Sabine Drewes, Gastautorin / 29.05.2020 / 16:00 / Foto: Bundesarchiv / 15 / Seite ausdrucken

„Demokratie heißt Anerkennung eines freien Menschentums“

In meinem eigenen kleinen zeitgeschichtlichen Archiv befinden sich so machen Schätze. Hin und wieder habe ich für die Achse des Guten den einen oder anderen Schatz zurück an die Öffentlichkeit gehoben (eine Übersicht von Sabine Drewes' Achgut.com-Beiträgen finden Sie hier). Versunkene Schätze, vergessene Schätze.

Heute mache ich es ganz kurz. Das Zitat steht für sich und bedarf keinerlei Erläuterung. Wohl aber bedarf es dringend der Erinnerung – zumal in diesen Zeiten, wo der politische Gegner schon mal flugs zum Feind, den man rücksichtslos bekämpfen müsse, erklärt wird.

In der angeblich so miefig-piefigen Bundesrepublik der Adenauer-Ära sagte ein alter weiser (kein Schreibfehler und nicht mit „weißer“ zu verwechseln!) Mann:

„Demokratie ist keine Zauberformel für die Nöte der Welt. Demokratie heißt auch nicht nur Wählerstatistik, ist nicht nur ein Rechenverfahren, sondern die Anerkennung eines freien Menschentums, das auch im Gegner den Partner sieht, den Mitspieler.“

Nur mal so als Extra-Erinnerung, liebe FDP, dieses Zitat stammt von niemand anderem als von dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, Jahrgang 1884, gestorben 1963. 

Doch, wir Deutschen haben auch sie gehabt und müssen sie nicht verstecken: alte weise Männer, die oft um Längen klüger agierten und viel feinsinniger dachten, als unser heutiges politisches Personal. Dass auch sie nicht gänzlich ohne jeden Fehl und Tadel waren, ja nicht sein konnten, weil auch sie nur Menschen waren, tut nichts zur Sache. Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein!

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Werner Arning / 29.05.2020

Ja, es gab sie. Alte, weise, weiße Politiker.  Deutsche Politiker. Und sie hatten Demokratie verstanden. Sie hatten verschiedene Gesellschaftsformen in Deutschland kennengelernt und den Unterschied zwischen diesen verinnerlicht. Heuss wusste, dass man niemandem dessen Meinung verbieten soll. Er wusste, dass man niemanden zu einer Meinung erziehen sollte, nur weil diese der eigenen entspricht, nur weil man davon ausgeht, dass es die einzig richtige ist. Er wusste, dass man den politischen Gegner nicht diskreditiert, ihn moralisch entrechtet, ihm nicht böseste Absichten unterstellt und versucht, ihn in den Augen der Anderen, in einer Art und Weise hinzustellen, dass diese Anderen den Diskreditieren als im Unrecht stehend, als böse betrachten. Nein, denn all dieses haben etwa die Nationalsozialisten getan. All dieses haben auch die Kommunisten getan. Und davor wollte Heuss, der Demokrat, warnen. Der politische Gegner ist kein Feind. Er hat nur eine andere Meinung. Dieses berechtigt nicht dazu, ihn etwa zu entmenschlichen, oder ihn in die Nähe von Massenmördern zu stellen. Wie schade ist es, dass man dieses heute in Deutschland erklären muss. Und doch ist die Erklärung notwendig. Demokratie bedeutet nicht, bestimmte Parteien zu wählen. Demokratie bedeutet, den politischen Gegner zu achten. Mit diesem in einen politischen Wettstreit zu treten. Die einzige Bedingung besteht darin, dass der Gegner die Gesetze beachtet. Tut er dieses, hat er ein Recht auf seine Meinung. Er hat das Recht, diese auszusprechen, ohne Angst haben zu müssen, dieses Aussprechen büßen zu müssen. Man muss den Menschen zutrauen, sich eine eigene Meinung bilden zu können. Tut man dieses nicht, glaubt man in Wirklichkeit gar nicht an die Demokratie. Demokratie bedeutet, seine Macht nicht zu missbrauchen. Etwa indem Medien versuchen, eine bestimmte Meinung zu verbreiten, eine andere jedoch konsequent zu unterdrücken. Schade, dass Heuss heute nicht mehr erklären kann, was Demokratie bedeutet.

Stefan Riedel / 29.05.2020

Was habe ich die Tage irgendwann, irgendwo gelesen: ” Neue Akte: Theodor Heuss ein amerikanischer Spion?” Theodor Heuss im Solde Donald Trumps? Da muss doch was dran sein! Demokratie hin oder her!

Thomas Taterka / 29.05.2020

Seit ich die Laudatio von Klaus Maria Brandauer auf Peter Handke anlässlich der Verleihung des Nestroy -Preises gesehen habe, weiß ich, daß diese Tugend noch nicht ganz ausgestorben ist. Freundliche Feiertage, liebe Sabine Drewes!

