Manfred Haferburg / 08.08.2021 / 12:00 / Foto: Imago / 90 / Seite ausdrucken

Demo-Frontbericht – die Arroganz der französischen „Eliten“

Am vierten Samstag hintereinander gingen Franzosen gegen die Diskriminierung von Nichtgeimpften auf die Straße. Es waren diesmal nach den offiziellen Verlautbarungen 240.000 in mehr als 150 Demonstrationen landesweit. Den offiziellen Zahlen ist nur bedingt zu trauen. Ich war in Nizza selbst dabei, da schwanken die offiziellen Angaben zwischen 10- und 20-Tausend Teilnehmern.

In den französischen Staatsmedien wird versucht, die Demonstranten zu diskreditieren. Es wird von medienernannten Experten gerätselt, ob es nun 30 oder mehr Prozent Gelbwesten waren, ob die extremen Linken anwesend waren und vielleicht wurde sogar ein Anhänger von Le Pens Front National gesichtet. Dabei hält sich die Rechte extrem zurück. Die Medien mussten aber zugeben, dass viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Feuerwehrleute dabei waren und dass Familien mit Kindern in großer Zahl vertreten waren. Das verwundert mich überhaupt nicht, strebt doch auch die französische Regierung die Kinderimpfung an. So gab es viele Plakate: „Pas toucher aux enfants“ – sinngemäß „Finger weg von den Kindern“. Das unterschreibe ich vollinhaltlich für meine Enkel.

Die Demonstration in Nizza startete vom Place Garibaldi und führte durch die ganze Stadt im großen Bogen über die Promenade des Anglais zurück, der Prachtstrasse, auf der am 14. Juni 2016 ein islamischer Attentäter 86 Menschen tötete und 458 verletzte, darunter viele Kinder. 

Die Franzosen sind demonstrationsgeübt. Es herrschte eine fröhliche Demo-Atmosphäre, in Nizza völlig frei von Gewalt und Aggression. Die wenigen Ordner arbeiteten gut mit den wenigen begleitenden Polizisten zusammen. Einige Polizisten bekamen von Demonstrantinnen Blumen geschenkt. Zwischen „Macron Rücktritt“, „Wir sind nicht Eure Versuchskaninchen“, „Freiheit“ und dem Singen der Marseillaise wurde viel gescherzt, aber auch freundlich kontrovers diskutiert – eine Kunst, die in Deutschland abhandengekommen zu sein scheint. 

Ja, die französische Nationalhymne ist kriegerisch 

Ungeimpfte, Geimpfte, Impfgegner und Impfbefürworter, Alte und Junge, Behinderte in Rollstühlen, Kinder, ganze Familien, Frauen in typischer arabischer Kleidung mit ihren Kinderwagen, Farbige, Chinesen – alle waren sie mit vielen hundert Nationalflaggen und selbstgebastelten Transparenten unterwegs, um der Regierung ihren Unwillen über den Impfpass und seine diskriminierenden Folgen für viele Bürger zu zeigen. Es war schlichtweg ein Querschnitt der Bevölkerung zur Demonstration angetreten und sang: „Zu den Waffen, Bürger, Formt eure Truppen, Marschieren wir, marschieren wir! Unreines Blut Tränke unsere Furchen! …“. Ja, die französische Nationalhymne ist kriegerisch

Franzosen lassen sich nicht gern zu etwas zwingen, schon gar nicht von der Regierung. Regierungen kommen und gehen in Frankreich, nach Mitterrand und Chirac sind 16 Jahre schier undenkbar. Macron und seine elitären Berater haben sich schwer verkalkuliert. Vor ein paar Monaten wurde für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens noch jeden Abend um acht landesweit geklatscht. Heute werden sie von der Regierung bezichtigt, als Ungeimpfte ihre Patienten potentiell zu töten und sollen sich bei Strafe der Nichtbezahlung zwangsimpfen lassen. Dies betrifft auch andere Berufsgruppen. Deshalb singen sie jetzt: „Aux armes, citoyens, Formez vos bataillons, Marchons, marchons! Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!...

Was die Franzosen am meisten kränkt, ist die schier unglaubliche Arroganz der Regierungseliten gegenüber dem Souverän – dem Bürger. Ohne Diskussion einfach etwas so Persönliches wie eine Impfung für ganze Berufsgruppen anzuweisen und mit Entlassung drohen, wenn nicht gespurt wird. 

