überredet hat, in den Krieg gegen Nazi-Deutschland einzusteigen. Wer weiß, wie die Sache ohne ihn ausgegangen wäre. Churchill war der Nazi-Gegner schlechthin. Ohne ihn wäre Deutschland vielleicht nicht westlich-demokratisch und England vielleicht nazistisch geworden. Die „Rassismus“-Schmierer arbeiten sich am Denkmal eines „Rassisten“ ab, der mehr gegen den institutionalisierten Rassismus der Nazis getan hat als alle, die heute „Rassismus“ brüllen.

Die kolumbianische Erbsünde auslöschen

Noch kurioser finde ich den Angriff auf Christoph Kolumbus, nicht nur weil dessen Standbild in Boston gleich geköpft wurde. Ja, es stimmt. Kolumbus hat mit seiner „Entdeckung“ Amerikas das Tor zur Masseneinwanderung der Europäer in diesen Kontinent aufgerissen. Eine ganz üble Sache für die, die schon länger da waren und die wegen eines geografischen Irrtums des Entdeckers von politisch nicht ganz Korrekten Indianer genannt werden. Nun ist es aber ein bisschen spät, um diese Sünde der Entdeckung wiedergutzumachen. Wie denn, bei den Massen, die ihm gefolgt sind?

Die Denkmal-Köpfer ursprünglich europäischer Herkunft müssten, um die kolumbianische Erbsünde auszulöschen, konsequenterweise ihre Koffer packen und zurück nach Europa pilgern. In Boston wären es viele Bio-Briten und Leute mit irischen Wurzeln (wie die Kennedys); weiter hinten im Land jede Menge Leute mit deutschen Wurzeln (wie Trump). Eine solche massenhafte Rückwanderung würde alles, was zur Zeit aus Nahost und Afrika nach Europa kommt, in den Schatten stellen.

Es ist ein absurder Gedanke, und es ist klar, dass die Kolumbus-Köpfer nicht ernsthaft über eine Rückreise in östliche Richtung nachdenken. Müssten sie aber, wenn sie das Kolumbus-Kopf-Abschlagen konsequent zu Ende dächten. Die Einzigen, die ohne einen Hauch von Heuchelei oder Absurdität dem alten Kolumbus zu Leibe rücken könnten, wären die Original-Einwohner, deren Vorfahren vor vielen tausend Jahren aus Asien in die menschenleere neue Welt rübergemacht haben.

Oder sind sie gar nicht die letzten Mohikaner?

Aber wer denkt schon konsequent, wenn es um modische politische Action geht. Am ehesten noch die Genossen der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, die jetzt in Gelsenkirchen kein Denkmal umgestürzt, sondern eines errichtet haben. Sie haben den MLPD-Helden Lenin aufgestellt, in der Hoffnung, bei uns ein kommunistisches Arbeiterparadies zu verwirklichen. Sie mögen die letzten Mohikaner des alten Kommunismus sein, aber wenigstens passt zwischen sie und ihren Standbild-Helden kein Blatt.

Oder sind sie gar nicht die letzten Mohikaner? Wünscht sich der eine oder andere Denkmal-Gegner mehr als einen Denkmal-Sturz, nämlich einen Denkmal-Austausch? Zum Beispiel statt Churchill den Großkapitalisten Engels? Und statt Kolumbus den lebenslangen Schnorrer Marx? Also, ich weiß nicht. Wenn schon Austausch, dann wären mir – siehe oben – van Gogh und Dürer lieber.

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P. F. Hilker / 22.06.2020

Wenn man sagt,“wenn schon Denkmalaustausch, dann…”, dann ist man schon gedanklich   auf der anderen Seite. Mit mir jedenfalls nicht.

Gudrun Meyer / 22.06.2020

Hinter der Zerstörung von Denkmälern steckt mehr als eine mehr oder weniger begründbare Wut auf bestimmte, geehrte Personen. In den 1960-er Jahren erwähnte der liberalkonservative, sehr scharfsinnige Romanist Eugen Gürster, dass die (heute gerade in D umjubelten) “Helden” der Royal Air Force ein erstaunlich intensives Bestreben zeigten, harmlose Denkmäler aus dem 19. Jahrhundert zu zerstören. Das ging nach den Massenbombardements auf zivile Viertel als Thema unter; wer nach dem Verlust mehrerer Angehöriger mit dem einzigen weiteren Überlebenden der Familie in einer improvisierten Bretterhütte lebt, hat andere Sorgen als bombardierte Denkmäler. Aber diese scheinbar nebensächlichen Zerstörungen hatten damals wie heute die Absicht, das Ausstreichen einer langen Geschichte zu symbolisieren. D sollte nur noch eine Geschichte ab 1933 haben - eine Forderung, die unser medialer Betrieb brav erfüllt - und in den USA, aber auch GB ist nur noch eine teils wirklich, teils angeblich rassistische Geschichte zugelassen. Wenn es sie nicht gäbe, würde sie erfunden. Die Frage ist NICHT, was Churchill und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960-er Jahre richtig gemacht haben. Die Frage ist nicht einmal die nach NS-Verbrechen oder eben nach rassistischen Verbrechen in den USA; diese Verbrechen dienen als Vorwände, um die dt. und amerikanische Geschichte zum großen Teil zu löschen. Und gelöscht werden sie in einer Epoche, in der es tatsächlich WENIGER Rassismus, WENIGER Sexismus, WENIGER Homophobie, WENIGER Rechtsextremismus etc. als je zuvor gibt. Die Angriffe auf die Denkmäler sind, genau wie die Ladenplünderungen und die gewaltsame Erniedrigung der “rassisch” Falschen, keine Taten von Verzweifelten, sondern von Asozialen, die sich kurz vor dem Sieg sehen, dessen Früchte dann irgendeine Diktatur erntet. Den Tätern von heute ist das egal. Sie leben im absoluten Hier und Jetzt.

Robert Schleif / 22.06.2020

Sie sind ideologisch nicht sattelfest! Der Rassist Dürer nannte ein Gemälde “Die Mohrin Katharina” (nicht korrekt “Afrikanerin”). Weg also mit dem! Und die Indianer waren üble rassistische Fremdenfeinde. Sie haben die armen europäischen Migranten nicht mit offenen Armen empfangen.

Volker Kleinophorst / 22.06.2020

Churchill war nicht der Nazi-Feind schlechthin, er war ein Deutschenfeind schlechthin. Ich hätte allerdings auch ein Symbol der Sklaverei, dass ich gerne niedergebrannt sehen würde: die Finanzämter.

Rolf Menzen / 22.06.2020

Marx & Engels waren beide auch ziemliche Rassisten. Man führe sich nur mal ihre Auslassungen über Lasalle und Paul Lafargue zu Gemüte.

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