Peter Grimm / 18.05.2024 / 11:00 / 29 / Seite ausdrucken

Dendi und Dinka für Deutschland

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mag mit seinen eigentlichen Aufgaben zuweilen überfordert sein, aber um weltweite Sprachpflege scheint es sich engagiert zu kümmern.

„Den Menschen im Blick – Sicherheit geben. Chancen ermöglichen. Wandel leben.“ Mit diesem Motto begrüßt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – auch gut bekannt unter seinem lautmalerisch gelungenen Kürzel BAMF – den interessierten Leser auf seiner Startseite. Und man merkt sofort, dass das Amt bemüht ist, jedem Menschen in der Welt, der hierzulande sein Glück suchen möchte, das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Eigentlich ein sympathischer Zug, den der deutsche Steuerbürger in jenen heimischen Ämtern, mit denen er im deutschen Alltag kommunizieren muss, oft schmerzlich vermisst.

Natürlich können auch beim BAMF zwischen Anspruch und Wirklichkeit große Lücken klaffen, aber dieses Amt bemüht sich immerhin darum, dass möglichst jeder seiner Kunden – egal woher er kommt – in seiner Muttersprache angesprochen wird. Der staatlichen Kaltherzigkeit vieler klassischer Einwanderungsländer, die es als eigenverantwortliche Aufgabe der Zuwanderer ansehen, zu schauen, wie sie Beamten, von denen sie staatliche Leistungen erwarten, ihr Begehr verständlich machen, möchte das deutsche Bollwerk der „Willkommenskultur“ mit jedem Zuwanderer die neuen Regeln des Zusammenlebens gern in dessen Muttersprache aushandeln. Deshalb platzierte das Amt jüngst auch ein Stellenangebot:

„Sie wohnen im Bundesgebiet und beherrschen neben Deutsch eine weitere Sprache, vorzugsweise Khmer/Kambodschanisch?

Oder Sie beherrschen neben Deutsch eine auf dem afrikanischen Kontinent gesprochene Sprache, vor allem: Dagbani, Dendi, Dinka, Gonja, Koniake Kpelle, Mano, Rundi, Rwanda/Kinyarwanda, Taschelhit?

Sie sind berufs- oder studienbegleitend auf der Suche nach einer abwechslungsreichen Tätigkeit, die Sie flexibel in Ihren Alltag integrieren können? Dann ist das Dolmetschen und Übersetzen im Asylverfahren genau das Richtige für Sie!

Wir suchen bundesweit dauerhaft Personen, die Interesse daran haben, im Asylverfahren als Dolmetschende oder Übersetzende tätig zu werden. Eine Ausbildung oder ein Studium in den Bereichen Dolmetschen oder Übersetzen ist nicht zwingend erforderlich. Durch unser Buchungssystem können Sie frei angeben, wann Sie für Einsätze zur Verfügung stehen wollen. So lässt sich die Tätigkeit flexibel mit Ihrem Alltag kombinieren.“

Ein wenig herablassend ist es aber schon

Es ist mir ja ein wenig peinlich, aber ich muss gestehen, dass ich bis zum Lesen dieser BAMF-Annonce weder die Sprachen Dagbani, Dendi und Dinka noch Ronja oder Mano kannte. Jetzt habe ich dank BAMF und Wikipedia gelernt, „Dendi (auch Dandawa) ist eine in Benin und in Nigeria gesprochene Songhai-Sprache.“ Welch eine Bereicherung, dass dank der deutschen Zuwanderungspolitik Dendi bald auch in deutschen Ämtern – oder wenigstens in einem deutschen Amt – eine neue Heimat findet.

Ein wenig herablassend ist es aber schon, dass unser deutsches Amt Asylbewerbern mit der Muttersprache Dendi, die ausgerechnet in Deutschland „Schutz und Zuflucht“ suchen müssen, die fremdsprachliche Kommunikation nicht zutraut. Wie sollten sie denn die weite Reise geschafft haben, ohne sich einer Fremdsprache zu bedienen? Oder sitzen in den Ämtern und Behörden aller Länder zwischen Benin beziehungsweise Nigeria und Deutschland auch dendisprachige Beamte, die auf dem Weg ins Lieblings-Asylland helfen wollen? Man weiß so wenig darüber, wie wichtig Dendi und Dagbani in der Welt wirklich sind.

Die vielen Sprachen der vielen, vielen Asylbewerber in Deutschland zu pflegen, das ist in gewisser Weise auch konsequent, denn die Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt mittels Goethe-Instituten oder deutschsprachigen Sendungen der Deutschen Welle sparen wir uns schließlich mehr und mehr. Und in Dagbani kann man vielleicht auch den ganzen Gendersternchen entkommen. 

