Rainer Bonhorst / 01.02.2020 / 10:00 / Foto: The White House / 30 / Seite ausdrucken

Demnächst die Donald-und-Boris-Show

Es war der vorerst letzte Akt einer fast vierjährigen Serie. Boris Johnson sagt zum Abschied leise „servus“. Nicht leb' wohl und nicht adé, diese Worte tun nur weh. Schließlich möchte er bis zum Jahresende eine freundschaftliche Beziehung zur Europäischen Union neu aufbauen. Seinem Land verspricht er einen „new dawn“, einen Neubeginn, nur poetischer. Im Europa-Parlament wird geweint und gejubelt. Nigel Farage, der lautstärkste Brexit-Mann, ist ein letztes Mal mit weit aufgerissenem Fischmaul zu bewundern. Und ich darf in diesem Jahr nochmal mit Personalausweis nach England reisen; nächstes Jahr muss es wohl der Reisepass sein, als ginge es nach Amerika. Da weht ein Hauch von alten Zeiten: Noch in den siebziger Jahren musste der Kontinentaleuropäer in einer englischen Bank an den Übersee-Schalter treten.

Naja, wer wirklich nach Übersee, also nach Amerika reisen will, hat es doch noch etwas härter. Er muss ja rechtzeitig vorher diesen ESTA-Antrag stellen, den bürokratischen Ersatz, der die Fiktion eines Visa-freien Reiseverkehrs aufrecht erhalten soll. 

Diese Politik der nur widerwillig offenen Tür klingt nach Donald Trump, dem Xenophoben, hat mit ihm aber nichts zu tun. Amerikas pingelige Einreiseprozedur ist eine Folge des Terroranschlags auf das New Yorker World Trade Center. Noch heute wird mir flau, wenn ich alte Fotos mit den beiden stolzen Türmen sehe. Die Terroristen des 11. September 2001 sind nicht nur für viele Tote verantwortlich, sondern für die seither in den USA kräftig angestiegene Skepsis gegenüber Fremden. Von nichts kommt nichts.

Eine wachsende Abneigung gegen zu viele „bloody foreigners“ hat auch zum Brexit geführt. Dabei hat, wie mir mehrmals in England gesagt wurde, auch unsere Angela Merkel unversehens eine mitentscheidende Rolle gespielt. Ihre „Wir-schaffen-das“-Politik der unkontrollierten Masseneinwanderung von 2015 hat viele Briten zutiefst erschreckt. Die Sorge, auf indirektem Weg ein zweites Merkel-Land zu werden, hat sie an ihre geografische und psychologische Insellage erinnert. Mit dem Merkel-Bonus haben die Brexit-Kämpfer ihren knappen Sieg errungen. Den Rest besorgte Brüssel mit seiner aufdringlichen Gleichmacherei, dem probatesten Mittel, das stolze Inselvolk zu verstören.

Man braucht sie, aber man liebt sie nicht

Mal sehen, was sich jetzt an der Grenze ändert. Meinen Pass habe ich schon erneuert. No problem in dieser Hinsicht. Aber es wird komplizierter, nach England zu gehen, um zu arbeiten. Bisher ging das formlos. Demnächst wird es ohne Papierkrieg nicht gehen. Andererseits haben sich die Briten so sehr an das handwerkliche Können und den Fleiß der vielen Polen gewöhnt, dass ein Leben ohne Inselpolen kaum noch vorstellbar ist. Eine neue Distanz aber ist geschaffen, selbst wenn sie in erster Linie psychologisch wäre. 

Was das Verhältnis zu den Osteuropäern betrifft, da geht es den Briten ähnlich wie den US-Amerikanern mit ihren Mexikanern. Man braucht sie, aber man liebt sie nicht. So war es ja damals auch mit unseren sogenannten Gastarbeitern. Wir brauchten sie und hofften, sie bald wieder loszuwerden. Heute können wir uns Deutschland ohne unsere Italiener kaum noch vorstellen. Und wir haben sie lieben gelernt. Da hapert es bei den Amerikanern mit ihren Latinos noch, ebenso bei den Briten mit ihren Polen. (Die 300.000 Germans in England lass ich mal außen vor. Da könnte man am ehesten von einer massenhaften Vernunft-Ehe sprechen.)

Donald Trump versucht es mit einer Mauer. Aber auch da ist nicht alles, wie es auf den schnellen Blick aussieht. Trumps Mauer ist eher ein Ergänzungsbau. Es gibt schon längst jede Menge Zäune. Und die sind bereits in die Höhe und in die Breite gewachsen, seit – natürlich – dem Terroranschlag auf Manhattan und Washington. Auch diese Abgrenzung kommt also nicht von ungefähr und ist keine Erfindung Donald Trumps.

