News-Redaktion / 28.10.2020 / 13:30 / 0 / Seite ausdrucken

Datenschützer warnen vor dem neuen Passgesetz

Das Gesetzesvorhaben, mit dem die Bundesregierung einer EU-Verordnung aus dem vergangenen Jahr Folge leistet, sei weder mit dem Grundgesetz noch mit europäischem Recht vereinbar, monierten Kritiker in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag. Das berichtet bundestag.de. Vorgesehen sei unter anderem, dass vom August 2021 auf jedem Personalausweis die Abdrücke beider Zeigefinger des Inhabers gespeichert sein müssten. Die Geltungsdauer von Kinderreisepässen werde auf ein Jahr verkürzt. Ferner dürften Passbilder künftig nur noch digital erstellt und durch eine sichere Verbindung übermittelt werden. Die Ausstattung der Behörden mit entsprechend geeigneten Geräten solle in die Zuständigkeit der Bundesdruckerei fallen.

Gegen den vorgesehenen Zwang zur Speicherung zweier Fingerabdrücke habe sich Friedemann Ebelt, Sprecher des in Bielefeld ansässigen Vereins "Digitalcourage" gewandt. Zwar sei auf diese Weise die Identität einer Person schneller zu überprüfen, wenn das Passbild allein keine ausreichende Handhabe biete. Doch komme das so selten vor, dass eine anlasslose generelle Fingerabdruck-Pflicht dadurch nicht zu rechtfertigen sei. Die vorgesehene Regelung begründe einen Generalverdacht gegen die Bürger und sei ein nutzloser und gefährlicher Übergriff des Staates. Menschen würden dadurch lebenslang kontrollierbar.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs habe auch der frühere schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert, der für das "Netzwerk Datenschutzexpertise" sprach, geäußert. Er habe vor der Entstehung einer unangemessenen Überwachungsinfrastruktur gewarnt und die EU-Verordnung, auf die der Entwurf zurückgeht, als unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz gerügt. Die geringe Zahl von Fällen, in denen der Fingerabdruck die Klärung von Identitätszweifeln erleichtere, sei kein hinreichender Anlass, 300 Millionen EU-Bürger zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke zu zwingen.

Per Gesetz ein neues Monopol für Bundes-Unternehmen?

Abgesehen von der vorgesehenen Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken sei es vor allem die letzte Bestimmung, die den Widerspruch von Sachverständigen und Interessenvertretern hervorgerufen habe. Als beispiellosen Eingriff in die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik habe Roland Appel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Roa.Consult, das Vorhaben gegeißelt. Appel habe für sieben betroffene Hersteller und Anbieter von Geräten zur biometrischen Bilderfassung gesprochen. Mit dem geplanten Gesetz werde das Monopol eines Staatsbetriebes zulasten einer ganzen Branche kleiner und mittlerer Unternehmen etabliert.

Gestützt auf ein juristisches Gutachten habe Appel geltend gemacht, dass der Entwurf sowohl gegen das in Artikel 12 Grundgesetz (GG) verbürgte Grundrecht auf Berufs- und Gewerbefreiheit als auch gegen europäisches Wettbewerbsrecht nach Maßgabe der EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoße. Kritikwürdig sei auch, dass das Gesetz offenbar im Eilverfahren durchgepeitscht werden solle.

Von einem erheblichen Eingriff in Rechtspositionen von Gewerbetreibenden, Kommunen und Bürgern habe auch der Leiter des Instituts für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes, Professor Georg Borges, gesprochen. Dass nur die Bundesdruckerei als Anbieter der Bilderfassungs-Geräte infrage kommen solle, sei nicht nachvollziehbar. Mit Blick auf Artikel 12 GG bedürfte ein solches Monopol einer starken Rechtfertigung, die in diesem Fall aber nicht vorliege.

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