Aber mal im Ernst: Wie viele Asylbewerber sprechen eigentlich diese Sprachen? Auch das eingangs erwähnte und immerhin allseits bekannte Khmer ist ja auf deutschen Straßen nicht allzu häufig zu hören. Laut Laenderdaten.info gibt es nicht viele Kambodschaner, die aus ihrem Land fliehen:

„861 Menschen aus Kambodscha sind nach Angaben der UNHCR im Jahr 2022 geflohen und haben einen Asylantrag in anderen Ländern gestellt. Das entspricht ca. 0,005% aller Einwohner. Die häufigsten Aufnahmeländer davon waren Japan, Thailand und Australien. Insgesamt wurden ganze 95 Prozent der Asylanträge abgelehnt. Am erfolgreichsten waren hierbei die Asylbewerber in Kanada und die Schweiz.“

Demnach dürften nicht viele in Deutschland gelandet sein. Aber vielleicht weiß ja das BAMF etwas über Zuwanderungsströme, die demnächst über uns hereinbrechen und auf die das Amt diesmal vorbereitet sein will. Wenn das so ist, schauen wir wohl besser auch noch mal nach, wo Taschelhit gesprochen wird.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Ulrich Trentepohl / 18.05.2024

Die Übersetzer für die jeweilige Muttersprache der Asylbewerber werden nur für die sog. Anhörung benötigt. Da müssen viele Fragen zur Person, vor Allem aber zu den Fluchtgründen beantwortet werden. Die Entscheidung über einen Schutzstatus wird dann aufgrund des Protokolls dieses “Interviews”, wie es unter den Asylanten genannt wird, getroffen. Unter den Übersetzern gibt es Profis wie auch Laien, z.T. auch Menschen, die dieses Procedere selbst durchlaufen haben und nun soweit Deutsch sprechen, dass sie für ihre Landsleute übersetzen können. Es kam auch schon vor, dass eine Verständigung mit dem bestellten Übersetzer nicht möglich war, und der Antragsteller die Angaben zu seiner Herkunft korrigieren musste. Oder, dass sich der übersetzende Student als Sohn eines reichen und einflussreichen Mullahs entpuppte, der den iranischen Dissidenten bewusst falsch darstellte und nebenbei Informationen aus dessen Umfeld sammelte. Insgesamt ist diese Tätigkeit für das BaMF lukrativ und weitgehend risikolos.

Arnd Stricker / 18.05.2024

Wenn man jetzt noch weiß, das in vielen afrikanischen Ländern die einzige Sprache, in der man sich im ganzen Land verständlich machen kann, die Sprache der Ex-Kolonialmacht ist, da die verschiedenen Sprachgruppen sich oft untereinander nicht verstehen, wird das Ganze allmählich komplett lächerlich. Im eigenen Land sind die Verwaltungsangelegenheiten auf Englisch, Französisch und Portugiesisch, aber in Deutschland soll das nicht möglich sein, Dieses Land ist nur noch ein Witz.

Detlef Wacker / 18.05.2024

Deutschland entdeckt die Rekursion. Je mehr Migranten- desto mehr Dolmetscher werden gebraucht. Je mehr Dolmetscher da sind - desto mehr Migranten müssen her, usw.

Claudius Pappe / 18.05.2024

Schon der Führeischein auf türkisch ist ..........................................

Ralf.Michael ( ラルフ. ミハエル ) / 18.05.2024

Hier in Japanien müssen die wenigen Asylanten arbeiten, deswegen auch der riesige Andrang ! Hier gibt es leider Nichts umsonst !  Iie, Gomen Nasai (ごめんなさい)....Sumimasen Ne .....und schöne Feiertage auch :o(((

Rudi Hoffmann / 18.05.2024

Ich bin dafür , dass in   Deutschland ” Tacheles”  gesprochen wird !  Deine Rede sei -ja- ja-  oder nein -nein ! ...  alles andere ist von Übel !

Wolfgang Kessler / 18.05.2024

Da offenbart sich eine unangenehme, aber inzwischen für unser Land typische Mischung aus Ängstlichkeit und Strebertum. Man will nur ja alles richtig machen und dabei alles vermeiden, was als Forderung verstanden werden könnte. Wie im antiautoritären Kinderladen. Furchtbar.

Hans Schläfken / 18.05.2024

Solche Stellen sind vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Migranten.

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