Roger Letsch / 07.01.2019 / 11:00 / Foto: Martin St-Amant / 21 / Seite ausdrucken

Datenleck im Heißluftkessel

Die Nerven liegen blank im politischen Berlin, seit ein Datenleck unbekannter Provenienz und Größe die Mittelmäßigkeit unseres Regierungsmaterials und der ihm zuarbeitenden Bürokratie offenbart hatte. Schon wieder! Man überbietet sich nun in markigen Forderungen und schüttelt drohend die Faust in unbekannte Richtung, was aus der Ferne betrachtet so wirkt, als würden die Verantwortlichen mit verbundenen Augen versuchen, eine Piñata zu treffen. Doch was für lächerliche Knüppel stehen für diese Aufgabe zu Gebote!

Deutschlands Beitrag zur weltweiten Entwicklung der IT ist in den letzten 20 Jahren mit den Bereichen Klamotten (Zalando), Pizza (Lieferheld) und Repressionen gegen oppositionelle Meinungen (NetzDG) erschöpfend zusammengefasst – also im weitesten Sinne Zuckerbrot und Peitsche. Sonst war da wenig, was der Aufmerksamkeit wert war. Wir sind ein IT-Entwicklungsland, in Sachen Netzausbau und Qualität nicht mal das, da konkurrieren wir mit Albanien.

Ach ja, eines ist noch typisch Deutschland, allerdings nicht nur in Sachen IT, sondern in geradezu allen Aspekten des Lebens: Wenn etwas nicht funktioniert, machen wir schärfere Gesetze, auf dass vor Schreck gleich alles viel besser funktioniere. Das hat zwar noch nie funktioniert, aber wohl nur deshalb, weil die Gesetzesverschärfung nicht scharf genug war. Jedenfalls glaubt das unsere Regierung.

Wir erinnern uns leise kichernd an deutsche Rohrkrepierer wie Mietpreisbremse, Schuldenbremse und das formidable Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Auch die weltfremden Grenzwerte von NOx und Feinstaub oder die fixe Idee, die Temperatur des Planeten auf dem Verordnungsweg immer weiter optimieren zu können, entspringt unmittelbar dem „Gestaltungswillen“ theoriegefluteter deutscher Bürokratenhirne.

In eben diese Kerbe schlägt wieder einmal die Oberjustizia Barley, wenn sie strengere Sicherheitsvorgaben für Software-Hersteller und die Betreiber von Internet-Plattformen in Betracht zieht. „Wir prüfen, inwieweit hier schärfere gesetzliche Vorgaben sinnvoll und erforderlich sind“, zitiert das Handelsblatt. Man kennt im Moment aber weder Ursache noch Verursacher des Datenlecks im Bundestag. Es ist, als verböte man nach einem Brand schon mal vorsichtshalber den Verkauf von Streichhölzern, ohne die Ergebnisse der Brandermittler abzuwarten.

Hohnlachen des Staates über seine Bürger

Das dumme an Barleys Aktionismus ist zudem, dass in der IT-Bananenrepublik Deutschland so gut wie keine Software oder Hardware entwickelt wird und es außerdem kaum jemanden gibt, der die Einhaltung der Sicherheitsvorgaben überprüfen könnte. Die geforderte „starke Sensibilisierung beim Umgang mit persönlichen Daten“ darf man indes als unverschämtes Hohnlachen des Staates über seine gleichgeschalteten Bürger interpretieren. Ist es doch gerade der Staat, der mehr und mehr in datenhoheitliche Belange des Bürgers eingreift.

Der Handel mit Meldedaten der Bürger geschieht mit staatlichem Plazet, die GEZ ist eine staatlich sanktionierte mediale Zwangsbeglückung, und dieser Staat ist es auch, der 2018 die Weltrangliste derjenigen anführt, die bei Apple Anfragen zur Offenlegung der Kommunikation mit dessen Geräten gestellt haben. Um sich nicht dem Vorwurf der Zensur auszusetzen, delegiert der deutsche Staat seine Gesinnungsschnüffeleien in sozialen Medien zudem an private Unternehmen und überschreitet gleich eine weitere rote Linie. Deutschland ist ein Land, das seine natürlichen Grenzen bereitwillig aufgegeben hat und in dem die digitale Entgrenzung und die Einschränkung der Abwehrrechte des Bürgers gegenüber staatlicher Willkür bereits ebenfalls beachtliche, ja grenzenlose Ausmaße angenommen hat.

