Rainer Grell / 28.05.2016 / 11:06 / Foto: Tomaschoff / 4 / Seite ausdrucken

Demokratie für Doofe

Es gibt sie überall, die Populisten: Vor allem rechts, aber auch links und sogar in der Mitte. Dort heißen sie „Regierungspopulisten“. Gerade hat in unserem Nachbarland ein „Rechtspopulist“ eine Niederlage erlitten, und „alle demokratischen Kräfte“ geben sich erleichtert.

Demokratie kommt, wenn mich meine spärlichen Griechisch-Kenntnisse nicht im Stich lassen, von „demos“ Volk und „kratein“ herrschen und steht daher für Volksherrschaft; an sich bedeutet demos allerdings Dorf, so dass Demokratie gewissermaßen die kleinste sich selbst verwaltende Einheit bezeichnet (Volk heißt auf Griechisch éthnos, aber das steht auf einem anderen Blatt). Aber es ist nun mal das Schicksal von Wörtern, im Laufe der Zeit ihre Bedeutung zu ändern. Ein Demokrat ist also jemand, der für die Herrschaft des Volkes ist. Aber Moment mal! In „Populist“ steckt doch das lateinische „populus“, was auch Volk bedeutet. Also sind Populisten doch irgendwie mit Demokraten verwandt. Oder nicht?

Verlassen wir mal kurz diesen Gedankengang und fragen uns, was eigentlich „Volk“ ist. Juristen machten bei solchen Fragen in der Regel ein bedeutungsvolles Gesicht und erklären: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Das Gesetz, in das wir in diesem Fall blicken, ist das Grundgesetz. Und in dessen Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 heißt es kurz und zackig: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Zwar wird diese Gewalt vom Volk nicht unmittelbar, sondern „in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“. Aber immerhin: Auch in einer repräsentativen Demokratie ist das Volk der „Souverän“.

Das Volk, der demos, der populus, ist die höchste Instanz

Was ist denn das nun wieder? Souverän kommt aus dem französischen „souverain“, das natürlich seinerseits aus dem Lateinischen stammt (mit etwas Phantasie erkennt man „super“ darin) und bedeutet so viel wie „über allem stehend“. Das Volk, der demos, der populus, ist also gewissermaßen die höchste Instanz.

Nun ist aber ein Demokrat zweifellos etwas Positives, während ein Populist eben einen negativen „Touch“ hat. Liegt das womöglich daran, dass das eine Wort aus dem Griechischen, das andere aus dem Lateinischen stammt? Wohl kaum. Die negative Bedeutung ist einfach durch den Gebrauch entstanden, durch die Diktatur der MM gewissermaßen.

Nun wissen wir aber immer noch nicht, was genau ein Populist ist, vor allem, was das Negative an ihm sein soll. Gemeint ist damit offenbar jemand, der dem Volk zum Munde redet, weil er sich bei ihm lieb Kind machen will, also gewählt werden möchte. Aber wollen das nicht alle, die am politischen Wettbewerb teilnehmen? Schon, aber die demokratischen Kräfte schmieren dem Volk keinen Honig ums Maul, sondern sagen ihm schonungslos die Wahrheit. Aha! Also wenn einer sagt „Der Islam gehört auch zu Deutschland“, dann ist das ein seriöser Demokrat. Wenn dagegen jemand erklärt „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, dann ist er mindestens Populist, wenn nicht gar Rassist, Nazi oder sonst noch was Schlimmes.

Der ernsthafte demokratische Politiker wendet sich an diejenigen Teile der Bevölkerung, die genug Grips im Kopf haben, seine Aussagen zu verstehen und richtig zu würdigen. Der Populist dagegen wendet sich an die breite Masse (die plebs, wie die Lateiner sagten), die über nichts weiter verfügt als den „gesunden Menschenverstand“ (wenn überhaupt) und versucht, etwas „rüber zu bringen“, das auch die letzte „Dumpfbacke“ kapiert. Also Demokratie für Doofe gewissermaßen.

Und warum ist das negativ? Na, das ist doch klar: Wenn auch das „Stimmvieh“ begreift, was gespielt wird, wie soll da Demokratie noch funktionieren. Populisten mögen zwar auf demokratische Weise zu ihrem Mandat gekommen sein, sie schaufeln jedoch unermüdlich am Grab der Demokratie. Denn das Volk, „der große Lümmel“ (Heine) mag zwar der Souverän sein, aber natürlich nur, um alle paar Jahre sein Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen (und zwar an der „richtigen“ Stelle).