Unfassbar bevormundende Respektlosigkeit

Was soll eine Krankenschwester, die ihren Patienten seit 25 Jahren täglich den Hintern abputzen muss, von einem 44 jährigen Schnösel denken, der sich in seinem Leben noch nie die Hände schmutzig gemacht hat? Was soll ein Feuerwehrmann denken, der einen Clochard anfassen muss, um ihn zu retten, einen bedauernswerten Menschen, der so riecht, wie Macron noch nie etwas in seinem Leben gerochen hat? Was sollen diese hochbelasteten und schlechtbezahlten Berufsgruppen von einem Regierungschef denken, dessen Frau für 50.000 Euro Steuergeld neues Geschirr für den Palast der Seligen kauft, wo doch schon vorher dort nicht von Papptellern gegessen wurde. 

In Frankreich werden die Dinge ausdiskutiert, das kann dauern, ist aber Kultur. Was die Regierung übers Knie zu brechen versucht hat, wird als arrogante Erpressung wahrgenommen, als unfassbar bevormundende Respektlosigkeit gegenüber den Bürgern. Und das lassen sich Franzosen nicht bieten. Die Quittung kommt.

Die Staatsmedien framen, dass die „viertel Million Demonstranten eine Minderheit wären“ und dass die Umfragen „nur“ 37% Zustimmung zu den Protesten ergäben. Aber liebe Journalisten-Framer – es ist gerade August, die den Franzosen heilige Urlaubszeit. Trotzdem nehmen die Proteste jede Woche um 25 Prozent zu. Was ergibt das im September? Ab Montag gehen erst mal die Feuerwehrleute in einen unbegrenzten Streik. Und am Dienstag geht das Gesundheitswesen für einen Tag in den Warnstreik. Ich freue mich auf den September. Und nächstes Jahr sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen.

 

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Rainer Küper / 08.08.2021

@Alex Schindler: Wo haben Sie Ihr Wissen über Frankreich erworben? Woher die Sicht der Dinge, Deutschland sei das Opfer französischer Industriepolitik? Wer beide Länder näher kennt, wird zum Ergebnis kommen, dass DE vor 50 Jahren vor FR lag. Vor 35 Jahren begann der Wechsel. FR wurde modern, DE stagnierte zuerst und fällt jetzt immer weiter hinter FR zurück. Die letzten 16 Jahre Merkel-Regierungen beschleunigten den Abstieg Deutschlands. Horrende Staatsschulden, abwandernde industrie, abwandernde Fachkräfte, Übernahme von Unternehmen mit Weltruf durch chinesische (Staats-) Unternehmen, mißratene Energiewende, verlottertes Schulsystem, Klimawandelbeherrschung als Grundgesetzvorgabe, zusammenbrechende Brücken und bröckelnde Autobahnen, versemmelte Projekte (BER, Stuttgart 21), rumpelnde Bahnen, verarmende Bevölkerung, katastrophales Steuerrecht, schlechte Demokratie - in welcher Demokratie der Welt kann eine Versagerin 16 Jahre lang Regierungschef sein, und könnte es noch länger, wenn sie nicht von sich aus verzichtet hätte?

Pia Schubert / 08.08.2021

@ Kurt Schrader, warum müssen die Kräfte im Gesundheitswesen für ein Experiment herhalten? Sie leisten eine Arbeit am kranken Menschen. Sie werden ständig getestet und sind immer meist negativ.  Warum werden nicht die Politiker ( unter strenger Aufsicht) gespritzt?Die Reisen andauernd in ihre eigens kreierten Hochrisikogebieten rum und legen ihren Lappen ab, wenn man es nicht sieht. Warum soll ein junger gesunder Mensch sich Spritzen lassen, wenn er GESUND ist. Das hat was mit Grundrechten, körperlicher Unversehrtheit und Weitblick zu tun. Lassen sie den jungen Menschen ein Recht weiteres Leben zu schenken, keine Herzhytmustörungen zu bekommen, keine Trombosen, Fehlgeburten, Impotenz, Lähmungen ect. Alles schon dagewesen! Und sterben tut man auch! Wer bitte wischt den Hintern, macht die Kotze weg, gibt die Medikamente, kümmert sich um die Sterbenden und es Sterben wahrlich Menschen an fürchterlichen und grausamen Krankheiten, da ist Corona ein kleines Problem. Wer wischt Ihnen den Hintern ab, wenn die alle eventuell unter der Spritze leiden? Nicht heute, aber vielleicht Morgen, Herr Schrader? Finger weg von Kindern, von Pflegekräften, Ärzten, Polizisten, Feuerwehrleuten, Kellnern, Verkäufern ect., wenn sie die Spritze nicht möchten! Nein heisst Nein und das gilt erst Recht für ein Experiment!