Aber Trump schlägt härter als seine Vorgänger auf die Latinos ein, weil er bei ihnen ohnehin kaum einen Blumentopf gewinnen kann. Er gewinnt bei der weißen Mittel- und Arbeiterschicht im platten Zentrum Amerikas, das die Küstenbewohner überheblich als flyover country bezeichnen. Und sie fliegen auch tatsächlich meist nur über die große Landesmitte hinweg, weshalb sich diese Welten gegenseitig nicht verstehen.

Donald Trump bleibt uns im Amt erhalten

Aber Donald Trump versteht seine Flachländer. Mit ihnen geht er zuversichtlich in die Novemberwahl. Das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten hat er nie ernst genommen, so lästig es für ihn auch ist. Seine Wähler in der Prärie interessiert es schon gar nicht. Das Impeachment ist ohnehin dabei, der klassische Fall des kreißenden Bergs zu werden, der eine Maus gebiert. Oder nicht mal eine Maus.

Donald Trump bleibt uns im Amt erhalten, wahrscheinlich noch fünf Jahre, während Boris Johnson den Kontinent, auf dem er einst als Brüssel-Korrespondent gearbeitet hat, verlässt. Aber natürlich bleibt auch er uns erhalten, nun exklusiv als Mann von jenseits des Kanals. Oder in einer Doppelrolle. Denn demnächst werden wir Trump und Johnson öfter in Paarformation begegnen. 

Die Briten standen ja bei ganz strammen Europäern schon immer im Verdacht, die Stimme Amerikas in Brüssel zu sein. Falls es je so gewesen ist: Jetzt braucht es keine verdeckte Partnerschaft und keine Heimlichtuerei mehr. Trump und Johnson können ihre angelsächsische Beziehung nun ganz offen ausleben. Sie sind zwar ein seltsames Paar, der leicht vornehm stotternde Oxford-Zögling und der nicht gerade eloquente Mann vom Bau. Aber vieles verbindet sie, politisch und auch persönlich. Außerdem sind beide gebürtige New Yorker. Europa sollte sich schon mal auf die Donald-und-Boris-Show vorbereiten.

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R. Nicolaisen / 01.02.2020

” das stolze Inselvolk”— Nun, das EU-Europa ist nicht mein Europa, und ich hoffe auf UvdL und ihre Abwrackfähigkeiten, doch zöge ich es vor, vom ziemlich arroganten Inselvolk zu sprechen- immer schon.

elke popken / 01.02.2020

@s. Schönfelder:” ich finde Trump und Johnson sind ein notwendiges und erfolgreiches paar und ihr Erscheinungsdatum war allerhöchste Eisenbahn!” Für mich ebenfalls ein entscheidenes, Europawirksames wendemanoever! Weitere entscheidende Länder wie Frankreich, Italien.. Werden unter dieser DeutschlandDiktatur auf Dauer nicht mitmachen, reine Selbstzerstörung! Es ist schon symbolisch, das Florian Silbereisen Traumschiff Kapitän ist und rot tenmeier-ursel eu-komissarin! Wenn der deutsche Geldfluss nicht wäre, wäre “dickmadame” allein zu Haus und auch schon längst keine “deutsche” Kanzlerin mehr.

Fritz kolb / 01.02.2020

Es regen Sie also Passkontrollen auf, Herr Bonhorst? Mich würden die für unser Land beruhigen, ermittelt man doch bei anlassbezogenen strengen Grenzkontrollen, beispielsweise anlässlich eines G7-Events in Deutschland, regelmäßig viele Kriminelle jeder Coleur. Die sonst ungestört einreisen können. Und das bei Politikern beliebte Argument, daß man doch ohne Grenzkontrollen komfortabler reisen kann, verliert sich oft spätestens an den Mautstationen gleich hinter der Grenze.  Den beiden Wahlgewinnern Johnson und Trump würde ich übrigens nicht das Vorhandensein didaktischer Talente absprechen, sie haben immerhin trotz „fehlender Eloquenz“ sehr erfolgreich Wahlkämpfe bestritten. Vielleicht, und das wäre eine schlüssige Erklärung, weil sie die Sprache ihrer Wähler sprechen und deren Interessen vertreten. Beides liegt dagegen in Deutschland sehr im Argen.