So, wer jetzt immer noch nicht kapiert hat, was Populisten sind und warum es sich dabei um ganz üble Zeitgenossen handelt, denen man unbedingt das Handwerk legen muss, dem kann ich auch nicht helfen.

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Herman Renz / 28.05.2016

Sie haben ausgesprochen, was ich schon lange denke. Einen Zusatz habe ich noch: Nach den-Landtagswahlen im März haben die Regierungsparteien zwar der AfD zugestanden, dass sie durchschnittlich 20% bekommen haben, aber behauptet, dass 80% der Wähler für deren Politik gestimmt haben. Angenommen, das stimmt: Dann sind die von der AfD ja gar keine Populisten, sondern haben im Gegenteil Themen angesprochen, die von 80% abgelehnt wurden. Die Populisten wiederum sitzen somit in der Regierung.

Peter Schaefer / 28.05.2016

Lieber Herr Grell, da hätten Sie Heute Radio hören sollen. Da war ein “Politikwissenschaftler” oder sowas in dieser Art und er hub unter anderem auf die angebliche Alternativlosigkeit der Vorschläge der Populisten ab und diese bräuchten immer eine andere Gruppe, die sie ausschließen könnten. Er dachte da an die AFD, ich dachte da eher an ein paar Berliner Karnevalsvereine, die mir seit Jahren immer was von “alternativlos” und “die Populisten und Nazis da drüben” und “wir Anständigen hier” erzählen. Vermutlich bin ich einfach zu doof und habe das alles nicht richtig verstanden ...

Sabine Herbst / 28.05.2016

Semantische Felder werden häufig durch mehrere Begriffe besetzt, die sich dann in der Regel arbeitsteilig auf verschiedene Aspekte des Bedeutungsfeldes konzentrieren. Zum “Kind” gibt es die positiven oder neutralen “kindlichen” Eigenschaften (verspielt, emotional, offen, vertrauensvoll, gutherzig etc.), aber auch die negativen “kindischen” (streitsüchtig, egoistisch, unreif, naiv u.a.). Die Begriffe “demokratisch” und “populistisch” teilen sich ebenfalls die Beschreibung all dessen, was “Herrschaft des Volkes” ausmachen kann, auch wenn die exakte Abgrenzung schwierig bis unmöglich ist. Die Bezeichnung “Rechtspopulist” ergibt natürlich bei einer Partei, die anfangs 5, inzwischen 15-20% der Stimmen erringt und überwiegend doch gerade keine “eingängigen”, “populären” Forderungen aufstellt, überhaupt keinen Sinn. Der einzige deutsche “Rechtspopulist” ist Horst Seehofer, der “rechte” Positionen nur kalkuliert und folgenlos einnimmt. Populistisch ist ansonsten nahezu alles, was die Regierung Merkel mit den diversen Rettungs- und Wendeaktionen wie Banken-, Eurorettung, Griechenland-Hilfen, der sog. “Energiewende” und der “Flüchtlingspolitik” (sich) geleistet hat. Das Credo aller echten Populisten lautet: “Wir schaffen das!” (“Aber bitte fragt nicht nach den Einzelheiten!”) Ein Demokrat würde zunächst fragen: “Was ist überhaupt “das”, wem nützt es, wer muss dafür die Kosten und Lasten tragen, und können und wollen wir es dann wirklich in Angriff nehmen?” Außerdem riskiert ein Demokrat seine Abwahl um seiner Überzeugungen willen, während ein Populist (wie Merkel, Seehofer, Gabriel u.a.) seine Überzeugungen dem Machterhalt oder Machtgewinn opportunistisch (neudeutsch: “dynamisch”) opfert.

Jörg Müller / 28.05.2016

“…aber natürlich nur, um alle paar Jahre sein Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen …” Nicht doch, nicht doch, verehrter Herr Grell. Dem Volk wird auch nach der Stimmabgabe eine ganz wesentliche, wenn nicht sogar die wichtigste, Aufgabe zuteil, nämlich… Richtig! Steuern und Abgaben. Ich schlage “Demophthanie” als Präzisierung vor, ggf. in Verbindung mit “repräsentativ”. Viele Grüße aus dem Süden.

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