Der Deutsche ist und bleibt ein Untertan. Er murrt zwar und muckt auch manchmal auf, aber er gehorcht jedem Schild, auf dem „Rasen betreten verboten“ steht. Schlimmer noch, er denunziert mit Lust und Inbrunst jeden, der sich einer auch noch so sinnlosen amtlichen Anordnung widersetzt. Stänkern tut er gerne, schnell ruft er auch nach dem Kadi, und ganz wichtig ist ihm: Wer bezahlt mir das? Dabei hört er die richtige Antwort nur sehr ungern: Na, du selbst, du Depp, oder hast du noch nie Steuern bezahlt?
Und so kam über das vor noch nicht allzu langer Zeit wiedervereinigte Volk die gelbe Gefahr, vor der schon der Altnazi und Ex-Bundeskanzler Georg Kiesinger gewarnt hatte. In Form eines unsichtbaren, heimtückischen Killer-Virus. Das löste anfänglich ein urdeutsches Gefühl aus: die Angst vor dem nahenden Weltuntergang.
Diesem Angriff auf den gesunden Volkskörper wurde in typisch deutscher Manier begegnet. Zuerst so, wie ein Elefant auf einen Mückenstich reagiert: nämlich überhaupt nicht. Obwohl in den tiefen Archivkellern seit 2012 ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Szenarium ruht, dem diese Pandemie folgte, als hätte sie es gelesen.
Ein Mangelprodukt ist auch noch schwer zu kriegen?
Der Gesundheitsminister Jens Spahn, als lebenslänglicher Berufspolitiker und Politikwissenschaftler ein ausgewiesener Experte in Virologie, Epidemiologie und auch Immunologie, tat zuerst das, was Politiker immer tun, wenn sie mit etwas konfrontiert werden, von dem sie keine Ahnung haben, also meistens: Er wiegelte ab. Deutschland sei „gut vorbereitet“, beruhigte er sein Volk, als im Januar der erste Corona-Fall hierzulande diagnostiziert wurde.
Einreiseverbote, Grenzkontrollen auf Infektion, Reisebeschränkungen? Aber nein, da hat der Deutsche doch schon ganz anderes durchgestanden; wer wird sich denn von so einem kleinen chinesischen Virus erschrecken lassen? Dann tat Spahn das, was deutsche Politiker auch immer gerne tun: Er machte sich lächerlich. Denn als sich herausstellte, dass Deutschland nun doch nicht so gut vorbereitet war, es an allem und jedem und auch an Schutzmasken fehlte, kündigte er mit dieser „So macht man das“-Miene an, sofort zehn Millionen davon zu ordern und zu verteilen.
Nachdem davon auf unerklärliche Weise sechs Millionen in Kenia verschwanden (wieso denn Kenia, weil das mal ein deutsches Protektorat zu Kolonialzeiten war?), räumte Spahn kleinlaut ein, was für jeden offenkundig war: Es sei doch nicht vorhersehbar gewesen, dass so ein Billig-Produkt „so einen Mangel“ habe „und gleichzeitig eben so schwer zu kriegen“ sei. Mann, oh Mann, Herr Minister, echt jetzt? Ein Mangelprodukt ist auch noch schwer zu kriegen?
Das muss einem ja auch erst mal gesagt werden, wenn man nicht in der DDR aufgewachsen ist. Es ist nur zu hoffen, dass die Steuerberatungsfirma Pareton, an der Spahn beteiligt war, kompetenteren Rat erteilte. Allerdings muss auch das bezweifelt werden, nachdem das Finanzamt gegen die Klitsche ermittelte und ihr Hilfeleistungen in Steuersachen untersagt wurden.
Aus dem Ruhestand von null auf hundert
Aber gut, das hat nun mit seinem Wirken als Gesundheitsminister nichts zu tun. Außerdem übernahm dann Kanzlerin Merkel die Sache, und ihrem spröden, strengen und mütterlichen Charme konnten sich die Deutschen noch nie entziehen. Mutti Merkel machte nun das Nächste, was deutsche Regierungschefs gerne tun: Sie geriet sozusagen aus dem Ruhestand von null auf hundert in wenigen Sekunden und pflasterte ganz Deutschland mit Verbotsschildern zu. Fußball? Verboten. Menschenaufläufe jeder Art? Verboten. Freiheitsrechte? Verboten. Wirtschaften? Verboten. Und wenn der Deutsche mal so finster unterwegs ist, kennt er kein Halten mehr: Oktoberfest? Verboten. Love Parade? Verboten. Was war schon wieder die Frage? Egal, verboten.
Warum? Darum. Weil die Kanzlerin das aber unaufgeregt, ohne zu hyperventilieren oder in Schnappatmung zu verfallen dekretierte, nahm niemand wirklich Anstoß daran. Die Gesundheit als oberste Priorität, der Schutz, die Bekümmerung: Obwohl das der Deutsche nicht gern zugibt, das mag er im Innersten seines Wesens. Er möchte gerne gekrault, abgeknutscht und fürsorglich belagert werden.