H.Milde / 29.05.2020

Nun, liebe Frau Drewes, ich fürchte ihr Appel an die vorm. ehrenhafte und wichtige FDP eines Theodor Heuß ua. verhallt im Horror Vacui, das sich zwischen den Ohren der sich selbst sogar im Sitzen enurierenden fDP-Chargen, ausgebildet hat. Gleiches gilt mM auch für die, das mittlererweile irreführende “C”(= christliche) Partei einer AgitProp-Sekretärin, die sich mM sogar als Steigbügelhalter benutzen läßt, einer ganz in der Tradition einer Hilde Benjamin ua. Blutrichter stehenden “Unrechtsstaats-Juristin” zu hohem Staatsamt und Macht zu hieven, sich dabei selbst besudelt, und die vielen tausende Opfer dieses -DDR1.0- totalitären Unrechtsstaates/Regimes erneut verhöhnt, mit der Etablierung/Transformation in eine D/DR 2.0.    Sad but true.

Wilfried Düring / 29.05.2020

Immer wieder habe ich den Eindruck, daß wir Menschen, Schicksale, Lebensleistungen und auch Lebensumstände, in denen Menschen leben (und überleben) mußten, vergessen SOLLEN.  Das gebührende Andenken und der Respekt vor der Lebenleistung früherer Generationen wird heute von Nachgeborenen oft verwehrt! Einer der grossen Vergessenen und ‘Umstrittenen’ in meiner (protestantischen) Kirche ist der damalige Bischof von Berlin-Brandenburg Otto Dibelius. Es ist wichtig, an Menschen wie ihn zu erinnern. Eine angemessene Würdigung incl. Original-Dokumenten findet der interessierte Leser in dieser absolut seriösen Dokumentation. ... (Anm. d. Red.: Bitte googeln: »Otto Dibelius Wiederlesen«)  Ich bitte die Redaktion herzlich diesen Link ausnahmsweise freizuschalten und bedanke mich im Voraus.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Sabine Drewes, Gastautorin / 03.10.2023 / 06:15 / 159

Nein, ich will Deutschland nicht einfach aufgeben!

Zum Tag der Deutschen Einheit: Viele Deutsche empfinden heute einen Heimatverlust, ohne aus ihrer Heimat physisch vertrieben worden zu sein. Das steigende Entsetzen zeigt: Den…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 21.09.2023 / 16:00 / 20

Die CDU wählt lieber Bilder aus einem „sicheren Herkunftsland“

Die CDU hat in ihrem neuen Imagefilm bekanntlich statt des Berliner Reichstags lieber den ehemaligen georgischen Präsidentenpalast in Tiflis gezeigt. Vielleicht, weil Georgien jetzt in Deutschland offiziell als…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 25.08.2023 / 16:00 / 13

Der Sieg der Jutta Gallus

Wohin es führt, wenn eine staatlich verordnete Ideologie ins Familienleben hineinregiert, zeigt das Beispiel Jutta Gallus (heute: Fleck) mit ihren beiden Töchtern Beate und Claudia.…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 24.06.2023 / 12:00 / 9

Wie ich Berlin lieben lernte

Meine ganz große Städteliebe in meinen jungen Jahren hieß – na, wie denn: Berlin! Das hatte nicht nur, aber auch mit der Berliner Luftbrücke zu…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 17.06.2023 / 14:00 / 17

70 Jahre 17. Juni: Gestohlene Erinnerung

Den Deutschen Untertanengeist und mangelnde Freiheitsliebe vorzuwerfen, ist reichlich wohlfeil. Den besten Gegenbeweis liefert der 17. Juni 1953. Setzen wir denen, die an diesem Tag…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 07.04.2023 / 14:00 / 13

Der Freikäufer ist gestorben

Mit Ludwig A. Rehlinger ist vor einigen Tagen eine Schlüsselfigur des Freikaufs politischer Gefangener in den Westen gestorben. Ein Nachruf Ludwig A. Rehlinger ist tot. Er…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 18.12.2022 / 14:00 / 23

Ewig deutscher Untertan?

Waren und sind die Deutschen wirklich so schrecklich untertänig und freiheitsfeindlich? Wagen wir doch einmal einen Blick auf die freundlichen Seiten unserer Geschichte! Henryk M.…/ mehr

Sabine Drewes, Gastautorin / 04.12.2022 / 16:00 / 21

Advent in Zeiten der Dunkelheit

Die Weihnachtsgrüße bleiben einem immer mehr im Halse stecken. Doch wie mit dem täglichen Irrsinn umgehen, ohne verrückt zu werden? Zynismus und Resignation sind jedenfalls…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com