Rudhart M. H. / 01.02.2020

Ja , begriffen hat es ja nun der Letzte , allerdings alles richtig einordnen und Schlüsse ziehen , das ist eine ganz andere Sache. Ich wäre da erstmal nicht so überheblich, denn auch beim ollen Trump ist es eben nicht ganz so einfach , wie hier mancher glauben machen möchte. Ich empfehle dringend sich die Sache auch mal von einem anderen Blickwinkel anzusehen, bevor man losplärrt , wie es die ÖR-Alleswisser vormachen! Vielleicht entdeckt man da etwas , was man selbst nicht für möglich gehalten hätte!? Also : gemach , halblang und etwas mehr Gelassenheit bitte.  Und noch eines : ab und zu hilft es, wenn man auch die EU oder sich selbst mal von außen betrachtet. Da kommt vielleicht etwas heraus, was man selbst nicht gedacht hätte !

Jens Richter / 01.02.2020

@Hjalmar Kreutzer…Genau so ist es. Diese muslimischen Gegengesellschaften (Parallelen schneiden sich nicht…) haben mit den polnischen, bulgarischen, litauischen, deutschen usw. EU-Immigranten überhaupt nichts zu tun. Diese arbeiten nämlich hart in den veralteten Fabriken, oder pflücken Blumen im Akkord, holen den Müll ab usw., alles Arbeiten, die der ungebildete Jung-Brite, der ab 11am im Pub weilt, nicht verrichten will. Übrigens bringen auch das einige Daily Mail-Leser zur Sprache. Ich lebe im UK seit über 25 Jahren und habe da etwas Innenansicht.

Jens Richter / 01.02.2020

Sogar die Daily Mail-Leser, die für ihren Brexit-Enthusiasmus bekannt sind, äußern sich heute gemischt: so 60% nationale Jubilanten ( UK is great again…), 40% Kritischere (Unabhängigkeit ist heute ein Mythos…). Ich habe gerade ein paar hundert Kommentare hinter mir, und gar nicht so wenige befürchten, dass die scheinbare Unabhängigkeit von der EU nach dem Brexit nun in eine totale Abhängigkeit von China und USA mündet. Der durchschnittliche Haushalt einer britischen Familie besteht aus Made in China (das Preisgünstige) und Made in EU (das Wertvollere). Das heißt, Marmite und Weetabix sind so richtig Made in England. Auch auf den Straßen sehen wir keine Autos Made in Britain.

Werner Pfetzing / 01.02.2020

Schade, dass anstelle von Theresa May -war halt doch irgendwie ein Weichei-  nicht die eher deutschfeindliche Margaret Thatcher in GB am Ruder gewesen ist. Diese hätte nämlich unserer “Mutti” eine laut schallende “verbale Ohrfeige” verabreicht und diese als Hauptverantwortliche für den Brexit benannt. Theresa May und auch Boris Johnson waren dafür einfach zu höflich !

Jörg Themlitz / 01.02.2020

Hält Ihnen gerade jemand eine Pistole an die Schläfe, dass Sie so etwas schreiben müssen? Tippen Sie drei Fragezeichen ein. Wir holen Sie dann raus. Nur drei Punkte möchte ich herausgreifen. Ich habe noch nie einen Reisepass besessen! Ich war 1993 für 14 Tage in Tunesien in Urlaub, mit Personalausweis. Ich war in Polen und der CZ vor deren EU Beitritt und in der Schweiz mit Personalausweis. Und Achtung Gag, 1990 von der DDR in die BRD gereist. Zweiter Punkt, arbeiten in GB, ich schließe hier mal Irland mit ein. Sie wissen wahrscheinlich nicht, welche “tollen und teuren” Möglichkeiten staatliche Organisationen, Gewerkschaften etc. bisher angewendet haben, um Arbeitnehmer vom britischen Arbeitsmarkt auszuschließen bzw. es Unternehmen zu erschweren. Das finden Sie in allen EU Staaten. Da wo Konkurrenz befürchtet wird, gehen unsichtbare und damit nicht attackierbare Rolläden runter. Dritter Punkt, Latinos in den USA -> im Internet kugeln, Wählergruppen Auch bei den Latinos gibt es jede Menge leistungswillige und freiheitsliebende Menschen. Und die haben Trump gewählt. Darüber hinaus, denken Sie sich mal alle mexikanischen Restaurants, Imbisse etc. in Kalifornien weg. So wie bei uns die italienischen Geldwaschmaschinen. Von Latinos in Miami will ich gar nicht erst anfangen. Oder stand hier irgendwo Satire? Dann Entschuldigung.

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