Henryk M. Broder / 16.08.2007 / 16:14 / 0 / Seite ausdrucken

DBG: Keine Meinung wegen Urlaubszeit

Kennen Sie den? Cohns kommen im Grand-Hotel von Bad Ischl an. “Entschuldigen Sie bitte”, fregt Cohn den Empfangschef, “gibt es hier Antisemitismus?” - “Aber Herr Doktor”, antwortet der Empfangschef, “doch net in der Hauptsaison”.

Auf seinen Text über die Haltung bzw. Unhaltung des DGB zu Israel (http://jungle-world.com/seiten/2007/33/10425.php) bekam Benjamin Weinthal einen Brief vom Pressesprecher des Vorsitzenden, in dem dieser mehr als gereizt auf den ausgesprochen milden Artikel von BW reagierte. Besonders apart ist die Behauptung, wegen der “Urlaubszeit” sei “das Thema bei uns nicht bekannt” gewesen. Um Kosten zu sparen, hat man beim DGB-Vorstand während der Urlaubszeit vermutlich sämtliche Zeitungs-Abos abbestellt. Wer liest schon die FAZ beim Ballermann? Und der Rest der Sache ist ein “bedauerlicher Fehler”, der freilich erst bemerkt wurde, als die antisemitische Kacke schon am Dampfen war.

Um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen, geben wir den Brief im Wortlaut wider. Hier ist er:

Sehr geehrter Herr Weinthal,

über Ihre Berichterstattung bin ich nicht sehr glücklich, weil sie an
entscheidenden Stellen schlicht falsch ist. So ist das Verhältnis der
DGB-Gewerkschaften zu Israel völlig klar: Wir haben ein freundschaftliches
Verhältnis, da müssen Sie nur die Histratud fragen. Antisemitische
Tendenzen gibt es nicht. Außerdem habe ich Ihnen nicht mitgeteilt, dass der
Boykott nicht auf der Tagesordnung des Vorstandes steht, sondern dass die
Tagesordnung noch nicht feststeht und im Übrigen vertraulich ist.

Was das Bayerische Bildungswerk betrifft, so ist denen - wie ich
inzwischen erfahren habe - tatsächlich ein bedauerlicher Fehler unterlaufen, weil
sie die Haltung des Referenten zu Israel nicht kannten. Wie Sie selber schrieben,
referierte der in der Vergangenheit über ganz andere Themen. Als der Fehler
bemerkt wurde, wurde das Seminar sofort gestrichen. Das sollten auch
Sie positiv bewerten. Gerade der bayerische DGB hat langjährige engste
Beziehungen zu Israel, zu denen auch regelmäßige gegenseitige Besuche
der Jugendorganisationen von Histratud und DGB gehören.

Ich verwahre mich ausdrücklich gegen den Eindruck Ihres Artikels, dass
der DGB und seine Einzelgewerkschaften eine indifferente Haltung zu Israel
und dem Boykott britischer Gewerkschaften hätten. Ich habe Sie
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wegen der Urlaubszeit seit Wochen keine
Sitzungen stattgefunden haben und das Thema vorher bei uns nicht bekannt war.
Das ist der einzige Grund, warum ich Ihnen keine offizielle Erklärung zum
Boykott geben konnte.

Um eine Gegendarstellung zu vermeiden, bitte ich Sie höflich, diese
Punkte in der nächsten Ausgabe richtigzustellen.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Brower-Rabinowitsh

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