Natürlich gibt es auch Gezeter, Merkel bewege sich „am Rande der Amtsanmaßung“; damit möchte ein FDP-Politiker wieder etwas Scheinwerferlicht auf seine Partei lenken, die zurzeit nun wirklich niemanden interessiert. Noch schlimmer hat es die Grünen erwischt, die waren gerade so richtig in Champagner- und Kanzlerlaune, und dann das. „Ich würde jetzt gerne in der Regierung sein“, jammert Robert Habeck im „Spiegel“, weil man ihn dort noch lässt. Überhaupt die Medien. Nicht nur ARD und ZDF: Ohne dass Gleichschaltung wieder befohlen werden musste, sahen sie es urplötzlich als ihre patriotische Pflicht an, von jeder Kritik an Amtshandlungen Abstand zu nehmen.
Ist das mal wieder wirklich alternativlos?
Das kannte man in dieser reinen Form bislang nur von sozialistischen Organen wie der „Prawda“ oder dem „Neuen Deutschland“ zu Vorwendezeiten. Auch da gab es eigentlich nur drei Arten von Nachrichten: Schlechte aus dem Ausland, ganz schlechte aus den USA – und nur gute aus dem Inland. Wohin das führte, weiß man ja. Wie aber plötzlich all die Nachrichtenmoderatoren, Talkshow-Matadore, Politjournalisten ihr Gebiss zu Hause vergessen, mit großem Ernst die gewaltige Verantwortung bewundern, die auf den Schultern der Regierenden lastet, das ist schon bemerkenswert.
Alle, fast alle beschwören die Macht des Faktischen, die normative Kraft der Wirklichkeit. Es ist jetzt halt so, und basta, hätte Gerhard Schröder wohl gesagt. Ist es auch richtig so, könnte es auch anders sein, muss es so sein, ist das mal wieder wirklich alternativlos?
Wenn inzwischen erwiesen ist, dass das Median-Alter von verstorbenen Corona-Infizierten weit über 80 liegt, bislang jeder, ausnahmslos jeder mindestens eine oder mehrere Vorerkrankungen wie Diabetes, Arthritis, hohen Blutdruck, Herzinsuffizienz hatte, wenn erwiesen ist, dass die Ansteckungsrate und die Verdoppelungszahl schon vor dem Notstopp auf dem Weg nach unten, beziehungsweise nach oben waren und sich seither daran auch nicht viel geändert hat: Kann das dann alles richtig sein?
Schlechte Träume von Verschwörungstheoretikern
Kann es richtig sein, dass hoppla-hopp eine runde Billion, das sind 1.000 Milliarden oder schlichtweg unvorstellbar viel, als Infusion an die komatöse Wirtschaft und den sedierten Volkskörper angelegt wurde? Einfach mal schnell so, als Anfang; wo das herkommt, da ist auch noch mehr, ein Klick genügt. Ist das der Weisheit letzter Schluss?
Es kann ja durchaus sein, dass alle Kritiker – und sie werden immer zahlreicher – schlichtweg falsch liegen. Auch Professorentitel und viel Erfahrung macht sie nicht davor gefeit, einfach kräftig danebenzuhauen. Rumzumeckern, mit Besserwisserei aufzutrumpfen, statt die Verantwortungsträger mal machen zu lassen. Das kann sein, aber warum, weiß man es nicht? Aus einem ganz fatalen Grund: Weil nicht nur das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft paralysiert wurden, sondern auch die nötige, unverzichtbare öffentliche Auseinandersetzung, der Widerstreit der Meinungen wurde auf Eis gelegt.
Schlimmer noch: Auch seriöse und bedenkenswerte Einwände werden, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen wurden, als Spintisierereien, als schlechte Träume von Verschwörungstheoretikern, als menschenverachtend, nicht zielführend, unsinnig denunziert. Angesehen davon, dass diese Krise wie jede tatsächlich eine ganze Menge von Irren auf den Plan ruft: Ernstzunehmende Ansätze einfach mit der normativen Kraft der Wirklichkeit unterzupflügen, das endet meistens nicht sehr gut.
Bräsige, beamtenarschige, beratungsresistente Haltung
Sicher, von Zwangseinlieferungen, Verbannungen oder gar dem Liquidieren von Dissidenten sind wir weit entfernt. Aber diese bräsige, beamtenarschige, beratungsresistente Haltung, „es ist halt so, und wenn dir das nicht passt, dann pfeif dir eins“, die trägt sicherlich nicht zum erhöhten Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen bei.
Was passiert, wenn der Infusionstropf dann doch mal leer ist und die Bevölkerung aus der Sedierung erwacht? Wenn die rosa Brille runterfällt und die Deutschen mal wieder eine Trümmerlandschaft betrachten müssen? Nein, nicht wie die letzte; diese hier ist anders. Es kann wieder als Krieg der Regierungen gegen ihre Völker gesehen werden, aber die Zerstörungen sind, wie beim Einsatz einer Neutronenbombe, nicht materiell sofort sichtbar. Aber vorhanden.
Nein, hier in der Schweiz ist’s auch nicht viel besser. Außer, dass die Schweiz über eine topstabile Währung verfügt, über die sie sogar selbst bestimmen kann. Und über eine Notenbank, die niemals in der eigenen Währung Schuldpapiere aufkaufte, aber jede Menge erstklassige Aktien und Schuldpapiere im Ausland. Die zudem so gut aufgestellt ist, dass sie sogar den zu erwartenden Milliardenverlust im ersten Quartal dieses Jahres locker wegstecken wird. Nicht nur aus diesen Gründen fühle ich mich in der Schweiz sicherer als in Deutschland. Und dafür muss ich nicht mal Heine zitieren.