Dietmar Blum / 08.08.2021

Herr Kurt Schrader / 08.08.2021: “Was spricht dagegen. dass Berufsgruppen mit besonderen Übertragungsrisiken sich gegen Covid impfen lassen…?!? Ich halt’s eigentlich für eine Selbstverständlichkeit…. sowohl im Sinne der Betroffenen als auch der ihnen anvertrauten Menschen….” Gegen was müssen diese “Berufsgruppen mit besonderen Übertragungsrisiken” denn noch so geimpft sein? Wie viele Injektionen? Hunderte! Sind SIE geimpft, stellt doch ein jeder Ungeimpfte keine Gefahr mehr für SIE dar oder trauen SIE Ihrer Impfung nicht so recht? So nebenbei, SIE sind per Impfung infiziert, der Ungeimpfte möglicherweise nicht. SIE sind somit die Gefahr für das Überleben der Menschheit..

Ilona Grimm / 08.08.2021

@Kurt Schrader: Sie fragen ganz direkt, was eigentlich dagegen spricht, dass sich „Berufsgruppen mit besonderen Übertragungsrisiken sich gegen Covid impfen lassen…?!?“ Meine Antwort lautet: Alles, was Prof. Bhakdi in seinem Video vom 4. August 2021 (und schon oft zuvor) gut verständlich erklärt → uncutnews.ch „sucharit bhakdi erklaert die wirkungen der neuartigen impfungen“. Wenn Sie schon geimpft sind, werden Sie „Booster“-Impfungen vermutlich (oder sicher) verweigern!

Klaus Keller / 08.08.2021

Die wenigen Ordner arbeiteten gut mit den wenigen begleitenden Polizisten zusammen. Einige Polizisten bekamen von Demonstrantinnen Blumen geschenkt…dass viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Feuerwehrleute dabei waren… Klingt als ob der öffentliche Dienst demonstrieren würde. Warum sollten die sich wechselseitig verprügeln wenn die Regierung das Problem ist.

Fred Burig / 08.08.2021

@Michael Müller: “.... Vor allem mit Menschen aus den unterentwickelten Ländern. Sowas bräuchten wir endlich auch mal in Deutschland.” Unterentwickelte Menschen haben wir in der Regierung doch bereits genug! Besonders bei den Grünen….... seien sie doch mal nicht so unersättlich! MfG

Rainer Küper / 08.08.2021

@Wilfried Düring: …sollten sich mal ehrlich machen … ist Überheblichkeit. Die Marseillaise ist die Antwort auf die Absicht der Monarchien, die Revolution mit Waffengewalt zu zerstören und die Monarchie wiederherstellen. Die Marseillaise ist eine Hymne der Zeit, die, wie man heute in der Corona-Autokratur sieht, nichts an Aktualität verloren hat. In Frankreich scheinen die Vertreter der Staatsgewalt im Falle der Anti-Corona-Demonstrationen die Bürgerschaft nicht niederknüppeln zu wollen, so, wie es im Musterland der Demokratie Deutschland der Fall ist. Möglicherweise bräuchte auch Deutschland eine Marseillaise.

Ulrich Merwe / 08.08.2021

Wenn ich die jetzt wieder aushängenden „Wahl“-Plakate bei uns sehe, werde ich neidisch auf Frankreich mit seinen echten Debatten und zur Not eben auch den kleinen und großen Revolten! Und bei uns? „Weil er/sie/es es kann“, „Die Zukunft im Blick“, „Gerechtigkeit jetzt“ (= warum eigentlich nicht schon früher; IHR regiert doch schon immer!): Und so lauten die Phrasen, mit denen das denkfaule Wahlvolk offenbar ja immer noch erfolgreich geködert wird. So viel Stumpfsinn war aber wohl wirklich nie! Pfui, mir wird übel.

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