Auch Dieter Janecek, Obmann der Grünen im Digitalausschuss des Bundestages, also einer staatlichen Fazilität, die den Mangel in Deutschland wohlwollend beobachtet, bringt Erwartbares in Vorschlag: Einen verbindlichen Sicherheits-TüV mit Haftungsregeln für Software. Eine Behörde also. Noch eine. Na prima! Was soll denn da überwacht und geprüft werden? In Anbetracht der Bedeutungslosigkeit Deutschlands in der weltweiten IT-Branche sind all diese Maßnahmen in etwa so sinnvoll, wie wenn die Schweiz ein Marineministerium gründen würde um die weltweite Schifffahrt dazu zu zwingen, Schweizer Häfen anzusteuern.

Diese Mischung aus Inkompetenz, Ignoranz und Größenwahn bei Politikern, die zum „Gestalten“ angetreten sind und nicht bemerken, dass sie nicht mit Puppen, sondern mit Menschen spielen, ist es, die uns immer tiefer hinein zieht in überregulierte, planwirtschaftliche Prozesse, was die Reste der freien Märkte hierzulande immer weiter abwürgt. Ich werfe deshalb einen eher gelangweilten und frustrierten Blick in meine USB-Glaskugel 3.0 und prophezeie, wie es laufen wird:

„Geld in die Hand nehmen“ – und zwar deins

Zunächst die Abwehr. Da bereits davor gewarnt wurde, unter die geleakten Daten könnten böswillige Hacker – womöglich von Trump bezahlte Putin-Trolle, die im Auftrag der AfD handeln, man beobachte die Relotiaden der einschlägigen Verlautbarungsorgane – falsche Anschuldigungen mischen, ist die Stoßrichtung beschrieben: Jede Peinlichkeit, die über einen Abgeordneten, Minister, Staatssekretär oder einen der Medienbuddys verbreitet wird, bekommt sofort den Abwehrstempel Fake-News. Damit ist die Sache klar, wer sich trotz des regierungsamtlichen Schmutz-Siegels mit dem Fall befasst, macht sich zur Zielscheibe im „Kampf gegen Rechts”.

Dann geht’s in die Offensive. Die Bundesregierung wird „Geld in die Hand nehmen“, es werden Ausschüsse und Kommissionen gebildet, Tagungen abgehalten, Kongresse mit wichtigtuerischer Nummerierung (7. Digitaler Dingsbums, 14. Netz-Zukunfts-Irgendwas, 21. BER-Eröffnungs-Termin…) werden Handlungsbedarf konstatieren und feststellen, dass noch mehr „Geld in die Hand“ genommen werden müsse. Steuergeld selbstverständlich, denn in Deutschland geht Innovation per Order nicht mehr von freier Wissenschaft und Wirtschaft, sondern vom Staate aus.

Man wird verkünden, was jeder weiß, dass Deutschland nämlich in der Tat 20 Jahre hinter dem Mond lebt und beschließen, was wohl jeder ahnt: dass man die verlorene Zeit mit viel Geld kompensieren müsse. Es werden sich Lobbygruppen, Berater und IT-Firmen finden und für den doppelten Preis das umsetzen, was in einem halbwegs funktionierenden Markt für die Hälfte und dreimal so gut zu haben wäre. Am Ende wird man voller Stolz vermelden, dass endlich Bewegung gekommen sei in den 20-jährigen Rückstand – er sei nun auf 30 Jahre angewachsen.

Immerhin werden Berater, Politiker, Interessenverbände, Medien-Claqueure und an den Planwirtschaftsbetrieb angepasste Unternehmen eine schöne Zeit und kurzfristig ordentlich Kasse gemacht haben, für die langfristigen Dinge ist ja ohnehin der Staat, die EU, die UN oder der galaktische Rat zuständig. Und der potenzielle Störfaktor „Bürger“, dem die Politik zutiefst misstraut, wird auf dem Altar politischer Notwendigkeiten und im Namen eines glattgebügelten planwirtschaftlichen Fünfjahrplans (Datensicherheitswachstumsbeschleunigungsgesetz wäre ein griffiger Titel) wohl noch das eine oder andere kantige Abwehrrecht drangeben dürfen.

Frau Barley wird dann aber längst ihre Karriere im Brüsseler Abklingbecken ausklingen lassen und Herr Janecek sich wahrscheinlich wieder grünen Kernkompetenzen zugewandt haben, die eher bei der Verhinderung von Technologien als in deren Förderung liegen. Abgesehen natürlich von Annalena Baerbocks Speichernetz. Das wird sicher der Knaller, auf den die Welt gewartet hat.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Unbesorgt.

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R. Nicolaisen / 07.01.2019

Mittelmäßigkeit des Regierungsmaterials? - Ach, wäre es doch so gut!

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